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Pressemitteilung 13. Dezember 2022
Deutsche Bahn AG ignoriert Forderungen eines Holocaust-Überlebenden aus den Niederlanden
Salo Muller fordert Entschädigung für die Deportationen der Deutschen Reichsbahn in die Vernichtungslager
In einem Brief vom 4.11.2022 wandte sich Salo Mullers Rechtsanwalt Martin Klingner an die Deutsche Bahn AG. Darin fordert
er im Namen seines Mandanten Entschädigung für die Überlebenden der Deportationen und für die
Angehörigen der Ermordeten. Der Brief blieb bis heute ohne Antwort. Salo Muller will dies nicht auf sich beruhen lassen.
Salo Muller, geb. 1936 in Amsterdam, überlebte als Kind den Holocaust, versteckt vom niederländischen Widerstand.
Seine Eltern wurden in Auschwitz ermordet, wie auch 70 weitere Verwandte. 107.000 niederländische Jüdinnen
und Juden sowie Roma und Sinti wurden unter der Herrschaft Nazideutschlands in die Vernichtungslager deportiert. Die Opfer
mussten für die Kosten ihrer Deportation selbst aufkommen, vier Pfennige pro Kilometer musste jeder Deportierte zahlen.
Für die Fahrten durch das Gebiet des Deutschen Reiches erhielt die Deutsche Reichsbahn nach Schätzungen von
Historikern umgerechnet ca. 445 Millionen Euro.
Die Deutsche Bahn AG hat eine eigene Dokumentation über die Deportationen der Deutschen Reichsbahn unter dem Titel
”Sonderzüge in den Tod” herausgegeben. Darin heißt es: ”Im Zweiten Weltkrieg bildete
die Deutsche Reichsbahn nicht nur das Rückgrat der deutschen Militärmaschinerie, sondern sie führte
auch die Transporte durch, die dem millionenfachen Mord an den europäischen Juden dienten. Die verbrecherische
nationalsozialistische Judenpolitik war auch auf das Massentransportmittel Eisenbahn und die tätige Mithilfe der
Deutschen Reichsbahn angewiesen. Ohne sie wäre die Vernichtung von Menschenleben in diesem Ausmaß kaum möglich
gewesen.”
Die Deutsche Bahn AG erklärte dessen ungeachtet in einer früheren Stellungnahme, sie könne keine
individuellen Entschädigungszahlungen übernehmen. Warum kann Sie dies nicht? Salo Muller möchte Antworten auf
diese Frage. Er will mit den Vertreterinnen und Vertretern der Deutsche Bahn AG ins Gespräch kommen und sie überzeugen,
dass eine Entschädigung für die Opfer der Deportationen gezahlt werden muss. Nur so könne Verantwortung für
die Verbrechen des Bahnunternehmens während der Nazibesatzungszeit übernommen werden.
Salo Muller überzeugte die niederländische Bahngesellschaft im Jahr 2019 durch viele Gespräche und eine
öffentliche Kampagne, Entschädigungsleistungen an Deportierte und deren Angehörige zu zahlen.
Seine Hoffnung ist, dass auch die Deutsche Bahn AG mit ihm in einen ernsthaften Dialog über das Thema eintritt, denn wie Salo Muller sagt:
”Nur wer zahlt, meint es ernst.”
In einem erneuten Brief vom 12.12.2022 wiederholt Rechtsanwalt Martin Klingner das Anliegen seines Mandanten und spricht die
Erwartung Salo Mullers aus, von der Deutsche Bahn AG nach Berlin eingeladen zu werden, um Antworten zu erhalten und seine Sicht
der Dinge darzustellen.
Der AK Distomo (Hamburg) unterstützt die Forderungen von Salo Muller.
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Montag, den 31. Oktober 2022, um 17:00 Uhr im Abaton Kino
Allende-Platz 3, 20146 Hamburg - Sprache: Englisch - Eintritt: frei
SHUSENJO
The Main Battleground of the Comfort Women Issue
Dokumentarfilm, 2019, Südkorea, 120 Minuten
Film-Screening und Gespräch mit dem Regisseur Miki Dezaki
Zehntausende Frauen und Mädchen aus 14 Ländern wurden während des
Asien-Pazifik Kriegs (1932-45) von japanischen Militärs und ihren
Kollaborateuren mit falschen Versprechungen und Zwang rekrutiert, vergewaltigt
und sexuell versklavt. In einer Art #MeToo Bewegung sind die Überlebenden seit
den 1990er-Jahren an die Öffentlichkeit gegangen, um Anerkennung, Gerechtigkeit
und Entschädigung zu fordern. Bis heute verweigert die japanische Regierung, den
Forderungen der Frauen nachzukommen. Ein breites gesellschaftliches Bündnis von
rechtskonservativen Parteien und Politiker*innen bis hin zu radikalen Rechten in Japan
und den USA leugnet die Verbrechen und unterstellt, die Frauen hätten sich freiwillig
gemeldet, um als Prostituierte zu arbeiten.
SHUSENJO gibt anhand von Interviews Einblick in das Denken unterschiedlicher politischer
Akteur*innen, zeichnet die gesellschaftliche und politische Debatte nach, und zeigt, wie
diese den Umgang mit und die Erinnerung an die betroffenen Frauen bis heute prägt. Auch
in Deutschland setzt die japanische Regierung regelmäßig alle Hebel in Bewegung,
um die Aufstellung einer ”Friedensstatue” zu verhindern, die an das Schicksal der
Frauen und Mädchen erinnert.
Miki Dezaki kommt aus USA und hat an der Sophia Universität in Tokio, Japan, Global Studies studiert.
SHUSENJO ist sein Regiedebüt. Bekannte japanische Revisionisten haben versucht, die Aufführung des
Films zu verhindern. Sie haben Klage erhoben und behauptet, sie seien mittels Täuschung dazu verleitet
worden, sich für den Film interviewen zu lassen. Am 28. September 2022 haben sie vor einem
japanischen Berufungsgericht verloren.
Mehr Infos zum Film shusenjo.com
VERANSTALTER*INNEN:
AG Krieg und Geschlecht an der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur; AK Distomo; Frauen gegen die AfD;
Justice for Comfort Women Hamburg; Koreaverband
Der Flyer als PDF-Dokument
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Donnerstag, den 8. September 2022, um 18 Uhr
auf dem Gelände der Süderstraße 112, 20537 Hamburg, S-Bahn Hammerbrook
Italienische Militärinternierte: Erinnern und Entschädigen!
Aufruf zur Kundgebung am 8. September 2022
17.000 italienische Militärinternierte wurden ab Herbst 1943 als Zwangsarbeiter in Hamburger Unternehmen
eingesetzt. Nach der Verkündung des Waffenstillstands der neuen Regierung Italiens mit den Alliierten
am 8. September 1943 waren hunderttausende italienische Soldaten von der deutschen Wehrmacht entwaffnet
und gefangenen genommen worden. Über 600.000 von ihnen weigerten sich, weiter an Seite der Deutschen
zu kämpfen und wurden deshalb zur Zwangsarbeit in die nationalsozialistische Kriegswirtschaft verschleppt.
Um nicht an internationale Regeln gebunden zu sein, überführten die Nationalsozialisten sie vom Status des
Kriegsgefangenen in den Status eines ”Militärinternierten”. Dadurch wurden ihnen die wenigen Rechte
von Kriegsgefangenen entzogen und sie konnten auch in der Rüstungsproduktion eingesetzt werden.
Um den stetig zunehmenden Mangel an Arbeitskräften in der deutschen Kriegswirtschaft auszugleichen, verschleppten
die Nationalsozialisten ca. 13 Millionen Menschen zur Zwangsarbeit ins Reichsgebiet. Zu diesen zählten auch die
italienischen Militärinternierten. Als ehemalige Verbüdete Deutschlands weigerten sie sich, auf deutscher Seite
zu kämpfen, galten deshalb als ”Verräter” und wurden in den Lagern und Einsatzorten besonders
schlecht behandelt. Mindestens 50.000 italienische Militärinternierte überlebten die Gefangenschaft in den
deutschen Lagern nicht. Diejenigen, die die Gefangenschaft und Zwangsarbeit überstanden hatten, erlebten das Ende
ihrer Gefangenschaft am Tag der Befreiung Hamburgs, am 3. Mai 1945.
Fast 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges weigert sich auch die jetzige Bundesregierung, eine Lösung
in der Entschädigungsfrage zu finden. Erst im April 2022 verklagte die deutsche Regierung den italienischen
Staat, um Entschädigungsklagen von NS-Opfern vor italienischen Gerichten zu verhindern. Zudem sollen bereits eingeleitete
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von deutschen Liegenschaften eingestellt werden. Unter dem Druck der deutschen Klage
erließ die italienische Regierung Anfang Mai ein Dekret, nach dem alle existierenden Urteile faktisch annulliert
werden und zukünftige Verfahren nicht mehr möglich sind. Zudem wird ein Fonds des italienischen
Staats aufgelegt, aus dem die Entschädigungszahlungen erfolgen sollen. Es ist wohl ein einmaliger Vorgang,
dass eines der von NS-Deutschland besetzten Länder seine Staatsbürger, die Opfer von NS-Verbrechen waren,
mit eigenen Mitteln zu entschädigen hat.
Wir tragen gemeinsam dafür Verantwortung, dass das Thema NS-Zwangsarbeit nicht in Vergessenheit gerät
und die Frage der Entschädigung im Interesse der Betroffenen gelöst wird. Dies gilt auch
für die italienischen Militärinternierten, deren Geschichte bis heute nur wenigen bekannt ist.
”Erinnern und entschädigen” - unter diesem Motto ruft die Projektgruppe Italienische
Militärinternierte in Hamburg 1943-45 zu einer Kundgebung am Ort des ehemaligen Zwangsarbeitslagers der Hamburger Wasserwerke auf.
Der Aufruf als PDF-Dokument
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Deutschland klagt gegen Entschädigungsforderungen italienischer NS-Opfer
Dreist, dreister, Deutschland
Deutschland wehrt sich mit aller Kraft gegen die Entschädigungsforderungen von italienischen Opfern des Nazi-Regimes.
21.07.2022, Artikel der Jungle World von Jan Krüger (AK Distomo)
Vor etwa drei Monaten hat die Bundesrepublik Deutschland Italien verklagt. Was hatte Italien verbrochen, dass sich Deutschland
nur noch juristisch zu helfen wusste? Die Klage, die Deutschland am 29. April beim Internationalen Gerichtshof (IGH) einreichte,
zielte darauf ab, dass in Italien Gerichtsprozesse eingestellt werden - Prozesse, bei denen Opfer deutscher NS-Verbrechen
während des Zweiten Weltkriegs Schadensersatz von Deutschland einforderten. Zudem versuchte Deutschland mit einem
Eilantrag, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen deutsche Liegenschaften in Italien zu verhindern. Diese hätten
ab dem 25. Mai etwa gegen die Deutsche Schule, das Goethe-Institut, das Archäologische Institut und das
Deutsche Historische Institut gedroht.
Diesen Eilantrag - nicht aber die Klage - zog die deutsche Seite zurück, nachdem die italienische Regierung am
30. April ein Dekret erlassen hatte, dem zufolge Ansprüche aus einem eigens dafür eingerichteten Fonds beglichen
werden sollen. Das Dekret sieht im Einzelnen vor, dass die Entschädigungsansprüche italienischer
Staatsangehöriger vom italienischen Staat beglichen werden und hierzu von der italienischen Regierung bis zum
Jahr 2026 über 55,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Ferner sind alle gegen Deutschland
geführten Entschädigungsprozesse einzustellen. Vollstreckungstitel, die sich aus solchen Prozessen ergeben,
sind außer Kraft zu setzen und bereits eingeleitete Vollstreckungsmaßnahmen sind einzustellen.
Sollte dieses Dekret Bestand haben, hätten die italienischen Opfer der Nazis keine Möglichkeit mehr,
Deutschland zu verklagen, und Deutschland hätte seine Entschädigungsverpflichtungen auf den italienischen
Staat abgewälzt.
Bis heute fordern zahlreiche Italienerinnen und Italiener Entschädigung, weil sie Opfer von NS-Verbrechen
gewesen sind. Als Italien am 8. September 1943 einen Waffenstillstand mit den Alliierten vereinbarte, besetzen
die Nationalsozialisten das Land und der ehemals wichtigste Verbündete wurde zum ”Verräter”. In der
Folge ermordeten die deutschen Besatzer bis zum Ende des Krieges jeden Tag im Durchschnitt 165 italienische Zivilisten,
Kriegsgefangene oder sogenannte Militärinternierte. Zu diesem Ergebnis kam eine von der deutschen Regierung eingesetzte
Historikerkommission. Getötete italienische Soldaten und Partisanen sind dabei nicht eingerechnet.
Im Rahmen von ”Bandeneinsätzen” verübte die deutsche Wehrmacht schwerste Kriegsverbrechen
in über 600 italienischen Orten. Im toskanischen Sant'Anna di Stazzema zum Beispiel wurden am 12. August 1944
mehr als 560 Menschen ermordet, darunter Frauen und Kinder. Zehn der an diesem Massaker beteiligten SS-Offiziere wurden
in Italien zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch Deutschland weigerte sich, sie auszuliefern.
Ein schweres Schicksal erlitten auch viele italienischen Soldaten, die von den Deutschen interniert wurden. Italienische
Militärangehörige, die nicht auf deutscher Seite weiterkämpfen wollten, wurden gefangengenommen und
ins Reichsgebiet sowie in die besetzten Gebiete im Osten abtransportiert. Dort wurden sie unter unmenschlichen Bedingungen
als Zwangsarbeiter eingesetzt. Die über 600 000 Verschleppten wurden zu sogenannten italienischen Militärinternierten
(IMI) erklärt, womit ihnen auch die wenigen Rechte von Kriegsgefangenen verweigert wurden. Zwischen September
1943 und Mai 1945 starben auf diese Weise mehr als 50 000 italienische Militärangehörige. Einige von ihnen
wurden direkt nach der Gefangennahme von deutschen Truppen ermordet, andere starben beim Abtransport oder infolge
der menschenunwürdigen Bedingungen ihrer Gefangenschaft.
Nach Kriegsende zahlte Deutschland an Italien nur Minimalbeträge als Entschädigungsleistungen. Im Rahmen
eines ”Globalabkommens” wurden 1961 40 Millionen Deutsche Mark an den italienischen Staat gezahlt, allerdings
wurden dabei nur die Insassen von Konzentrationslagern berücksichtigt. Opfer von Massakern und Zwangsarbeiter gingen leer aus.
Als im Jahr 2000 unter Druck aus den USA ein Fonds eingerichtet wurde, der die Zwangsarbeiter des NS-Staats entschädigen sollte,
gab es auch in Italien Hoffnungen. Den Fonds verwaltete die deutsche Stiftung ”Erinnerung, Verantwortung und Zukunft” (EVZ).
Viele IMI hofften auf eine materielle Entschädigung aus Deutschland.
Doch die deutsche Regierung schloss die IMI vom EVZ-Fonds aus und verweigerte ihnen somit selbst eine kleine Entschädigung.
Die Begründung war, dass die IMI ”normale” Kriegsgefangene gewesen und damit nicht entschädigungsberechtigt
seien. Dabei hatten die Nazis sie 1943 eigens zu Zivilisten, nämlich zu ”Militärinternierten” erklärt, um
ihnen den Status von Kriegsgefangenen zu verweigern. Als Zivilisten wären sie eigentlich berechtigt gewesen, Gelder
aus dem Zwangsarbeiterfonds zu erhalten. Im Jahre 2001 entschied die Bundesregierung jedoch, dass diese Behandlung durch die Nazis
im Jahre 1943 illegal gewesen und die italienischen Zwangsarbeiter somit doch Kriegsgefangene gewesen seien - und als
solchen stünde ihnen keine Entschädigung zu.
Den Opfern der NS-Verbrechen blieb nach dieser erneuten Demütigung nur die Möglichkeit, Klagen vor italienischen
Gerichten einzureichen. In diesen Prozessen wurde Deutschland zu Entschädigungszahlungen verpflichtet, die Urteile
wurden von dem höchsten italienischen Gericht, dem Kassationshof in Rom, bestätigt. Daraufhin verklagte Deutschland
Italien erstmals vor dem IGH in Den Haag. Der IGH gab der deutschen Seite in einem Urteil von 2012 recht und bestätigte
damit, dass selbst bei schwersten Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen keine individuellen Entschädigungsansprüche
gerichtlich geltend gemacht werden können. Nach dem Grundsatz der Staatenimmunität dürfe ein Staat nicht vor
einem Gericht eines anderen Staates verklagt werden.
Das IGH-Urteil widerspricht allerdings dem italienischen Recht, das jeder Bürgerin und jedem Bürger den
Zugang zu Gerichten garantiert, insbesondere bei schwersten Kriegsverbrechen. Folglich entschied im Jahr 2014 das
italienische Verfassungsgericht, dass das Urteil des IGH für die italienischen Gericht nicht bindend ist. Die
italienischen Urteile, die Deutschland zu Entschädigungszahlungen verpflichteten, blieben nach wie vor gültig und
die Zwangsvollstreckungen von deutschem Vermögen und Liegenschaften wurden von italienischen Anwälten weiter
angestrebt. Am 25. Mai dieses Jahres sollte ein Vollstreckungsgericht in Rom über die Einleitung von
Zwangsversteigerungsmaßnahmen gegen deutsche Liegenschaften entscheiden. Hierzu kam es aufgrund des Dekrets der
italienischen Regierung vorerst nicht.
Das abgestimmte Handeln der italienischen und der deutschen Regierung ist in jeder Hinsicht eine Farce und demütigt
die Opfer deutscher NS-Verbrechen ein weiteres Mal. An Respektlosigkeit kaum zu überbieten ist darüber hinaus die
in der deutschen Klage enthaltene Forderung, dass Italien Deutschland entschädigen müsse, da Deutschland
seine Staatenimmunität verletzt sieht. In Italien wurde zudem scharf kritisiert, dass der dem Dekret zufolge einzurichtende
Fonds, aus dem die Entschädigungszahlungen nun erfolgen sollen, mit Geldern des italienischen Staats zu füllen ist.
Die meisten IMI haben nach der Abweisung ihrer Anträge bei dem Zwangsarbeiterfonds der EVZ im Jahre 2000 enttäuscht
aufgegeben und keine Klage eingereicht. Um Zahlungen aus dem Fonds zu erhalten, muss ein rechtskräftiges Urteil
erwirkt werden. Das Dekret setzte hierfür eine Frist, Klage musste bis zum 30. Mai vor einem italienischen Gericht
erhoben werden. Von dieser Frist dürften nur wenige potentielle Antragssteller überhaupt erfahren haben, denn in
dem besagten Dekret sollte es eigentlich um einen Konjunkturplan gehen; erst am Ende ist dann plötzlich die Rede von den
Schadenersatzklagen. In einer Petition haben sich italienische Richter bereits gegen das Dekret gewandt.
Es ist zu vermuten, dass das Dekret vor dem italienischen Verfassungsgericht verhandelt werden wird. Hält das
Gericht an seiner bisherigen Linie fest, müsste es das Dekret wohl für verfassungswidrig erklären. Bis
dahin könnten allerdings wieder Jahre vergehen, in denen die inzwischen hochbetagten Opfer ohne Recht auf
Entschädigung bleiben. Deutschland hat sich wieder einmal vorerst erfolgreich dagegen gewehrt, berechtigte
Entschädigungsforderungen zu erfüllen.
Link zu dem Artikel der jungle.world
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Vortrag von Martin Klingner (AK Distomo)
am 10. Juni 2022 in Distomo
Wie ist die rechtliche Situation im Fall Distomo? Über den Fall Distomo haben italienische Gerichte schon
mehrfach entschieden. Der oberste Gerichtshof Italiens hatte schon im Jahr 2008 das griechische Distomo-Urteil
des Landgerichts Levadia aus dem Jahr 1997 anerkannt. Der Kassationshof in Rom hatte bestätigt, dass aus diesem Urteil
die Zwangsvollstreckung durch Pfändung deutscher Vermögenswerte in Italien möglich ist. Doch
Deutschland zahlte nicht. Es rief stattdessen den Internationalen Gerichtshof in Den Haag an.
Das höchste Gericht der Vereinten Nationen hatte 2012 nach einem langen Rechtsstreit geurteilt, dass Deutschland
sich auf den Rechtsgrundsatz der Staatenimmunität stützen dürfe. Dies bedeutet, dass Klagen von NS-Opfern
vor Zivilgerichten wie im Fall Distomo unzulässig seien. Dennoch entschied das Italienische Verfassungsgericht 2014,
dass die Entscheidung aus Den Haag für die italienischen Gerichte nicht bindend sei. Die Bürgerinnen und
Bürger müssten im Fall von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit die Möglichkeit haben
vor Gericht ihr Recht zu suchen. Dies wurde vom Kassationshof in Rom auch im Fall Distomo anerkannt, so dass die
Zwangsvollstreckung fortgesetzt werden konnte.
Klägeranwalt Dr. Joachim Lau hat schon vor mehreren Jahren ein Konto der Deutsche Bahn AG in Italien
gepfändet. Auf diesem Konto befinden sich ca. 50 Mio. Euro, genug um die Klägerinnen und Kläger
aus Distomo vollen Umfangs zu entschädigen. Die Auszahlung des Geldes wurde durch Interventionen der
deutschen Seite immer wieder verzögert. Nachdem diese Rechtsbehelfe ausgeschöpft sind, stünde
jetzt eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts in Rom über die Auszahlung des Geldes an. Doch Italien
hat ein Dekret erlassen, dass die Sachlage möglicherweise noch einmal ändert. Aufgrund dieses Dekrets
wurde eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts in Rom bis Ende September 2022 vertagt.
Warum kam es zu diesem Dekret?
Deutschland hat zum zweiten Mal vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) am 29.4.22 in den Den Haag Klage gegen
Rom eingereicht. Deutschland will verhindern, dass italienische Gerichte weiterhin über die Ansprüche von
NS-Opfern entscheiden. Es geht vor allem um Prozesse italienischer NS-Zwangsarbeiter, die von Deutschland keine
Entschädigung erhalten haben. Die deutsche Klage in Den Haag ist rechtsmissbräuchlich, denn der IGH hat
keine Kompetenz um über die Ansprüche von Individuen zu entscheiden. Der IGH ist nur für zwischenstaatliche
Konflikte zuständig. Das erneute Ansinnen Deutschlands stellt einen Angriff gegen die NS-Opfer, aber auch gegen
die Unabhängigkeit der italienischen Justiz und das Prinzip der Gewaltenteilung dar.
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Erklärung des AK-Distomo am 10. Mai 2022
Machtpolitik statt Menschenrechte - UNO-Gericht als Drohkulisse
Erklärung zu der Rücknahme der Klage Deutschlands gegen Italien in Den Haag
Deutschland hat im Streit um Entschädigungszahlungen wegen Nazi-Verbrechen im Zweiten Weltkrieg in Italien
vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) am 29.4.22 in den Den Haag Klage gegen Rom eingereicht. Deutschland
will verhindern, dass italienische Gerichte weiterhin über die Ansprüche von NS-Opfern entscheiden. Es geht
vor allem um Prozesse ehemaliger NS-Zwangsarbeiter, darunter viele sogenannte ”Militärinternierte”, die
von Deutschland keine Entschädigung erhalten haben. Die Überlebenden der Naziverbrechen bzw. deren Nachkommen
klagen vor italienischen Gerichten, weil sie keine andere Möglichkeit haben zu ihrem Recht zu kommen. Die
Bundesregierung verweigert beharrlich jegliche Zahlungen.
Deutschland hat zum zweiten Mal den IGH angerufen, um seine Interessen gegen die NS-Opfer durchzusetzen. Dadurch
sollen u.a. bereits ergangene Urteile außer Kraft gesetzt werden. Außerdem fordert Deutschland
Entschädigungszahlungen von Italien. Dieser Schritt ist rechtsmissbräuchlich, denn der IGH hat keine
Kompetenz um über die Ansprüche von Individuen zu entscheiden. Der IGH ist nur für zwischen-staatliche Konflikte
zuständig. Das erneute Ansinnen Deutschlands stellt einen Angriff gegen die NS-Opfer, aber auch gegen die Unabhängigkeit
der italienischen Justiz und das Prinzip der Gewaltenteilung dar.
Das höchste Gericht der Vereinten Nationen hatte vor zehn Jahren nach einem langen Rechtsstreit geurteilt, dass
Deutschland sich auf den Rechtsgrundsatz der Staatenimmunität stützen dürfe und dass Klagen von NS-Opfern vor
Zivilgerichten unzulässig seien. Der IGH hatte schon damals seine Kompetenzen überschritten. Daher entschied
das Italienische Verfassungsgericht 2014, dass die Entscheidung aus Den Haag für die italienischen Gerichte nicht
bindend sei. Die Bürgerinnen und Bürger müssten im Fall von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
Menschheit die Möglichkeit haben vor Gericht ihr Recht zu suchen. Trotz einer Vielzahl von Verurteilungen durch
italienische Gerichte missachtet Deutschland diese Entscheidungen. Deutschland erklärt sich für immun und
behauptet, dass Klagen vor Zivilgerichten im Ausland nicht zulässig sein.
Die italienischen Kläger sind nun dazu übergegangen deutsche Liegenschaften in Italien zwangsversteigern zu
lassen. Es handelt sich um Liegenschaften in Rom, in denen sich die Deutsche Schule, das Goethe Institut, das
Archäologische Institut und das Deutsche Historische Institut befinden. Am 25. Mail soll ein Vollstreckungsgericht
in Rom entscheiden, ob diese Liegenschaften zwangsversteigert werden.
Deutschland wollte ursprünglich den IGH dazu bringen, durch vorläufige Maßnahmen die anstehenden
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen deutsche Liegenschaften zu stoppen. Doch bevor darüber beim Gericht
verhandelt werden konnte wurde dieser Antrag zurückgenommen. Nach Medienberichten sei dies deshalb geschehen,
weil zum 1. Mai in Italien ein Gesetz in Kraft getreten sei, dass es Gerichten verbiete, deutsches Staatseigentum auf
italienischem Boden zu konfiszieren. Offenbar hat die deutsche Regierung mit der italienischen einen schmutzigen Deal
zu Lasten der Opfer durchgesetzt. Im Ergebnis wird dies die Prozesse in Italien nicht verhindern können, aber so
lange verzögern bis die letzten Überlebenden der NS Verbrechen tot sind. Dies ist das schäbige deutsche
Kalkül: Die biologische Lösung der Entschädigungsfrage.
Mit der Klage in Den Haag beweist Deutschland einmal mehr, dass all die warmen Worte an Gedenktagen für die Opfer
der NS-Verbrechen nur Heuchelei und schöner Schein sind. Wenn es darauf ankommt, verhält Deutschland sich
wie ein Schurkenstaat und tritt die Rechte der NS-Opfer mit Füßen. Die meisten Opfer der NS-Verbrechen haben
bis heute keine Entschädigung erhalten.
Seit dem Pariser Reparationsabkommen von 1946 ist die Bundesrepublik zur Zahlung von Entschädigungen
in Höhe vieler hundert Milliarden gegenüber den einzelnen von Nazi-Deutschland überfallenen
Ländern verpflichtet. Gezahlt wurde so gut wie nichts. Es ist ein Zeichen fehlenden Verantwortungsbewusstseins
und fehlender Moral, wenn 77 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges mit aller juristischen und diplomatischen Wucht
gegen Italien vorgegangen wird, um deren unabhängige, die Menschenrechte und die Menschenwürde der
NS-Opfer wahrende Justiz zu brüskieren. Vor diesem Hintergrund ist es ein Alarmsignal, wenn gleichzeitig
ein ”Sondervermögen” von 100 Milliarden Euro Verwendung für Deutschlands Aufrüstung
und damit für neue Kriege finden soll. Das Geld ist da - der Verwendungszweck ist falsch.
Wir bitten um Unterstützer*innen für diese Erklärung, die gerne weitergegeben werden kann.
Bei Interesse bitte Mail an: ak-distomo@nadir.org
Die Liste der Unterstützer*innen wird auf unserer Webseite regelmäßig aktualisiert.
Unterstützer*innen:
Giorgis Fotopoulos, Patric Seibel, Achim Rollhäuser, Corry Guttstadt, Ursula Weiher, VVN-BdA Bundesvereinigung
Die Erklärung als PDF-Dokument
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08. Mai 2022: Redebeitrag AK Distomo
Der 8. Mai ist der Tag der Befreiung von dem deutschen Nationalsozialismus, der die Welt mit Krieg, Gewaltherrschaft,
Mord und Massenvernichtung überzogen hat. Der deutsche Nationalsozialismus führte zu Millionen von
Toten und verantwortet insbesondere die Vernichtung der europäischen Juden.
Der 8. Mai war auch die Befreiung für schätzungsweise 13,5 Millionen Zwangsarbeiter*innen, die für
den NS-Staat unter menschenverachtenden Umständen arbeiten mussten. Darunter rund 8,4 Millionen Männer,
Frauen und Kinder, die aus den besetzten Ländern Europas nach Deutschland verschleppt wurden. In Hamburg gab
es während der Kriegsjahre ca. 500.000 Zwangsarbeiter*innen, die in ca. 1300 Lagern über das gesamte
Stadtgebiet verteilt waren. Im Kriegsalltag waren sie allgegenwärtig. Die Transporte zu den Arbeitsstätten
sowie die erbärmlichen Unterkünfte waren Teil des Stadtbildes und für jeden sichtbar.
Zwangsarbeiter*innen ersetzten die deutschen Männer, die als Soldaten der Wehrmacht Europa überfielen.
Die deutsche Kriegswirtschaft wäre ohne den massenhaften Einsatz von Zwangsarbeiter*innen nicht aufrechtzuerhalten
gewesen. Alle Bereiche der Gesellschaft profitierten von der Zwangsarbeit. Allen voran die Industrie und die Landwirtschaft,
doch auch mittelständische Unternehmen, Handwerksbetriebe, Kommunen, Kirchen und sogar Privathaushalte griffen auf die
billigen Arbeitskräfte der NS-Diktatur zurück.
Die Behandlung der Zwangsarbeiter*innen war abhängig von ihrem Herkunftsland. Die Zwangsarbeiter*innen aus Polen und
der Sowjetunion wurden besonders menschenverachtend behandelt, ihr Tod wurde nicht nur in Kauf genommen, sondern war
beabsichtigt. Eine weitere Gruppe, die besonders unter dem Nationalsozialismus gelitten hat, waren die italienischen
Militärinternierten. Ihre Geschichte ist aktuell, denn erst vor 10 Tagen, am 29. April, reichte die deutsche Regierung
am Internationalen Gerichtshof in Den Haag eine Klage ein, die die Durchsetzung ihrer Entschädigungsansprüche verhindern soll.
Bis 1943 war das faschistische Italien der wichtigste Verbündete der Nationalsozialisten. Dies änderte sich im
September 1943: Nachdem Mussolini abgesetzt und am 8. September 1943 ein Waffenstillstand mit den Alliierten vereinbart wurde,
besetzten die Nationalsozialisten Italien. Italienische Militärangehörige, die nicht auf deutscher Seite weiterkämpfen
wollten, wurden gefangengenommen, und ins Reich sowie die besetzten Gebiete im Osten abtransportiert und unter unmenschlichen Bedingungen
als Zwangsarbeiter eingesetzt. Die über 600.000 Verschleppten wurden alsbald zu sogenannten italienischen Militärinternierten
(IMI) erklärt, womit ihnen auch die wenigen Rechte eines Kriegsgefangenen verweigert wurden. Als ehemalige Verbündete wurden
die Italiener als ”Verräter” stigmatisiert und waren deshalb besonders schweren Drangsalierungen und Gewalt ausgesetzt.
Zwischen September 1943 und Mai 1945 starben mehr als 50.000 italienische Militärangehörige. Sie wurden direkt nach
der Gefangennahme von deutschen Truppen ermordet, starben beim Abtransport in die Lager oder infolge der menschenunwürdigen
Bedingungen ihrer zwanzigmonatigen Gefangenschaft.
Für ihre Opfer und ihr Leid wurden sie nie entschädigt, ihre Arbeitsleistung wurde nie entlohnt. Erst 1990 mit der
Wende konnten Entschädigungsansprüche überhaupt geltend gemacht werden. Im Kalten Krieg sollte der Frontstaat
Deutschland nicht durch Reparations- und Entschädigungszahlungen belastet werden. Es dauerte noch weitere 10 Jahre, bis
im August 2000 unter massivem Druck durch Verbände und Regierungsvertreter der USA ein Fonds aufgelegt wurde, der die Zwangsarbeiter
des NS-Staats entschädigen sollte. Auch in Italien machten sich die ehemaligen italienischen Militärinternierten Hoffnungen.
Der Fonds wurde von der Stiftung ”Erinnerung, Verantwortung und Zukunft” – kurz EVZ - verwaltet, die zu diesem
Zwecke gegründet wurde. Doch die Stiftung schloss die italienischen Militärinternierten aus und verweigerte ihnen
somit selbst eine kleine Entschädigung. Und das mit einer hahnebüchenen Begründung, die es in sich hat.
Eine Entschädigung aus dem Fonds wurde ihnen verweigert da sie ”normale” Kriegsgefangene waren, die nicht
entschädigungsberechtigt sind. Die Nazis hatten sie allerdings 1943 zu Zivilisten zu sog. Militärinternierten erklärt.
Als Zivilisten wären sie damit berechtigt gewesen, Gelder aus dem Zwangsarbeiterfonds zu erhalten. Im Jahre 2000 behauptet die
Bundesregierung jedoch, dass die Nazis damals im Jahre 1943 illegal gehandelt haben und die italienischen Zwangsarbeiter somit
doch Kriegsgefangene waren. Und ihnen somit keine Entschädigung zusteht.
Serafino Gesparino, der als IMI in Deutschland Zwangsarbeit leisten musste, erklärte am 25. Juni 2002 dazu:
”Die deutsche Entscheidung halte ich für skandalös. Wenn sie uns als Kriegsgefangene behandelt hätten,
dann wäre ja alles okay gewesen. Aber sie haben uns nicht als Kriegsgefangene behandelt. Wir waren Sklaven. Daher ist das
deutsche Rechtsgutachten, wonach wir keine Zwangsarbeiter waren, nicht korrekt.”
Der Rechtsanwalt Joachim Lau konnte jedoch die Ansprüche der ehemaligen IMIs in Italien durchsetzen. Der römische
Kassationshof, das höchste italienische Gericht bestätigte schon im Jahr 2004 die Ansprüche. Trotzdem verweigert
Deutschland bis heute die Zahlung an die Opfer und Hinterbliebenen. Allerdings wird von Joachim Lau eine rechtliche
Zwangsvollstreckung vor italienischen Gerichten betrieben. Eine Auszahlung ist möglich – auch wenn von deutscher Seite
dieses mit allen Mitteln verhindert wird. So wurde am 29. April 2022, also vor 10 Tagen, von der deutschen Regierung eine
weitere Klage beim Internationalen Gerichtshof IGH eingereicht. Ziel der Klage ist die Verhinderung der aktuell laufenden
Zwangsvollstreckungen von Liegenschaften des deutschen Staates in Italien.
Entgegen der immer wiederkehrenden Behauptung der Bundesregierung, dass das Thema Entschädigung ”abschließend
geklärt ist”, ist dem nicht so.
Dass die Opfer der NS-Verbrechen den individuellen Klageweg beschreiten müssen, um legitime Ansprüche durchzusetzen,
ist eine fortgesetzte Entwürdigung durch die deutsche Seite. Stattdessen sollte es eine Selbstverständlichkeit sein,
dass Deutschland die Opfer der Verbrechensherrschaft der Nazis freiwillig und großzügig entschädigt, bevor
die letzten Überlebenden gestorben sind.
Eine kleine Unterstützung erfahren die ehemaligen IMIs und ihre Hinterbliebenen auch hier durch die ”Projektgruppe
italienische Militärinternierte Hamburg”. Eine Delegation der ANEI, die Nationale Vereinigung der Italienischen Militärinternierten,
besuchte im September 2021 Hamburg. Im Rahmen eines 1-wöchigen Programms gab es zahlreiche Gespräche mit Vertreter*innen
der Stadt, Politik und Wirtschaft. Es wurden auch Orte besucht, an denen italienische Militärinternierte (IMI) als
Zwangsarbeiter leben mussten. So u.a. die Sternwoll-Spinnerei, das IMI-Lager in der Schule Schanzenstrasse und das Montblanc-Haus
in der Schanzenstrasse, die Elbinsel Kaltehofe und die Lagerhäuser F und G am Dessauer Ufer. Als Ergebnis des Besuchs
soll ein Entschädigungsfonds aufgesetzt werden, in den private und öffentliche Unternehmen einzahlen sollen,
die von der Zwangsarbeit der IMIs profitiert haben.
Wir fordern:
die Entschädigung der IMIs und deren Hinterbliebenen
einen würdigen Gedenk- und Dokumentationsort für die NS-Zwangsarbeiter in Hamburg
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Aufruf vom Bündnis zum 8. Mai 2022 in Hamburg
8. Mai Tag der Befreiung
13:00 Uhr Demonstration, Start am Gedenkort Hannoverschen Bahnhof
Lohsepark in der Hafencity Hamburg
U-Bahn: U4, Station Hafencity
ab 15:30 Uhr Befreiungsfest auf dem Hamburger Rathausmarkt
Der 8. Mai muss ein Feiertag werden, an dem der Verfolgten und Opfer des Naziterrors gedacht wird und an den Widerstand gegen das
Naziregime erinnert werden kann. Damit sich die Geschichte nie wiederholt, brauchen wir eine gesellschaftliche Auseinandersetzung
mit der Vergangenheit - dafür braucht es Zeit und angemessene Orte der Erinnerung und des Lernens!
Den Tag der Befreiung zum Feiertag!
Der 8. Mai - ein Tag, um die Befreiung vom Faschismus zu feiern und aus der Geschichte zu lernen
Am 8. Mai 1945 wurden weite Teile Europas vom Faschismus befreit. Mehr als 55 Millionen Menschen starben im Zweiten Weltkrieg.
Der deutsche Versuch, die Weltherrschaft zu erringen, führte zu unvorstellbarem Leid der Opfer von Nazi-Terror, Völkermord und Vernichtungskrieg.
In Deutschland empfanden vor allem die überlebenden Verfolgten und Widerstandskämpfer*innen diesen Tag als eine Befreiung.
Für die Mehrheit der Deutschen blieb der 8. Mai jedoch als ein Tag des Zusammenbruchs und der Niederlage im Gedächtnis. Dennoch waren
viele froh, dass der Krieg vorbei war. Wir alle verdanken das Ende des Terrors und des Mordens den Sieger*innen des 8. Mai: Zuallererst den
alliierten Streitkräften, unter denen die Rote Armee mit Abstand die größte Last des Krieges in Europa zu tragen hatte. Und auch
den unzähligen Widerstandskämpfer*innen, welche sich dem Faschismus in allen besetzten Ländern auf unterschiedlichstem
Wege entgegenstellten. Dabei erinnern wir mit besonderer Dankbarkeit an den Beitrag, den der antifaschistische Widerstand in Deutschland
und in der Emigration, als Teil von Partisan*innenverbänden und in den Streitkräften der Anti-Hitler-Koalition geleistet hat.
Damit wurde die Grundlage für ein friedvolles Zusammenleben in Europa gelegt.
Allerdings kamen die Täter*innen nach 1945 weitgehend ungeschoren davon. Eine wirkliche Entnazifizierung blieb aus, in allen
Behörden und Institutionen blieben ehemalige Mitglieder der NSDAP über Jahrzehnte in der Mehrheit. Die deutsche Wirtschaft, allen
voran die Chemie- und Rüstungsindustrie, und die Banken, waren die Gewinner von ”Arisierung”, Krieg sowie der
Ausbeutung von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeiter*innen. Diese waren eine maßgebliche Voraussetzung für das sogenannte
”Wirtschaftswunder” der 1950er und 1960er Jahre. Die Überlebenden aus Widerstand und Verfolgung, die sich
nach der Befreiung in Komitees ehemaliger politischer Gefangener und 1947 in der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes
zusammengeschlossen hatten, forderten neben der Entschädigung der Opfer und der Bestrafung der Täter*innen auch die
gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Verbrechen des NS-Regimes. Jede Art von Aufarbeitung, Anklage, Entschädigung und
Erinnerung musste in Zusammenarbeit von Verfolgtenorganisationen und zahlreichen zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen
Widerstände hart erkämpft werden. Rechter Terror, Nazis in den Parlamenten und die weit verbreitete Geschichtsvergessenheit
zeigen uns, wie gefährdet diese Errungenschaften sind. Um das Erkämpfte zu erhalten und in Zukunft darauf aufzubauen brauchen wir
ein Zeichen für einen gesellschaftlichen Perspektiv-Wechsel: den 8. Mai als Feiertag.
Der komplette Aufruf als PDF-Dokument
Zur Webseite des Bündnisses:
http://8-mai-hamburg.de/
AK Distomo, Hamburg, den 22. April 2022
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21. Februar 2022
Pressemitteilung
Salo Muller - Holocaust-Überlebender aus den Niederlanden fordert von
Deutschland Entschädigung für die Deportationen der Deutschen Reichsbahn
in die Vernichtungslager
In einem Brief vom 2. Februar 2022 wenden sich Salo Mullers Rechtsanwalt
Dr. Axel Hagedorn und seine Rechtsanwältin Dr. Wiebke Bonnet-Vogler aus
Amsterdam an Bundeskanzler Olaf Scholz und an weitere Vertreter*innen
der Regierung sowie der Deutsche Bahn AG. Sie fordern Entschädigung für
die Überlebenden der Deportationen und für die Angehörigen der Ermordeten.
Salo Muller, geb. 1936 in Amsterdam, überlebte als Kind den Holocaust,
versteckt vom niederländischen Widerstand. Seine Eltern wurden in
Auschwitz ermordet, wie auch 70 weitere Verwandte. Erst kürzlich
erschien seine Autobiografie ”Bis heute Abend ... und sei schön brav!”
auch in deutscher Übersetzung.
107.000 niederländische Jüdinnen und Juden sowie Roma und Sinti wurden
unter der Herrschaft Nazi-deutschlands in die Vernichtungslager
deportiert. Ohne die Logistik der Deutschen Reichsbahn wäre der
Holocaust nicht möglich gewesen. Die Opfer mussten für die Kosten ihrer
Deportation selbst aufkommen, vier Pfennige pro Kilometer musste jeder
Deportierte zahlen. Für die Fahrten durch das Gebiet des Deutschen
Reiches erhielt die Deutsche Reichsbahn nach Schätzungen von Historikern
umgerechnet ca. 445 Millionen Euro.
Die niederländische Bahn entschied 2019, Entschädigungsleistungen an
Deportierte und deren Angehörige zu zahlen, so wie zuvor bereits die
französische Bahn. Doch die Deutsche Bahn AG verweigert bislang jegliche
Entschädigungsleistungen. Sie lehnt bis heute die Verantwortung für die
verbrecherische Beteiligung der Deutschen Reichsbahn am Holocaust ab.
Salo Muller will die Bundesregierung und die Vertreter der Deutsche Bahn
AG überzeugen, dass eine Entschädigung für die Opfer der Deportationen
gezahlt werden muss. Nur so könne Verantwortung für die Verbrechen der
Bahnunternehmen während der Nazibesatzungszeit übernommen werden. Salo
Mullers Hoffnung ist, dass sich die neue Bundesregierung der Thematik
annimmt und mit ihm in einen ernsthaften Dialog über das Thema eintritt,
denn wie Salo Muller sagt: ”Nur wer zahlt, meint es ernst.”
Der AK Distomo (Hamburg) unterstützt die Forderungen von Salo Muller.
Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung verspricht, sich ”seiner
historischen Verantwortung für die Überlebenden des Holocaust” zu
stellen und den ”Zukunftsaufgaben der Wiedergutmachung
nationalsozialistischen Unrechts besondere Sichtbarkeit” zu verleihen.
Wenn das nicht wieder nur schöne Worte bleiben sollen, muss endlich
gezahlt werden - jetzt!
Informationen zu dem Buch ”Bis heute Abend ... und sei schön brav!” von
Salo Muller befinden sich hier:
https://www.jpc.de/jpcng/books/detail/-/art/salo-muller-bis-heute-abend-und-sei-ein-braver-bub/hnum/10547945
Hamburg, den 21. Februar 2022
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