Anfang April berichteten deutsche Zeitungen über ein Gutachten der griechischen Regierung
zum Thema Reparationsansprüche, die Deutschland aufgrund der in Griechenland begangenen Verbrechen
während des 2. Weltkriegs zu zahlen hat. Das griechische Finanzministerium erarbeitete die Studie,
die bislang als "streng geheim" eingestuft ist. Aufgrund des großen Einfluss der deutschen Regierung
auf die Vergabe der EU-Hilfsgelder, die Griechenland dringend benötigt, scheut die griechische Regierung
eine Veröffentlichung und damit einen Konflikt mit Deutschland.
Als ein wesentlicher Bestandteil des Gutachtens gelten die Ansprüche aufgrund von
Gräueltaten und Zerstörungen durch die damalige Besatzungsmacht Deutschland sowie
eine Zwangsanleihe, die Nazi-Deutschland im Frühjahr 1942 dem griechischen Staat
abverlangte. Auf Basis eines Kreditvertrages wurde die griechische Regierung gezwungen, Gelder
an die deutschen Besatzer zu zahlen. Nazi-Deutschland finanziert mit diesen Geldern u.a. die
Armeen der Wehrmacht in Afrika. Die Summe der aus diesem Vertrag begründeten Rückzahlungen beträgt
nach heutigen Schätzungen 5 Milliarden Euro ohne Zinsen.
Konfrontiert mit dieser Forderung verweist die deutsche Regierung - so wie es seit Jahrzehnten alle deutschen
Regierungen gemacht haben - auf eine Reparationszahlung über 115 Millionen DM aus dem Jahre 1960. Diese
Zahlung fand auch tatsächlich statt. Insbesondere wurden die Überlebenden der jüdischen
Gemeinde berücksichtigt. Die Opfer der Kriegsverbrechen wurden in dem Vertrag ausgenommen.
Allerdings besagt der Vertrag, dass Griechenland nicht auf weitere Entschädigungen verzichtet und
die Gültigkeit der Rückzahlungsforderungen basierend auf dem Kreditvertrag von 1942 weiterhin besteht.
Alleine das Zustandekommen des Abkommens von 1960s war nur aufgrund einer besonderen politischen Situation möglich.
U.a. wurden in Griechenland Prozesse gegen deutsche Kriegsverbrecher vorbereitet. Einige deutsche Täter waren
bereits zu langen Haftstrafen verurteilt. Der Deutsche Max Merten, der maßgeblich für die Deportation der
Juden aus Thesaloniki verantwortlich war, wurde in Griechenland verhaftet und zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt. Als
"Nebenabsprache" zu dem Vertrag von 1960 wurde Mertens nach Deutschland ausgeflogen, wo er - oh Wunder -
sofort auf freien Fuß kam. Jahre später wurden die Ermittlungen in Deutschland gegen ihn eingestellt.
Seit Anfang der 1950er Jahre versucht der griechische Staat seine berechtigten Ansprüche gegenüber Deutschland
geltend zu machen. Bis auf das Abkommen von 1960 ohne Erfolg. Dabei begründen sich die völkerrechtlich
verpflichtenden Reparationsansprüche durch das Londoner Schuldenabkommen von 1953. Das Abkommen sah vor,
dass in einem Friedensvertrag die Reparationszahlungen zu regeln sind. (Für Deutschland war das Abkommen
ein Erfolg, da aus damaliger Sicht eine Verschiebung der Reparationszahlungen auf einen unbestimmten Zeitpunkt
gelang.) Mit der Wiedervereinigung von 1990 und den 2+4-Verträgen wurde faktisch ein Friedensabkommen geschlossen.
Ein zentraler Verhandlungspunkt der damaligen Regierung Kohl war natürlich die Reparationen auszuklammern.
Die deutsche Seite konnte sich durchsetzen und ein weiteres Mal Reparationszahlungen verhindern.
Auch individuelle Klagen von Opfern deutscher Überfälle und Massaker im Rahmen der sog.
Partisanenbekämpfung können seit einem Urteil des Internationalen Gerichtshof (IGH) nicht mehr
auf Entschädigungen hoffen. 2012 hat der IGH individuelle Klagen gegen Deutschland aufgrund schwerster
Verbrechen während des 2. Weltkriegs untersagt und stellt damit die Urteile der höchsten griechischen und
italienischen Gerichte auf den Kopf, die individuelle Klagen zugelassen und den Opfern Entschädigungen zugestanden hatten.
Die Zwangskredite stellen eine Besonderheit dar, da diese in einem völkerrechtlich gültigen Vertrag
vereinbart wurden. Sie stellen eine Verpflichtung zwischen zwei Staaten dar und sind nicht mit den Verträgen
und Schuldenabkommen der Nachkriegszeit zu vergleichen. Deutschland muss somit die griechischen Forderungen auf
Basis der Zwangsanleihen begleichen!
Die Auseinandersetzungen der letzten Jahrzehnte um die Entschädigungen für NS-Verbrechen haben gezeigt,
dass Veröffentlichungen, Gutachten, parlamentarische Anfragen, zwischenstaatliche Verhandlungen oder
Prozesse gute Mittel sind, das Thema überhaupt in eine öffentliche Auseinandersetzung zu bringen.
Letztendlich mussten sich deutsche Regierungen immer wieder mit der unliebsamen Vergangenheit auseinandersetzen. Ganz
konkrete Entschädigungen konnten allerdings nur dann erzielt werden, wenn der politische Druck so hoch war,
dass dem deutschen Ansehen ernsthafter Schaden drohte und insbesondere die Exporte der hiesigen Wirtschaft
gefährdet waren. Dieser politische Druck wird aktuell nicht in Deutschland entstehen.
Im Gegenteil: Die Abwehrhaltung aller deutschen Regierungen besaß immer einen großen Rückhalt in
der deutschen Bevölkerung.
Jan Krüger, AK Distomo
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