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SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 03 vom 04.02.1999, Seite 6

GIPFEL DER GIPFEL

DAVOS

Am vergangenen Wochenende tagten die angeblich wichtigsten Männer der Welt in Davos, darunter über 1000 Bosse des internationalen Kapitals, 40 Staats- und Regierungschefs und ein Haufen genehmer Publizisten und Wissenschaftler. Das Wetter sorgte für eine Situation mit Symbolwert. Schneefall und Kälte brachten einiges durcheinander, sorgten für zeitweiligen Stromausfall und organisatorische Schwierigkeiten. Das Thema lautete diesmal Managing the Impact of Globalization, frei übersetzt: "Wie werden wir mit den Geistern der global freigesetzten Marktkräfte fertig, die wir gerufen haben?" Allgemeines Fazit war, daß es sich nicht mehr um die Krise einiger Weltregionen handelt, sondern um die Gefahr einer weltweiten Krise mit unabsehbaren Folgen.

So erklärte Kenneth Courtis, Chefökonom der Deutschen Bank in Japan, es könne alles wieder gut werden, wenn bloß Zinsen und Steuern gesenkt werden. Andererseits würden aber in Zukunft auch die Währungen der mächtigsten Industrieländer - Dollar, Euro und Yen - gewaltigen Kursschwankungen ausgesetzt sein. Der Weltwirtschaft drohe dann "eine Krise, so schlimm wie die große Depression in den 30er Jahren".

Nach der sogenannten Asienkrise kamen die Japankrise, die Rußlandkrise und schließlich die Brasilienkrise. Die Hauptfurcht der Bosse und Banker besteht aber nicht darin, daß sich diese Krisen ausweiten, sondern daß sie auf die Metropolen übergreifen. Als besonderer Schwachpunkt gelten die USA. Die derzeitige Konjunktur beruht auf einer relativ hohen Binnennachfrage, die sich wiederum auf hohe Aktienkurse stützt. Die Höhe dieser Kurse aber ist hochgradig spekulativ, sie drückt die Erwartung zukünftiger Gewinne aus, die realwirtschaftlich nie kommen werden. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Blase platzt. In einer Weltwirtschaft, die sich bereits zu 40 Prozent in der Rezession befindet, würde damit der wichtigste der letzten Motoren ausfallen.

Der Spiegel (5/99) nannte das Treffen in Davos einen "Gipfel der Ratlosigkeit". Tatsache ist, daß immer mehr Zweifel an den neoliberalen Dogmen geäußert werden. Die bundesdeutschen Vorschläge zu regulierenden Eingriffen in die Finanzmärkte stoßen dennoch auf wenig Widerhall. Doch gibt es unter den "wichtigten Herren der Welt" eine neue diffuse Stimmung bezüglich der sozialdemokratisch geführten Regierungen in Europa. Sie werden nicht mehr als Gefahr gesehen, sondern als Chance für eine zumindest vorübergehend neue Linie, mit der die spekulativen Verluste der jüngeren Zeit ausgeglichen werden könnten - mit der Durchsetzung einer rigiden Spar- und Steuerpolitik, die von den abhängig Beschäftigten akzeptiert wird, weil es sich ja um "ihre" Regierungen handelt. Wenn die Sozialdemokratie ihre Sanierungsaufgabe geleistet hat - so die Vorstellung -, bekommt sie einen Tritt und kann gehen.

Zum Glück blieben die Herrschaften vom Kapital in Davos nicht ganz unter sich. Trotz eisiger Kälte und aus der halben Schweiz herangekarrter Polizisten einschließlich Wasserwerfer und russischer Helikopter, um notfalls noch mehr Ordnungstrupps einzufliegen, demonstrierten an die 200 bei minus 16 Grad Celsius gegen die unmenschliche Weltordnung der Plusmacherei. Kaum hatte sich der Demonstrationszug formiert, wurde ihm auch schon von mobilen Polizeisperren mit ausklappbaren Gittern der Weg versperrt. Die Demoanlage war unauffindbar - offenbar konfisziert -, und so wurden die Reden nur durch ein eher schwaches Megaphon verstärkt.

Zwei Stunden lang forderten die DemonstrantInnen, daß die Polizei ihnen den Weg freigibt - vergeblich. So blieb letztlich nur der Rückzug und die Parole: Wir kommen wieder, und zwar nach Köln zu Demonstration und Gegengipfel!

Redebeiträge und Erklärungen zur Gegendemonstration in Davos können abgerufen werden unter:
http://www.reitschule.ch/reitschule/infoladen/Davos/.

Dieser Artikel erscheint in SoZ Nr. 03 vom 04.02.1999. Die "SoZ — Sozialistische Zeitung" erscheint 14-taegig und wird herausgegeben von der Vereinigung fuer Sozialistische Politik (VSP).
Kontakt: SoZ, Dasselstr.75--77, 50674 Koeln.


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