Der Tradition verpflichtet:
Eine kurze Geschichte der Abschiebehaft
Das Allgemeine Preußische Landrecht von 1794 war der
erste Vorläufer für das deutsche Ausländergesetz von heute.
Charakteristisch ist, daß es, wie die nachfolgenden
Ausländergesetzgebungen, auch schon auf die ökonomische
Verwertbarkeit von AusländerInnen zielte und ein angepaßtes
Verhalten einforderte. Passten AusländerInnen in die wirtschaftliche
Situation und verhielten sich entsprechend den ideologischen Vorgaben, gab es
für sie die Möglichkeit voll integriert, das heißt, rechtlich
anderen preußischen Untertanen, gleichgestellt zu werden. Dies
änderte sich erst mit dem Beginn der Weimarer Republik. Zwar wurden vor
1920 AusländerInnen, die ausgewiesen werden sollten, schon von der Polizei
festgenommen und auf den Polizeiwachen oder in Gefängnissen inhaftiert.
Abschiebehaft, wie sie seit der Weimarer Republik bis heute vollzogen wird,
wurde jedoch niemals in großem Umfang praktiziert. Abschiebung war bis zu
diesem Zeitpunkt ein selten angewandtes polizeiliches Ordnungsinstrument neben
vielen anderen. Erst in der Weimarer Republik wurde die Abschiebehaft ein
wichtiges Element einer auf Abschreckung ausgerichteten
Fremdenpolitik und im großen Maßstab eingesetzt.
Entstanden ist sie als staats- und ordnungspolitische Umsetzung des
gesellschaftlichen Antisemitismus, vor allem gegen die Juden und Jüdinnen
aus Osteuropa. Bis heute sind die gesetzlichen Grundlagen zunehmend verfeinert
und verschärft worden. Erweitert auf alle AusländerInnen bildet sie
den unveränderten Kern der seit den 20er Jahren praktizierten
Abschiebehaft.
Die Geburt der Abschiebungspraxis aus Krieg und Antisemitismus
Im Ersten Weltkrieg benötigte die deutsche Wirtschaft, insbesondere
die Rüstungsindustrie, Arbeitskräfte, die der deutsche Arbeitsmarkt,
durch die Einziehung der Männer in die Armee, nicht liefern konnte.
Ausländische, vor allem ostjüdische Arbeitskräfte wurden
angeworben bzw. zwangsweise nach Deutschland verschleppt. Parallel dazu
entzündete sich seit dem Kriegsbeginn 1914 an der
Ostjudenfrage eine Diskussion über die deutsche
Fremdenpolitik. Während ein Teil der öffentlichen Meinungsführer
die Schließung der Grenzen einforderten und die Bestechlichkeit der
GrenzbeamtInnen beklagten, forderten andere eine konsequente
Ausweisungspolitik. Im April 1918 wurde ein Anwerbestopp für
ostjüdische Arbeitskräfte verkündet, obwohl die deutsche
Industrie weiterhin auf diese Kräfte angewiesen war. Internierungen und
Abschiebungen erfolgten aufgrund folgender Vorwürfe:
Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (kein
Ausweis, unangemeldeter Handel)
politische Gefahren (staatsfeindliche Betätigung),
kulturelle Gefahren (den OstjüdInnen wurde ein niedriger
Kulturgrad nachgesagt) und
wirtschaftliche Gefahren (Wohnungsnot, Ernährungsschwierigkeiten
und Arbeitslosigkeit bei der deutschen Bevölkerung).
Die bis zu diesem Zeitpunkt praktizierte Abschiebehaft war eher Abfallprodukt
der Ausweisungsbemühungen. Die Praxis von Internierung und Abschiebung
entbehrte jedoch jeglicher rechtlichen Grundlage. Dennoch wurden polnische
JüdInnen bei Razzien zusammengetrieben und acht bis 20 Tage vor ihrer
Abschiebung nach Polen in Polizeihaft oder Militärgewahrsam gehalten.
Antisemitische PolizeibeamtInnen verhafteten völlig grundlos
Jüdinnen, derer sie habhaft wurden. In Berlin wurden täglich bis zu
100 verhaftet.
Beispiel Bayern
Die rechtliche Lücke wurde zunächst in Bayern geschlossen. Zwar sah
das bayerische Fremdenrecht schon die Möglichkeit der Ausweisung und
Abschiebung vor, bis 1919 wurde sie jedoch nur individuell verordnet. Am 25.
Mai 1919 wurde vom Innenministerium die Bekanntmachung über
Aufenthalts- und Zuzugsbeschränkungen verabschiedet, die folgendes
regelte:
die Erfassung, Registrierung und Überwachung aller
AusländerInnen, die älter als 15 Jahre sind
die Ausweisung kann zur Erhaltung der öffentlichen
Sicherheit verfügt werden
Der Vollzug (der Ausreise) ist wirksam zu überwachen
die Festnahme ist zulässig wenn Anhaltspunkte dafür
vorliegen, daß die Abreise nicht erfolgen würde.
Dafür sollten Schutzlager durch die Heeresverwaltung eingerichtet werden.
Während es zwischen den Behörden Einigkeit im Umgang mit den
nichtjüdischen AusländerInnen gab (etwa 4.500 Menschen wurden darauf
folgend in München erfaßt und 200 ausgewiesen), entwickelte sich ein
Disput darüber, ob die JüdInnen wie AusländerInnen zu behandeln
seien (Position der Stadtkommandantur) oder ob sie einer Sonderbehandlung
bedurften (Polizei und Fremdenamt). Die Ausweisung der OstjüdInnen geschah
dennoch, mit der Begründung, daß die einheimischen
jüdischen Volksteile (...), die in ihrer Gesamtheit dem Treiben
landfremder Rassegenossen durchaus ablehnend gegenüberstehen,
geschützt werden müssten.
Ausweisungsbescheide wurden willkürlich verfaßt. JüdInnen wurde
wahlweise ihre Arbeitslosigkeit und Armut (fallen dem deutschen Volke zur Last,
Seuchengefahr) oder ihre Arbeit und Reichtum (nehmen deutsche
Arbeitsplätze weg, verschwenderischer Lebensstil verschärft
Nahrungsmittelknappheit) zum Vorwurf gemacht.
Das erste Abschiebegefängnis wurde im April 1920 in Ingolstadt, in der
militärischen Festung Fort Prinz Karl, eingerichtet. Zuvor wurden
Abschiebehäftlinge in den normalen Gefängnissen der einzelnen
Länder festgehalten. Daß diese Verfahrensweise nicht beibehalten
wurde, hatte weniger mit organisatorischen Fragen (z.B. der
Überfüllung der Gefängnisse) zu tun, sondern war vielmehr ein
Zugeständnis der Politik an die antisemitischen Forderungen und eine
Erfüllung der Ankündigung aus dem Jahre 1919, OstjüdInnen im
großen Stil zu internieren und deportieren. Die Errichtung des
Abschiebegefängnisses markierte allerdings nicht nur einen Bruch
bezüglich der Unterbringung (dezentral/zentral), sondern auch in der
Haftdauer. Eine sechs Monate lange Inhaftierung war keine Seltenheit mehr.
Während in den Gefängnissen die AusländerInnen nur kurzzeitig
festgehalten wurden, um sie dann umgehend abzuschieben, diente die Internierung
in den Abschiebelagern der Abschreckung und Erpressung der MigrantInnen, der
Stigmatisierung innerhalb der deutschen Bevölkerung und der Kontrolle von
Menschenmengen, die nicht in jedem Fall sofort abgeschoben werden konnten.
Im Februar 1924 wurde das Abschiebelager aufgrund finanzieller Probleme
aufgelöst, die Gefangenen konnten kaum noch mit Lebensmitteln versorgt
werden. Die wenigen verbliebenen Gefangenen wurden auf die normalen
Gefängnisse verteilt. Die Inhaftierung in den Gefängnissen sollte
dann bis zum Ende der Weimarer Republik die normale und bevorzugte
Verfahrensweise bei Abschiebehäftlingen sein. Das Abschiebelager hatte
sich als ineffektiv im Kampf gegen die Ostjuden erwiesen. Zum einen
bestand nur gegen neueingereiste OstjüdInnen die Möglichkeit der
Ausweisung, zum anderen verzögerte oder verhinderte die anwaltliche
Unterstützung in etlichen Fällen die Ausweisung. Das Abschiebelager
war zu teuer, nie ausgelastet und die ständigen Skandale ein willkommener
Anlaß für die Opposition im Landtag, die unmenschliche
Fremdenpolitik anzuprangern.
Beispiel Preussen
In der Praxis der Fremdenpolitik gab es zwischen Bayern und Preussen bedeutende
Unterschiede. In Preußen wurden nicht alle OstjüdInnen abgeschoben,
da sie zum Teil in ihren Herkunftsländern Repressalien ausgesetzt gewesen
wären. Es gab also de facto humanitäre Duldungsgründe. Anstelle
der Abschiebung der OstjüdInnen wurden sie in Konzentrationslagern
interniert. Außerdem sahen die Fremdengesetze Ausweisungsgründe vor,
so daß der Willkür bei der Begründung der
Ausweisungsverfügung nicht so viel Platz eingeräumt wurde, wie in
Bayern. Hinzu kam, daß von einer Abschiebung aus wirtschaftlichen Motiven
abgesehen wurde, wenn sich die jüdischen Hilfsorganisationen um die/den
Betroffene/n kümmerten und sie/er somit der Sozialkasse nicht zur Last
viel. Mit Verweis auf das Ausland (und versteckt auf die vermeintliche Macht
des Weltjudentums) wurden ein hartes Vorgehen gegen die
OstjüdInnen, wie es für Bayern kennzeichnend war, abgelehnt.
Technokratisch war die Fremdenpolitik in Preußen insofern, daß sich
mehr an praktischen, finanziellen, organisatorischen Fragen orientiert wurde
und weniger an ideologischen - wie in Bayern.
Während die Internierung von OstjüdInnen noch breit diskutiert wurde,
startete die Sicherheitswehr in Berlin im März 1920 einen ersten Versuch.
Bei einer Razzia gegen Schiebertum und Bolschewismus im
Scheunenviertel wurden 282 JüdInnen verhaftet und in ein Lager in der
Nähe von Berlin verschleppt. Die Gefangenen wurden brutal
mißhandelt, erhielten keine Nahrung. Verstöße gegen die
Lagerordnung (z.B. Gespräche mit Soldaten) sollten mit Erschießen
bestraft werden. Obwohl fast alle Gefangenen wenige Tage später wieder
entlassen werden mußten, weil sich die Beschuldigungen als haltlos
erwiesen, plante das Innenministerium von nun an die Einrichtung von
Konzentrationslagern, die gegenüber den OstjüdInnen folgende
Funktionen erfüllen sollten
unschädlich machen (Entlastung des Wohnungsmarktes
etc.)
Abschreckung
Beförderung der freiwilligen Aus- und Weiterwanderung
die Betroffenen für einen Massenabschub verfügbar halten.
Der Ausweisungserlaß aus dem Jahr 1919 wurde Mitte 1920 verschärft:
Kriterium war jetzt nicht nur die nutzbringende Beschäftigung,
sondern lichtscheue Elemente und jene, die lediglich in dem
Verdacht einer strafbaren Handlung stünden, seien auszuweisen.
Im November 1920 folgte ein Internierungserlaß: Solange sich eine
solche Ausweisung aus völkerrechtlichen Gründen nicht
durchführen läßt, wird (...) mit der Unterbringung in
Sammelläger (...) vorgegangen werden müssen. Am 23. Januar 1921
kündigte der preußische Innenminister an, daß jetzt mit der
Internierung unerwünschter AusländerInnen in KZs begonnen
werden könne - das Parteiprogramm der NSDAP von 1920 war damit an diesem
Punkt erfüllt. Im Februar wurden die beiden Konzentrationslager Stargard
(Pommern) mit 2.700 Plätzen und Cottbus-Sielow eröffnet.
Die SPD, inzwischen nicht mehr an der Macht, forderte die Auflösung der
Konzentrationslager, die sie selbst mit eingerichtet hatte. Als im Dezember
1921 wieder Severing (SPD) Innenminister wurde, setzte er diese Forderung
natürlich nicht um, lediglich der betroffene Personenkreis (keine
polnischen Deserteure) wurde begrenzt. Daß die beiden preußischen
Abschiebelager dann im Dezember 1923 aufgelöst wurden, hatte, ähnlich
wie in Bayern, ausschließlich finanzielle Gründe. Ausgewiesene
wurden in Preußen nach 1923 nur in Polizeihaft (als Abschiebehaft)
genommen, wenn ihr freier Aufenthalt als unmittelbare Gefahr
erschien. In der Weimarer Republik gab es weitere Abschiebegefängnisse
z.B. in Kassel, Hamburg, in Frankfurt/Main, Frankfurt/Oder, Quedlinburg
(Sachsen), Königsmoor, Eydtkuhnen (Ostpreußen) und im Ruhrgebiet,
die jedoch bislang nicht weiter erforscht sind.
Mit der Machtübernahme der NSDAP 1933 wurden zwar viele Gesetze
abgeschafft oder geändert, das Ausländerrecht ließen die
Nazionalsozialisten allerdings bis 1938 unangetastet. Es entsprach wohl, so wie
es in der Weimarer Republik entstanden war, genau ihren Vorstellungen.
Daß es dann zur Verabschiedung der Ausländerpolizeiverordnung im
August 1938 kam, ist eher im Kontext der Kriegsvorbereitungen zu sehen. Im
[[section]]7 der Ausländerpolizeiverordnung wird unter Punkt 5 die
Verhängung der Abschiebehaft kurz und bündig geregelt: Zur
Sicherung der Abschiebung kann der Ausländer in Abschiebungshaft genommen
werden.
Am 28. Oktober 1938 kam es dann zur ersten Zwangsausweisung von JüdInnen
des Dritten Reiches. Es hatte sich erwiesen, daß die Politik der
Entjudung Deuschlands, die eine freiwillige
Auswanderung mittels antisemitischer Gesetze, Verordnungen und Pogrome
befördern wollte, nicht den gewünschten Erfolg zeigte. Die Zahl der
Auswandernden war seit 1937 rückläufig, da den Zurückgebliebenen
oft das Geld fehlte und die Zufluchtsländer ihre Grenzen für
JüdInnen aus Deutschland geschlossen hatten. Am 26. Oktober 1938
verhängte Heinrich Himmler ein Aufenthaltsverbot für alle
JüdInnen aus Polen. Innerhalb von zwei Tagen wurden 18.000 JüdInnen
festgenommen und zur polnischen Grenze gebracht. Die Inhaftierung geschah mit
Bezug auf den entsprechenden Abschiebehaft-Paragraphen in der neuen
Ausländerpolizeiverordnung. Allerdings erreichte diese Massenausweisung
nicht ihr Ziel: Polen weigerte sich, die JüdInnen aufzunehmen; viele
wurden auf dem Grenzstreifen von polnischen und deutschen GrenzbeamtInnen mit
Waffen bedroht, die einen konnten auf eigene Faust wieder in ihre Städte
in Deutschland zurückkehren, andere wurden monatelang in Grenznähe
auf polnischer Seite in Lagern festgehalten. Diese Aktion und die 14 Tage
später einsetzende Inhaftierung (in Schutzhaft) von
jüdischen Männern im Zuge der Kristallnacht, aus der nur
entlassen wurde, wer sich verpflichtete, binnen der nächsten Monate
auszuwandern, leitete den jüdischen Massenexodus ein: in den wenigen
Monaten vor Kriegsbeginn verließ ein Großteil der noch verbliebenen
jüdischen Bevölkerung fluchtartig Deutschland. Die Schwierigkeiten
der NS-Behörden, die OstjüdInnen illegal über die Grenze nach
Polen abzuschieben, führten zu Überlegungen, die bestehenden
Konzentrationslager auch für jüdische Abschiebehäftlinge zu
nutzen. Daß es dazu nicht mehr kam, lag an der Überfüllung der
Lager und - später - daran, daß die Judenfrage nicht mit
erzwungener Auswanderung sondern der Endlösung erledigt werden
sollte.
Die erfundene Tradition wird fortgesetzt
Juristisch schloß die BRD nach 1945 nicht etwa an der Gesetzgebung von
vor 1933 an, sondern übernahm unverändert die
Ausländerpolizeiverordnung von 1938. Bei der Übernahme 1951 beriefen
sich die PolitikerInnen auf das formal-rechtliche korrekte Zustandekommen der
Verordnung, die auch nicht vom nationalsozialistischen Geist durchzogen sei.
Passagen wie wichtige Belange des Reichs und der Volksgemeinschaft
seien in der modernen Zeit als erhebliche Belange der BRD zu
interpretieren - denn der alte Wortlaut blieb ja erhalten. Daß dann 1965
ein neues Ausländergesetz verabschiedet wurde, hatte weniger mit der
Einsicht zu tun, daß mit den faschistischen Kontinuitäten gebrochen
werden müßte, sondern mit der Tatsache, daß die alten
Paragraphen verschärft werden mußten, da die nationalsozialistische
Willkür, die die Freiräume der Gesetze voll auszuschöpfen
wußte, einem demokratischem Rechtsstaat nicht gut zu Gesicht standen.
Für alle jene BeamtInnen, die gewisse Skrupel hatten, weil nach der alten
Verordnung ein Aufenthaltsverbot gegen die/den AusländerIn ausgesprochen
werden konnte, die/der im Reichsgebiet bettelt, als Landstreicher, als
Zigeuner oder nach Zigeunerart umherzieht, der Gewerbsunzucht nachgeht oder
sich als arbeitsscheu erweist, wurde im neuen Gesetz die neue
Formulierung gefunden, daß eine Ausweisung gerechtfertig ist, wer
bettelt, der Erwerbsunzucht nachgeht oder als Landstreicher oder
Landfahrer umherzieht.
Aus dem [[section]]7 Ausländerpolizeiverordnung wird [[section]]16
Ausländergesetz. Ergänzt wird der Satz: Die Abschiebungshaft
kann bis zu sechs Monaten angeordnet und bis zur Gesamtdauer von einem Jahr
verlängert werden. Außerdem wird die Unterscheidung zwischen
Sicherungs- und Vorbereitungshaft eingeführt. Die
AusländerInnenpolitik seit 1990 ist davon geprägt, daß . sich
der Staat zur Legitimierung seiner Politik der völkischen Massen zu
bedienen weiß (rassistische Pogrome von Rostock etc.), gleichzeitig diese
aber auch in Schach hält (Lichterketten, Antifa-Sommer 2000)
der Willkür nicht Tür und Tor geöffnet wird, sondern
in nicht mehr überschaubaren Gesetzen und Verordnungen die
Unmenschlichkeit organisiert
radikale Kritik kaum zu vernehmen ist, da fast alle
gesellschaftlichen Gruppen zu ihrer Zufriedenheit ins Abschiebesystem
integriert sind - und die wenige Kritik ändert zwar u.U. etwas an der
Form, aber nichts an der Sache selbst.
Seit 1990 gab es fast alljährliche Verschärfungen bei der Anordnung
(im juristischen Sinne) und Vollzug (im organisatorischen Sinne) der
Abschiebehaft. 1990 wurde der [[section]]57 ins neue Ausländergesetz
aufgenommen. Darin wird die maximale Dauer der Abschiebehaft auf 18 Monate
erhöht und der Passus eingefügt, daß Abschiebehaft anzuordnen
ist, wenn der begründete Verdacht besteht, daß er sich der
Abschiebung entziehen will. 1992 werden in den [[section]]57 zwingende
fünf, z.T. konkrete Haftgründe hineingeschrieben. 1997 wird die
maximale Dauer der Sicherungshaft auf zwei Wochen erhöht und die
Möglichkeit der Freilassung nach Asylerstantragsstellung abgeschafft.
Parallel dazu kam es in den letzten 10 Jahren zu permanenten
Verschärfungen der Ausweisungsbestimmungen. Eine noch deutlichere Sprache
als die Gesetzesverschärfungen spricht allerdings der sprunghafte Anstieg
der Anzahl der Abschiebehäftlinge: waren es 1992 zu einem bestimmten
Stichtag 700, so sind es ein Jahr später schon 2.600. 1992 wird mit dem
Bau der ersten bundesdeutschen Abschiebehaftanstalten begonnen, die in den
Folgejahren wie Pilze aus dem Boden schießen. Inzwischen ist das deutsche
Abschiebehaft-Know How zum Exportschlager avanciert. Während die
westeuropäischen Länder im Zuge der Harmonisierung des
Asylrecht in Europa sich dem deutschen Modell annäherten und
Abschiebehaft in ihre Ausländergesetzgebung aufnahmen - wenn auch nicht in
der Schärfe, wie das in der BRD der Fall ist -, wurden die
osteuropäischen Länder direkten politischem und wirtschaftlichem
Druck ausgesetzt, um die Rolle der Pufferzone für Kerneuropa zu spielen.
Deutsche ExpertInnen und deutsches Geld waren und sind maßgeblich beim
Bau von Abschiebeknästen in Osteuropa beteiligt.
AG Weimar/Berlin
Literatur:
Adler-Rudel, Salomon: Ostjuden in Deutschland 1880-1940,
Tübingen: 1959 Alternative Liste (Fraktion im Abgeordnetenhaus Berlin):
Das neue Ausländergesetz. Geschichte, Kommentare, Proteste. Berlin:
1990 Heid, Ludger: Maloche - nicht Mildtätigkeit. Ostjüdische
Proletarier in Deutschland 1914-1923, Hildesheim/Zürich/New York:
1995 Maurer, Trude: Ostjuden in Deutschland 1918-1933, Hamburg:
1986 Walter, Dirk: Antisemitische Gewalt und Kriminalität.
Judenfeindschaft in der Weimarer Republik, Bonn: 1999 Wippermann, Wolfgang:
Wie die Zigeuner. Antisemitismus und Antiziganismus im Vergleich, Berlin:
1997 Wippermann, Wolfgang: Konzentrationslager. Geschichte, Nachgeschichte,
Gedenken. Berlin: 1999
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