Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras erklärte am Dienstag, den 16.8.2016, während
der Gedenkfeier für die Opfer eines Wehrmachts-Massakers in dem nordgriechischen Dorf Kommeno,
Athen werde ”auf diplomatischer und falls nötig auf gerichtlicher Ebene” gegen Berlin vorgehen,
sollte die Bundesregierung sich weiterhin weigern, in Reparationsverhandlungen einzutreten.
Anfang September soll das griechische Parlament über einen kürzlich fertiggestellten Bericht des
parlamentarischen Ausschusses für die Entschädigungsforderungen diskutieren, der die deutsche
Reparationsschuld auf 269 Milliarden Euro beziffert.
Der Abschlussbericht des Ausschusses listet die bis heute offenen Ansprüche auf Reparationen und
Entschädigungen auf. Demnach kann Athen ”Reparationen für materielle Kriegsschäden und
beschlagnahmte Waren” beanspruchen, darüber hinaus die Rückzahlung einer Zwangsanleihe, die die
deutschen Besatzer Griechenland abpressten, außerdem Entschädigungen
für Opfer deutscher Kriegsverbrechen und ihre Angehörigen; nicht zuletzt wird auch ”die
Rückführung Hunderter entwendeter archäologischer Artefakte” verlangt.
Behauptungen der Bundesregierung, die Reparationsfrage sei ”erledigt”, treffen nicht zu:
Deutschland hat seine Schulden gegenüber Griechenland bis heute nicht bezahlt. Tatsächlich ist
die Zahlung einer 1946 verbindlich anerkannten Reparationssumme mit dem Londoner
Schuldenabkommen vom Februar 1953 zwar gestundet, aber nicht aufgehoben worden. Seit dem
Abschluss des 2+4 Vertrages sind alle Forderungen fällig.
Aus Sicht des Arbeitskreises Distomo ist es zwingend erforderlich, dass Deutschland endlich
seine Rechtspflicht anerkennt, die Zehntausende von zivilen Opfer der Besatzungszeit in
Griechenland zu entschädigen. Den Überlebenden der Massaker von Wehrmacht und SS sowie den
Angehörigen der Ermordeten werden seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland jegliche
Leistungen vorenthalten. Rechtskräftige Urteile wie im Fall Distomo werden von der deutschen
Regierung missachtet und wurden bis heute nicht erfüllt. Die Klägerinnen und Kläger mussten nach
Italien gehen, um dort die Vollstreckung gegen deutsches Vermögen zu betreiben. Auch die
Entschädigungsforderungen der jüdischen Gemeinde Thessaloniki wurden bis heute nicht erfüllt.
Der Arbeitskreis Distomo begrüßt alle politischen und rechtlichen Schritte, um Deutschland zur
Einhaltung seiner Verpflichtungen zu zwingen. Hierzu gehört nötigenfalls auch die
Zwangsversteigerung deutscher Liegenschaften und anderer Vermögenswerte in Griechenland. Unter
massivem politischem Druck aus Deutschland hat die griechische Regierung dies bislang
unterlassen. Bei allem muss aus Sicht des Arbeitskreises die Entschädigung der individuellen
Opfer im Vordergrund stehen und darf nicht politischen Opportunitäten geopfert werden.
Statt die Opfer zu entschädigen, bewirbt die deutsche Regierung etwa den Deutsch-Griechischen
Zukunftsfonds, der offiziell ”der Versöhnung und der historischen Aufarbeitung zwischen
Deutschland und Griechenland dienen” soll. Er kostet nicht 269 Milliarden Euro, sondern nur
jährlich eine Million - Geld, das nur zum geringsten Teil den Opfern und ihren Nachfahren zugute
kommt, aber mit ausgewählten Geschichtsprojekten den Eindruck erwecken soll, es gebe endlich
eine umfassende Beschäftigung mit der deutschen Verbrechensgeschichte. Es handelt sich aber
lediglich um ein ”trojanisches Pferd” mit dem Ziel, Imagewerbung für ein angeblich geläutertes Deutschland
zu betreiben; vor allem soll es den anhaltenden Reparationsforderungen den Wind aus den Segeln
nehmen - zu Lasten der NS-Opfer.
Der Arbeitskreis Distomo fordert weiterhin, dass endlich alle NS-Opfer entschädigt werden
müssen!
Hamburg, den 25. August 2016
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