”Als am 13. Dezember 1943 die Kirchturmuhr stehen blieb.”
Das Wehrmachts-Verbrechen in Kalavryta.

Der erzählerische Rahmen des Hörspiels ”Kalavryta” aus dem Jahr 2021 ist die Darstellung von Franzeska Nika, die das Massaker überlebt hatte.
https://kalavryta-hoerspiel.de/

Das Hörspiel ”Kalavryta” thematisiert ein als ”Rachefeldzug” getarntes Massaker der deutschen Wehrmacht in der Gegend von Kalavryta, einer griechischen Kleinstadt im Norden der Peloponnes, im Jahr 1943. Viele hundert Zivilisten ab 14 Jahren wurden dort ermordet. Im Oktober 1943 waren rund 80 deutsche Soldaten bei Kalavryta gefangen genommen und später erschossen worden. Die 117. Jäger-Division begann daraufhin ”schärfste Sühnemaßnahmen” und Vergeltungsaktionen gegen die Zivilbevölkerung. Diese hatten zur Folge, dass Kalavryta, weitere 22 Ortschaften sowie drei Klöster zerstört wurden, darunter das hellenische Nationalheiligtum Agia Lavra, wo 1821 der Überlieferung zufolge der Befreiungskrieg gegen das Osmanische Reich ausgerufen worden war. Nach Zählungen der Wehrmacht wurden 676 Zivilisten exekutiert. Die Plünderungen und Zerstörungen hinterließen Krankheiten und Hungersnot.

Die Spuren dessen sind bis heute lebendig, was auch Anlass einer Reise von Hamburger Jugendlichen im Jahr 2017 war, die mit ihren Erfahrungen und einigen Klischees im Hörspiel ebenso zu Gehör kommen. Mit Klanglandschaften und verschiedenen Augenzeugenberichten erinnert das Hörspiel an die Ereignisse während des Zweiten Weltkriegs. Den erzählerische Rahmen bietet die Darstellung von Franzeska Nika, die das Massaker er- und überlebte und ihre Erlebnisse poetisch in Worte fasste.

Der griechische Ort Kalavryta steht stellvertretend für jene NS-Verbrechen, die bei Widerstand als ”Vergeltungsaktionen” vor allem in Ost- und Südosteuropa ein flächendeckendes Instrument der nationalsozialistischen Besatzungspolitik waren.

”Ich heiße Kim Bok-Dong”
Eine Überlebende sexueller Kriegsgewalt im Kampf um Gerechtigkeit
Film und Gespräch

Mittwoch, 4. Oktober 2023, 20:00 Uhr (Einlass ab 19:30)
Wo: Lichtmeß-Kino, Gaußstrasse 25, 22765 Hamburg
Eintritt: Spende

Zwischen 1932 und 1945 zwangen die japanische Armee und ihre Kollaborateure Zehntausende Frauen und Mädchen aus 14 Ländern in die sexuelle Versklavung in so genannten ”comfort stations”. Mit diesen Einrichtungen wollte die Militärführung ihre Soldaten psychisch und physisch stärken. Für die betroffenen Frauen und Mädchen bedeutete dies tägliche Vergewaltigungen, Gewalt und Entwürdigung, oft über Jahre.

Kim Bok-Dong (1926-2019) war eine dieser ”comfort women”. 1992 fand sie den Mut, öffentlich auszusagen und von ihren Erfahrungen zu berichten. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2019 kämpfte sie gemeinsam mit anderen Überlebenden und einer internationalen Unterstützungsbewegung für Anerkennung und Gerechtigkeit. Der Dokumentarfilm des Regisseurs Song Won-Geun zeichnet ein vielschichtiges Bild der Frauenrechtlerin und Friedensaktivistin Kim Bok-Dong. Mit unermüdlichem Engagement forderte sie eine offizielle Entschuldigung von der japanischen Regierung, Entschädigungszahlungen sowie die Initiierung von Bildungsarbeit gegen sexuelle Gewalt im Krieg.

Im Anschluss an den Film möchten wir über den aktuellen Stand des politischen und rechtlichen Kampfes der Frauen berichten und auch einen Bogen zur mangelnden Aufarbeitung von sexuellen Gewaltverbrechen im Zweiten Weltkrieg in Europa schlagen. Denn die sexuellen Gewalttaten, die Wehrmacht und SS verübt haben, sind bis heute kaum ein Thema öffentlicher Auseinandersetzung, und es gibt keine Klägerinnen, die Deutschland zur Verantwortung ziehen.

Veranstaltet von der Hamburger Initiative ”Justice for comfort women” und dem AK Distomo, in Kooperation mit der ”AG Trostfrauen” im Koreaverband (Berlin) und der GWA St. Pauli

Das Plakat als PDF-Dokument

Weitere Informationen befinden sich hier: http://justiceforcomfortwomen.eu

3. Oktober - war da was?
Zum 80. Jahrestag des Massakers in Lingiades

Der Balkon: Filmvorfürung und Diskussion
3. Oktober, 18:00 Uhr, Rote Flora (Schulterblatt 71, 20357 Hamburg)


Am 3. Oktober 1943 plünderten Soldaten der Gebirgsdivision ”Edelweiß” das griechische Dorf Lingiades, zerstörten fast alle Gebäude und ermordeten 82 Bewohner*innen.

Das Massaker war Teil der Terrorkampagne gegen die Zivilbevölerung, mit welcher die Wehrmacht im besetzten Griechenland auf Angriffe der Partisanen reagierte. Die Überlebenden und ihre Nachkommen sind bis heute nicht entschädigt worden, die Täter wurden von deutschen Gerichten nie belangt.

Wenn an diesem 3. Oktober Deutschland sich als Erinnerungs- und Aufarbeitungsweltmeister selber feiert, werden wir den Jahrestag der Zerstörung von Lingiades zum Anlass nehmen, der Opfer zu gedenken und an die unabgegoltenen Kapitel deutscher Geschichte zu erinnern.

Zu diesem Zweck zeigen wir den Film ”Der Balkon - Wehrmachtsverbrechen in Griechenland” (2020, 43 Min.) des griechischen Regisseurs Chrysanthos Konstantinidis, der das Massalker rekonstruiert, Überlebende und Nachgeborene zu Wort kommen lässt, ihre Trauer und ihren Einsatz für die Ahndung des Verbrechens dokumentiert. Anschließend informieren Vertreter des AK Distomo über das Gedenken in Lingiadis, den aktuellen Stand der Entschädigungsverweigerung und die ausgebliebene Bestrafung der Täter. Danach gibt es ausführlich Gelegenheit für Nachfragen und Diskussion.

Der Aufruf als PDF-Dokument
Der Flyer als PDF-Dokument

Den Krieg verloren, aber das Geld bleibt hier
Deutschlands Sieg in Italien über die Opfer der NS-Verbrechen

Deutschland hat es geschafft. Das Verfassungsgericht Italiens entschied im Juli 2023 im Sinne der Bundesregierung. Hunderttausende italienische Opfer von NS-Kriegsverbrechen, ehemalige NS-Zwangsarbeiter sowie Opfer von Massakern, erhalten von Deutschland keine Entschädigung, ihnen bleibt der Rechtsweg in Italien verwehrt.

Seit vielen Jahren klagen vor allem ehemalige italienische NS-Zwangsarbeiter in Italien gegen Deutschland, um endlich eine Entschädigung für das erlittene Leid und Unrecht zu erhalten, dass ihnen Nazideutschland angetan hatte. Hunderttausende - Zivilisten und Soldaten - waren vom ”Dritten Reich” nach Deutschland verschleppt worden, um Zwangsarbeit zu leisten. Vor italienischen Gerichten bekamen sie Recht, ihnen wurden Beträge bis zu Euro 100.000,- pro Person zugesprochen.

Doch trotz rechtskräftiger Urteile verweigerte Deutschland die Zahlung unter Berufung auf den Grundsatz der Staatenimmunität. Vor dem Internationalen Gerichtshof erwirkte Deutschland 2012 ein Urteil, das die Bundesrepublik vor Klagen aus dem Ausland bewahren sollte. Der IGH entschied, dass der Grundsatz der Staatenimmunität auch im Fall von Kriegsverbrechen gelte und Deutschland im Ausland nicht verklagt werden dürfe.

Dies sahen italienische Gerichte allerdings anders. Das italienische Verfassungsgericht hatte in einer Grundsatzentscheidung schon 2014 gegen den IGH und zugunsten der Rechte der Opfer von Nazi-Deutschland geurteilt, das Grundrecht auf Zugang zu den italienischen Gerichten betont und die Anwendung des von Deutschland reklamierten Grundsatzes der Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen abgelehnt. Das Verfassungsgericht sah den Rang des Menschenrechtsschutzes als höherwertig an als das Prinzip der Staatenimmunität. Daher konnten die Prozesse in Italien fortgeführt und gegen deutsches Eigentum vollstreckt werden.

Dies ist nun nicht mehr möglich. Das italienische Verfassungsgericht entschied in seinem jüngsten Urteil im Sinne Deutschlands.

In zwei Fällen ehemaliger NS-Zwangsarbeiter, die rechtskräftige Urteile gegen Deutschland erwirkt hatten, drohte Deutschland die Beschlagnahme bzw. die Versteigerung deutschen Staatseigentums in Rom. Darauf strengte Deutschland im Frühjahr 2022 ein Eilverfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag an, um die Vollstreckung zu verhindern. Deutschland nahm den Antrag erst zurück, als Italien unter diesem Druck Ende April 2022 erst ein Regierungsdekret und dann ein Gesetz verabschiedete, durch das alle gegen Deutschland gerichteten Entschädigungsprozesse und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gestoppt wurden.

Das Landgericht in Rom setzte daraufhin die Vollstreckung in deutsches Staatseigentum im November 2022 aus und legte das Verfahren dem italienischen Verfassungsgericht vor, weil es dieses Schlussstrich-Gesetz für verfassungswidrig hielt. Das Verfassungsgericht entschied nunmehr Ende Juli 2023, dass das Schlussstrich-Gesetz doch verfassungsgemäß sei. Zwar stelle es einen erheblichen Eingriff in die Rechte der Betroffenen dar, wenn Deutschland vor Klagen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geschützt werde. Dennoch stehe dieses Gesetz im Hinblick auf den Grundsatz der Staatenimmunität im Einklang mit der Verfassung. Grund hierfür sei, dass die italienische Regierung mit dem Gesetz zugleich einen Fonds begründet habe, aus dem italienische Opfer entschädigt werden können. Dieser ist mit ca. Euro 60 Millionen dotiert. Damit, so das Gericht, seien die Rechte der Opfer ausreichend gewahrt. Mit Zahlung aus dem Fonds erlöschen alle Rechte und Ansprüche auf Entschädigung gegenüber Deutschland.

Deutschland hat es wieder einmal geschafft, sich aus der rechtlichen und moralischen Verantwortung für die NS-Opfer zu ziehen. Nicht der Nachfolgestaat Nazideutschlands sondern Italien wird die Zahlungen an die italienischen Opfer der NS-Verbrechen selbst erbringen. Davon profitieren werden aber nur diejenigen Überlebenden oder deren Angehörige, die rechtzeitig bis zu einem Stichtag Klagen gegen Deutschland erhoben hatten. Zudem werden die Zahlungen sehr begrenzt sein und nicht mal einen Bruchteil dessen erreichen was den Betroffenen von italienischen Gerichten zugesprochen worden war.

Das ist das perfide Ergebnis deutscher Machtpolitik in Europa. Mit ökonomischem Druck und politischer Erpressung hat Deutschland erst Griechenland und dann Italien in die Knie gezwungen. Die Leidtragenden sind die Opfer der NS-Verbrechen und deren Angehörige.

Was ist also davon zu halten, wenn die gegenwärtige Bundesregierung über menschenrechts-orientierte Außenpolitik schwadroniert? Nichts. Nur wenn es den eigenen Interessen nützt, werden Menschenrechte in Stellung gebracht. Für die Opfer der NS-Verbrechen hat Deutschland allenfalls warme Worte an Gedenktagen übrig. Doch die Schuld ist nicht beglichen, das Thema der Entschädigung für Menschen- und Völkerrechtsverbrechen ist aktuell. Deutschland hat Macht, eine Rechtfertigung gegenüber den Opfern des deutschen Faschismus hat es nicht.

Der AK Distomo fordert weiterhin:
Deutschland muss alle Opfer des Nationalsozialismus entschädigen!
Nazi-Verbrechen nicht vergeben, den antifaschistischen Widerstand nicht vergessen!
Gemeinsamer Kampf gegen den wiedererstarkenden Faschismus in Europa!

Hamburg, den 17. September 2023 AK-Distomo

Redebeitrag 8. September 2023, Kundgebung vor dem Hafenamt, Jan Krüger

”NEIN” gesagt
Zum 80. Jahrestag des italienischen Waffenstillstands mit den Alliierten erinnern wir an die italienischen Militärinternierten

Im Juli 2023 hat die juristische Auseinandersetzung der Entschädigungsfrage für die IMIs vor dem italienischen Verfassungsgericht ein bitteres Ende gefunden. Es werden zwar Ansprüche italienischer Opfer von deutschen NS-Verbrechen ausgezahlt - endlich, mit fast 80-jähriger Verspätung, allerdings nicht von dem deutschen sondern von dem italienischen Staat. Der Nachfolgestaat Nazideutschlands hat sich in einem über 20 Jahre dauernden Rechtsstreit durchgesetzt und wieder einmal die Verantwortung für NS-Verbrechen verweigert und deren Opfer düpiert.

Als Folge der Entschädigungsklagen gegen Deutschland legt Italien einen Fonds auf, aus dem in den nächsten 3 Jahren ca. 60 Mio. Euro an italienische NS-Opfer ausgezahlt werden sollen, die bis zu einem festgesetzten Stichtag Klagen gegen Deutschland eingereicht haben.
Es ist ein Skandal, dass nicht der Nachfolgestaat des NS-Staats, der für die Verbrechen verantwortlich ist, in den Fonds einzahlt, sondern ausschließlich der Staat der Opfer die Gelder aufzubringen hat.
Zudem werden 60 Mio. Euro bei weitem nicht ausreichen. Die Zeitung La Stampa vom 05.07.2023 berichtet von insgesamt 780 Fällen mit einem Anspruchsvolumen von ca. 800 Millionen Euro.
Bezeichnend dabei, dass die Auszahlungen von einer rechtsextremen Regierung Italiens vollzogen werden, während eine deutsche grün-sozialliberale Regierung eine Entschädigungszahlung verweigert.

Die Verweigerung einer angemessenen Entschädigung aller Opfer der NS-Verbrechen ist ein Kontinuum der deutschen Außenpolitik seit dem Bestehen der BRD, denn die Auseinandersetzungen um Reparationen und individuelle Entschädigungen begannen schon bald nach Ende des II. Weltkriegs. Eine besondere Bedeutung besaßen dabei die italienischen Militärinternierten.

Als ehemalige Verbündete wurden die italienischen Militärinternierten als sog. ”Verräter” stigmatisiert und waren deshalb besonders schweren Drangsalierungen und Gewalt ausgesetzt. Zwischen September 1943 und Mai 1945 starben mehr als 50.000 italienische Militärangehörige. Sie wurden direkt nach der Gefangennahme von deutschen Truppen ermordet, starben beim Abtransport in die Lager oder infolge der menschenunwürdigen Bedingungen ihrer zwanzigmonatigen Gefangenschaft. Insgesamt wurden 650.000 Italiener als Zwangsarbeiter in der deutschen Kriegswirtschaft eingesetzt.

Nach Kriegsende zahlte Deutschland an Italien nur Minimalbeträge als Entschädigungsleistungen. Im Rahmen eines ”Globalabkommens” wurden 1961 40 Millionen Deutsche Mark an den italienischen Staat gezahlt, allerdings wurden dabei nur die Insassen von Konzentrationslagern berücksichtigt. Opfer von Massakern und Zwangsarbeiter gingen leer aus.

Für ihre Opfer und ihr Leid wurden die italienischen Militärinternierten nie entschädigt, ihre Arbeitsleistung wurde nie entlohnt. Erst 1990 mit der Wende konnten Entschädigungsansprüche überhaupt geltend gemacht werden. Im Kalten Krieg sollte Deutschland nicht durch Reparations- und Entschädigungszahlungen belastet werden. Es dauerte noch weitere 10 Jahre, bis im August 2000 unter massivem Druck durch Verbände und Regierungsvertreter der USA ein Fonds aufgelegt wurde, der die Zwangsarbeiter des NS-Staats entschädigen sollte. Auch in Italien machten sich die ehemaligen italienischen Militärinternierten Hoffnungen. Ca. 130.000 Anträge wurden gestellt. Ein deutliches Zeichen dafür wie präsent die NS-Verbrechen im Jahre 2000 waren und auch heute noch sind.

Der Fonds wurde von der Stiftung ”Erinnerung, Verantwortung und Zukunft” – kurz EVZ - verwaltet, die zu diesem Zwecke gegründet wurde. Doch die Stiftung schloss die italienischen Militärinternierten aus und verweigerte ihnen somit selbst eine kleine Entschädigung. Und das mit einer hahnebüchenen Begründung, die es in sich hat.

Eine Entschädigung aus dem Fonds wurde ihnen verweigert da sie ”normale” Kriegsgefangene waren, die nicht entschädigungsberechtigt sind. Die Nazis hatten sie allerdings 1943 zu Zivilisten zu sog. Militärinternierten erklärt. Als Zivilisten wären sie damit berechtigt gewesen, Gelder aus dem Zwangsarbeiterfonds zu erhalten. Im Jahre 2000 behauptet die Bundesregierung jedoch, dass die Nazis damals im Jahre 1943 illegal gehandelt haben und die italienischen Zwangsarbeiter somit doch Kriegsgefangene waren. Und ihnen somit keine Entschädigung zusteht.

Serafino Gesparino, der als IMI in Deutschland Zwangsarbeit leisten musste, erklärte am 25. Juni 2002 dazu: ”Die deutsche Entscheidung halte ich für skandalös. Wenn sie uns als Kriegsgefangene behandelt hätten, dann wäre ja alles okay gewesen. Aber sie haben uns nicht als Kriegsgefangene behandelt. Wir waren Sklaven. Daher ist das deutsche Rechtsgutachten, wonach wir keine Zwangsarbeiter waren, nicht korrekt.”

Den Opfern der NS-Verbrechen blieb nach dieser demütigenden Zurückweisung nur die Möglichkeit, Klagen vor italienischen Gerichten einzureichen. In diesen Prozessen wurde Deutschland zu Entschädigungszahlungen verpflichtet, die Urteile wurden von dem höchsten italienischen Gericht, dem Kassationshof in Rom, bestätigt.
Mit der Entscheidung vom Juli 2023 werden minimale Zahlungen erfolgen, die einer angemessenen Entschädigung nicht entsprechen, allerdings von dem italienischen Staat und nur an diejenigen, die eine Klage gegen Deutschland eingereicht haben. Die Anträge waren zudem an eine kurze Frist gebunden.
Die meisten IMI haben nach der Abweisung ihrer Anträge bei dem Zwangsarbeiterfonds der EVZ im Jahre 2000 enttäuscht aufgegeben und keine Klage eingereicht. Von den 130.000 Antragsstellern aus dem Jahre 2000 wird also nur ein minimaler Teil eine Zahlung erhalten.

Wir fordern, dass alle IMIs entschädigt werden und das mit Geldern des deutschen Staats!

”NEIN” gesagt
Zum 80. Jahrestag des italienischen Waffenstillstands mit den Alliierten erinnern wir an die italienischen Militärinternierten

Aus Anlaß des 80. Jahrestages der Verkündung des italienischen Waffenstillstands mit den Alliierten am 8. September 1943 finden in Hamburg und Sandbostel verschiedene Veranstaltungen statt. Die Ereignisse des 8. September 1943 führten auch dazu, dass hunderttausende italienische Soldaten gefangen genommen wurden und ihr ”Nein” zur militärischen Zusammenarbeit mit der deutschen Wehrmacht sie zu Militärinternierten machte.

8. September 2023, 18 Uhr, Hafenamt (Hamburger Hafencity, Osakaallee 12/14)
Kundgebung vor dem Hafenamt
Vor dem ehemaligen Hauptsitz von Strom- und Hafenbau (heute Hamburg Port Authority) findet die diesjährige Kundgebung in Erinnerung an die italienischen Militärinternierten (IMI) statt. Strom- und Hafenbau setzte 118 Militärinternierte zur Zwangsarbeit ein. Daran wird während der Kundgebung am historischen Ort erinnert. Die IMI in Norddeutschland wurden über die Kriegsgefangenenstammlager der Wehrmacht, wie z.B. aus Sandbostel, auf Unternehmen verteilt. In Hamburg waren 15.000 IMI in ca. 200 Lagern untergebracht. Sie waren in über 600 privaten und städtischen Unternehmen als Zwangsarbeiter eingesetzt: vor allem im Hafen, in der Bauwirtschaft und in der Rüstungsindustrie.

7. September 2023, 18:30 Uhr, Stiftung Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe
(Kaltehofe Hauptdeich 6-7, 20539 Hamburg)
”Mit dem Hunger kann man nicht diskutieren” - Vorstellung des Tagebuchs von Marino Ruga
Marino Ruga war einer von 214 italienischen Militärinternierten, die zwischen 1943 und 1945 bei den Hamburger Wasserwerken Zwangsarbeit leisten musste. Nach seinem Tod 2013 fand sein Sohn Gianni Ruga sein Kriegstagebuch, in dem er auch über seine Zeit in Hamburg berichtete. 2021 veröffentlichte Gianni Ruga das Tagebuch seines Vaters unter dem Titel ”Diario di un geniere. 1940-1945”. Nunmehr liegt die deutsche Übersetzung vor. Gianni Ruga wird das Buch vorstellen und der Historiker David Templin wird einen Überblick zur NS-Geschichte der Hamburger Wasserwerke geben. Da Marino Ruga auch auf der Elbinsel Kaltehofe eingesetzt wurde, ist der Veranstaltungsort natürlich auch ein besonderer.
Das Tagebuch von Marino Ruga als PDF-Dokument

6. September 2023, 19 Uhr, Italienisches Kulturinstitut Hamburg (Hansastraße 6, 20149 Hamburg)
Präsentation von zwei Büchern über italienische Militärinternierte in Hamburg
Im Rahmen der Veranstaltung werden zwei Neuerscheinungen zur Geschichte der italienischen Militärinternierten vorgestellt: Die erste betrifft die deutsche Übersetzung der Tagebücher von Marino Ruga (1920-2013). Die zweite Präsentation betrifft eine deutsch-italienische Publikation des Comitee der Italiener im Ausland (COMITES) in Hannover, in der die Geschichten von zehn ehemaligen italienischen Militärinternierten, darunter Gino Signori (1912-1992), zusammengefasst sind, der in Hamburg im Lagerhaus G interniert war.
Veranstalter ist die Projektgruppe italienische Militärinternierte Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Italienischen Kulturinstitut Hamburg.

5. und 10. September 2023, Gedenkstätte Sandbostel
In der Gedenkstätte Sandbostel findet am 5. September 2023 eine Veranstaltung mit Prof. Dr. Schminck-Gustavus zu den IMI in Sandbostel und den Bremer Lagern statt. Am 10. September 2023 gibt es in der Gedenkstätte zwei Themenrundgänge.
https://www.stiftung-lager-sandbostel.de/

Ab 3. September, KZ-Gedenkstätte Neuengamme
Von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme werden fünf Biografien ehemaliger Häftlinge aus Italien ab dem 3. September 2023 auf Instagramm https://www.instagram.com/neuengamme.memorial/ vorgestellt.

Weitere Infos https://imiinhamburg.wordpress.com/

Das Programm als PDF-Dokument

Grußwort des AK Distomo/Hamburg
zum 79. Jahrestag des Massakers von Distomo am 10. Juni 2023

Zum 79. Jahrestags des NS-Massakers senden wir euch herzliche und solidarische Grüße aus Hamburg. In diesem Jahr können wir leider nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen, aber wir denken an euch und haben am 8. Juni 2023 eine Veranstaltung in Hamburg mit jungen Menschen zu dem Massaker und die Auseinandersetzung um die Entschädigung durchgeführt. Nächstes Jahr werden wir wieder in Griechenland sein und den Gedenktag mit euch gemeinsam begehen.

Seit dem Urteil des Landgerichts Levadia von 1997 bekämpft Deutschland die Klägerinnen und Kläger von Distomo gerichtlich. Deutschland hintertreibt die in Italien erfolgende Vollstreckung des Urteils mit dem Ruf nach ”Staatenimmunität” für NS-Kriegsverbrechen mit seiner politischen Macht, mit seiner finanziellen Potenz und dem offensichtlichen Wunsch, die noch überlebenden Opfer des Massakers von Distomo und ihre Angehörigen zu zermürben.

Nachdem Deutschland in Italien in 15 Fällen zu Entschädigungszahlungen für NS-Kriegsverbrechen verurteilt worden war und in zwei Fällen die Beschlagnahme bzw. die Versteigerung deutschen Staatseigentums in Rom drohte, hat Deutschland im Frühjahr 2022 ein Eilverfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag angestrengt, um die Vollstreckung zu verhindern. Deutschland nahm den Antrag erst zurück, als Italien unter diesem Druck Ende April 2022 ein Gesetzesdekret verabschiedete, das in Italien die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen NS-Kriegsverbrechen ausschließlich gegen einen mit lediglich 55,4 Millionen Euro dotierten Fond zulässt. Mit Zahlung aus dem Fond erlöschen alle Rechte und Ansprüche auf Entschädigung.

Das Landgericht in Rom hat die Vollstreckung in deutsches Staatseigentum im letzten November ausgesetzt und das Verfahren dem italienischen Verfassungsgericht vorgelegt. Das Verfassungsgericht hatte in einer Grundsatzentscheidung schon 2014 zugunsten der Rechte der Opfer von Nazi-Deutschland geurteilt, hatte das Grundrecht auf Zugang zu den italienischen Gerichten betont und die Anwendung des von Deutschland reklamierten Grundsatzes der Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen abgelehnt. Möglich, dass Deutschland sich angesichts des Aufstiegs der Faschisten in die italienische Regierung eine Änderung der Rechtsprechung erhofft. Die Verhandlung vor dem italienischen Verfassungsgericht soll im Juli 2023 stattfinden. Dabei wird es auch um die Zwangsvollstreckung im Fall Distomo gehen.

Das Vorgehen Deutschlands beweist, dass die bei den Gedenkfeierlichkeiten der letzten Jahre an den Orten der NS-Verbrechen vorgetragenen schönen Worte nur Rhetorik waren. Salo Muller, Überlebender des Holocaust aus den Niederlanden, dessen gesamte Familie im KZ umgebracht wurde und der von Deutschland Entschädigungen für die Deportationen durch die Deutsche Reichsbahn in die Vernichtungslager verlangt, hat im letzten Jahr erklärt: ”Nur wer zahlt, meint es ernst.” Wir stimmen ihm zu und unterstützen seine Forderungen.

Der Streit um Entschädigung für NS-Verbrechen ist ein Kampf
  • gegen die faktische Akzeptanz der Nazi-Barbarei, die bis heute weitestgehend folgenlos geblieben, die weder strafrechtlich noch zivilrechtlich aufgearbeitet worden ist;
  • gegen die von Arroganz und Machtbewusstsein getragene Behauptung der deutschen Bundesregierungen, das Reparationsthema sei seit 1990 rechtlich und politisch abgeschlossen und individuelle Entschädigungsforderungen könnten nicht in dem Land, in dem die NS-Verbrechen verübt wurden, sondern nur im Land der Täter gerichtlich verfolgt werden;
  • gegen den schönen Schein der Reue, den Deutschland an den Orten des deutschen Massenmordes in ganz Europa so gern verbreiten lässt, solange er nichts kostet;
  • gegen den in Europa um sich greifenden Nationalismus, gegen Rassismus, Hass, rechte Gewalt und faschistische Ideologien und gegen eine Politik, die wieder Unmenschlichkeit zu ihrer Grundlage macht, die Menschen in höchster Not von ihren Grenzen abweist und ihrem – oft tödlichen - Schicksal überlässt;
  • für ein: NIE WIEDER FASCHISMUS
Der AK Distomo fordert weiterhin:
Sofortige Entschädigung aller Opfer des Nationalsozialismus!
Nazi-Verbrechen nicht vergeben, den antifaschistischen Widerstand nicht vergessen!
Gemeinsamer Kampf gegen den wiedererstarkenden Faschismus in Europa!

Hamburg, den 9. Juni 2023 AK-Distomo

Donnerstag, den 08. Juni 2023, um 18.00 Uhr
Jugend- und Stadtteilhaus Tesch
Max-Brauer-Allee 114, 22765 Hamburg

”Ein Lied für Argyris”
Film- und Diskussionsveranstaltung

Am 10. Juni 2023 gedenkt die griechische Ortschaft Distomo an das Massaker vom 10. Juni 1944, bei dem deutsche SS-Soldaten 218 Bewohner*innen ermordeten. Bei dieser wichtigsten Gedenkfeier zur Erinnerung an die NS-Verbrechen in Griechenland werden Menschen aus Distomo, aber auch aus dem In- und Ausland teilnehmen. Auch in Hamburg wollen wir an dieses Ereignis erinnern.

Bis heute gibt es für die Opfer und deren Angehörigen aus Distomo und vielen anderen Orten in Griechenland keine Gerechtigkeit. Keiner der Täter wurde je vor ein deutsches Gericht gestellt. Deutschland weigert sich bis heute, trotz rechtskräftiger Urteile, Entschädigungsleistungen an die Opfer zu zahlen. 1995 begann ein zähes juristisches und politisches Ringen um eine Entschädigung, das heute noch nicht beendet ist.

Der damals 4-jährige Argyris Sfountouris überlebte das Massaker, bei dem seine Eltern und dreißig weitere Familienangehörige ermordet wurden. Der Film des Schweizer Regisseurs Stephan Haupt ”Ein Lied für Argyris” aus dem Jahr 2006 beschreibt sein Überleben und das Leben danach. Einfühlsam wird gezeigt, wie er nach dem Massaker in einem Kinderheim in der Schweiz aufwuchs und später Lehrer und Entwicklungshelfer wurde. Der Film schildert auch seinen langjährigen Kampf um die historische Wahrheit und um Gerechtigkeit. Über das persönliche Schicksal von Argyris hinaus zeigt der Film die Hintergründe und die Folgen eines Verbrechens, das exemplarisch für die Grausamkeit der deutschen Besatzung Griechenlands in den Jahren 1941 bis 1944 steht.

Wir halten den Film für ein wichtiges Dokument der Aufarbeitung eines deutschen Verbrechens und laden im Anschluss zur Diskussion darüber ein.