Pressemitteilung vom 2. Februar 2012

Vor der Entscheidung aus Den Haag:
AK-Distomo hofft auf ein positives Urteil für die Entschädigung von NS-Opfern

Am Freitag, den 3.2.2012, wird der Internationale Gerichtshof in Den Haag seine Entscheidung im Fall Deutschland ./. Italien verkünden. Wie auch immer sie ausfällt, wird sie von historischer Tragweite sein. Mit diesem Prozess versucht Deutschland zu verhindern, dass Opfer von NS-Verbrechen eine Entschädigung für das ihnen zugefügte Leid und die materiellen Verluste erhalten.

Am 27. Januar, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, vergossen deutsche Politiker_innen im Bundestag ein paar Krokodilstränen für die NS-Opfer. Tatsächlich aber tritt die Bundesrepublik Deutschland die Rechte der Opfer und Überlebenden des NS-Terrors seit Jahrzehnten mit Füßen. Die allermeisten haben niemals auch nur eine symbolische Zahlung erhalten. Ein individueller Entschädigungsanspruch wird verneint, ein Klagerecht vor den Gerichten der Herkunftsländer bestritten. Damit verletzt Deutschland seine internationalen Verpflichtungen aus dem Londoner Schuldenabkommen von 1953.

Deutschland verklagt Italien, weil italienische Gerichte vielfach zu Gunsten der Opfer entschieden und eine Klagemöglichkeit in Italien anerkannt haben. Dies betrifft Ansprüche von italienischen Massakeropfern sowie von ehemaligen NS-Zwangsarbeiter_innen. Außerdem geht es um die Anerkennung griechischer Urteile im Fall Distomo. Deutschland wurde in Griechenland rechtskräftig zur Zahlung von ca. € 28 Mio. an die Überlebenden des Massakers in Distomo vom 10.6.1944 und an die Angehörigen der Ermordeten verurteilt. Deutschland erkennt die Urteile des obersten Gerichtshofs Griechenlands (Areopag) und Italiens (Kassationshof) nicht an und bricht damit in eklatanter Weise internationales Recht.

Deutschland beansprucht Immunität gegenüber Klagen im Ausland. Die allerdings kommt dem Rechtsnachfolgestaat Nazi-Deutschlands nicht zu, denn dessen "Verbrechen gegen die Menschheit" erlauben keine Immunität, sondern verpflichten zwingend zur Entschädigung der Opfer.

Der IGH hat die Chance, die Rechte der Opfer der NS-Verbrechen, aber auch heutiger Kriege und Verbrechen gegen die Menschheit, zu stärken. Dazu müsste er die Klage Deutschlands zurückweisen.

Eine Entscheidung zugunsten Deutschlands bedeutete eine Kapitulation des Rechts vor der Macht. Es wäre ein Rückfall in die Barbarei, eine faktische Beseitigung des Individualrechtsschutzes für die Opfer von Kriegs- und Menschheitsverbrechen. In dem Falle wäre die zwingende Konsequenz, den Internationalen Gerichtshof aufzulösen, denn dieser hätte sich selbst überflüssig gemacht.

Der AK-Distomo hat die Hoffung, dass der Internationale Gerichtshof die perfide Strategie Deutschlands durchschaut hat und diese vereiteln wird.

AK Distomo, Hamburg, den 2.2.2012

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