Kaum war der neue griechische Ministerpräsident Tsipras im Amt, legte dieser bereits den Finger in die Wunde.
Deutschland hat bis heute seine Schulden gegenüber Griechenland aus der Zeit der Besatzung von 1941 bis 1944
nicht bezahlt. Die derzeitige Kampagne deutscher Medien gegenüber der neuen griechischen Regierung stellt
eine Verdrehung der tatsächlichen Verhältnisse dar. Die Forderungen Griechenlands sind juristisch,
politisch und moralisch begründet.
Deutschland hat seine Reparationsverpflichtungen nicht erfüllt, es hat die "Zwangsanleihe" nicht
zurückgezahlt, die das Deutsche Reich der griechischen Staatskasse abgepresst hatte, um die Kosten der
Besatzung aufzubringen und auch große Teile des geraubten Kulturguts wurden nicht zurück gegeben.
Das sogenannte "Wirtschaftswunder" in der Bundesrepublik Deutschland wäre nicht möglich gewesen
ohne die Stundung der Kriegsschulden im Londoner Schuldenabkommen von 1953. Spätestens seit
dem 2+4 Vertrag von 1990 sind diese Schulden aber fällig. Die Zahlungsverweigerung Deutschlands
ist ein klarer Bruch internationaler Verträge.
Die griechische Regierung hat daher allen Grund der deutschen zu sagen: "Zahlt erstmal eure Schulden,
bevor wir über unsere reden."
Es gibt eine zweite Schuld, die Deutschland bis zum heutigen Tage nicht beglichen hat und die auf
keinen Fall mit den Staatsschulden Griechenlands verrechnet werden darf. Während der deutschen
Besatzungszeit von 1941 bis 1944 kamen in Griechenland mehr als 30.000 Menschen allein durch
Massaker zu Tode. Die Überlebenden der zahlreichen Nazi-Massaker und die Angehörigen der Ermordeten
haben bis heute keine Entschädigungsleistungen von der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Die
Opfer der NS-Verbrechen haben Anspruch auf individuelle Entschädigung für den erlittenen Schaden und das Leid.
Nach der grundlegenden Entscheidung des Areopag aus dem Jahre 2000 im Fall Distomo und der Verhinderung der
Vollstreckung der Schadensersatzansprüche der Opfer gegen deutsches Staatseigentum in Griechenland
durch politische Intervention Berlins, waren es zuletzt italienische Gerichte, die den Rechtsweg auch
für griechische NS-Opfer eröffneten. Bahnbrechend war die Entscheidung des italienischen Verfassungsgerichts,
das am 22. Oktober 2014 feststellte, jeder Mensch habe ein Grundrecht, vor den Gerichten Gehör zu
finden. Hieran könne auch die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag von
Februar 2012 nichts ändern. Mit dieser hatte Deutschland Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen
zugestanden bekommen. Nach Auffassung des IGH dürften die Opfer der in ihrem eigenen Land begangenen
NS-Verbrechen vor den Gerichten ihres Landes nicht gegen Deutschland auf Schadensersatz klagen. In
Italien ist dies seit Oktober 2014 wieder möglich.
Die Schadensersatzansprüche der griechischen Opfer könnten aber auch in Griechenland befriedigt
werden. Dafür müsste die neue Regierung einer Vollstreckung der gegen Deutschland ergangenen
Urteile zustimmen. Sollte Deutschland seine Schulden an die Opfer der NS-Massaker immer noch
nicht bezahlen wollen, könnten im deutschen Staatseigentum stehende Immobilien in Griechenland
zwangsversteigert und die Ansprüche der Opfer endlich realisiert werden.
Im Gegensatz zu den hier öffentlich erhobenen Prophezeiungen wäre das kein Affront gegen
Deutschland, sondern ein Akt für den Frieden und für die Gerechtigkeit heute. Es wäre das
Signal an heutige Kriegstreiber, dass Völkerrechtsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit nicht
mit schönen Worten erledigt werden können, sondern der Schädiger – so mächtig er inzwischen sein
mag – auch finanziell für das angerichtete Unrecht gerade stehen muss, auch noch nach 70 Jahren.
Der AK-Distomo fordert weiterhin:
Sofortige Entschädigung aller griechischen Opfer des Nationalsozialismus!
Nazi-Verbrechen nicht vergeben, den antifaschistischen Widerstand nicht vergessen!
Gemeinsamer Kampf gegen den wiedererstarkenden Faschismus in Europa!
AK Distomo, Hamburg, den 5.2.2015
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