Hagen Fleischer ist Professor für neuere Geschichte an der Universität Athen. Der folgende Beitrag
ist die ungekürzte Replik auf eine Kolumne der Berliner Zeitung.
Eben erst erhielt ich Götz Alys Kolumne vom 23.2.2015, in der er erneut versucht alle griechischen
Ansprüche infolge der brutalen deutschen Okkupation 1941-44 mit höchst problematischen
Argumenten abzuschmettern. Zugleich attackiert er diesmal auch den Unterzeichneten, der
sich seit Jahrzehnten um historische Flurbereinigung zwischen seinen beiden Heimatländern müht.
Wenn Aly dabei dem Vertreter der Gegenposition "Verfälschung" vorwirft, macht er sich deren
selbst schuldig: So exkulpiert er etwa den von den deutschen Besatzern allmonatlich bei der
griechischen Zentralbank eingetriebenen Zwangskredit als griechische bzw. Fleischersche
Legende. Diese stütze sich, wie Aly zweimal behauptet, auf ein "einzelnes" Dokument: den in den
letzten Kriegsmonaten von NS-Experten ausgearbeiteten Schlussbericht, den ich vor
Jahrzehnten - damals noch unsigniert im Keller des Bundesarchivs - entdeckte.
Weiss Aly wirklich nicht, dass es zahllose Dokumente hoher NS-Stellen zum Kredit gibt,
zur "Anlastung des Reichs" und der regelmäßig nach Berlin gemeldeten (steigenden)
"Reichsverschuldung gegenüber Griechenland"? Absurd ist auch Alys Behauptung, die
Athener Regierung habe die Anleihe nicht als solche gesehen, zumal er keine
griechischen Quellen kennt. Dubios ist sein Vorwurf, ich hätte die "Aktiva" der
Nazi-Besatzung ignoriert! Abgesehen davon, dass mediale Anfragen bei mir fast immer
das "historische Kuriosum" der Anleihe betrafen, ist der Bericht von 1945
essentiell, da er für die deutsche Schuld einen als Minimum anzusehenden Richtwert errechnet.
Hingegen entsprangen die darin behaupteten Importüberschüsse zuvörderst den allseits
bekannten Clearingmanipulationen der Besatzungsmacht, die nun - Aly sei Dank - späte Rechtfertigung finden.
Trotz eines Alibisatzes ("Es liegt mir fern, die deutsche Besatzung Griechenlands zu verharmlosen") macht
Aly genau das: Er verliert kein Wort zur deutschen Ausplünderung des Landes, primär
schuld an der Hyperinflation sowie der apokalyptischen Hungersnot mit etwa 100.000 Toten
allein im ersten Besatzungswinter. Kein Wort zum Terror gegen die Zivilbevölkerung, blutiger
als in jedem anderen nichtslawischen Land. Kein Wort zur Zerstörung der Infrastruktur. Stattdessen
gibt Aly vor, Griechenland stünde in der Schuld auch der ehemaligen Co-Okkupanten aus Bulgarien!
Auf deutschen Druck musste das Regime in Sofia nämlich einen Bruchteil der Produktion aus den
1941-44 annektierten griechischen Überschussgebieten den rechtmäßigen Besitzern überlassen!
Was steckt aber hinter den genannten sowie den aus Platzmangel ungenannten historischen
"Fouls"? Ignoranz oder etwas anderes? Zumindest die Bundesregierung schuldet Aly Dank, sekundiert
er doch ihrem fadenscheinigen Argument vom Reparationscharakter der sogar vom NS-Regime
vielfach anerkannten und berechneten deutschen Kreditschuld.
Hagen Fleischer, Universität Athen
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