AZADI  RECHTSHILFEFONDS
für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V.

Pressemitteilung

 

25. Februar 2009

azadi-Jahresbericht 2007

 

Personal- und Bürosituation

Aus beruflichen Gründen hat Jana ab Mai ihre Mitarbeit bei Azadî beendet. Stattdessen konnten wir Beate Rudolph gewinnen, die Arbeit von Jana im Bereich Finanzwesen fortzuführen. Die organisatorische Leitung des Büros und der Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit oblag weiterhin Monika Morres. Auch Günther Böhm sowie Holger Deilke (technische Gestaltung des Azadî-infos) haben 2007 ihre Unterstützung von Azadî fortgesetzt.

Für Monika Morres entstanden im o.g. Zeitraum Lohnkosten in Höhe von 2.080,-- € zuzüglich 1.540,44 € Fahrtkosten = g e s a m t 3.620,44 €.
Für Jana entstanden Fahrtkosten bis Mai in Höhe von 101,70 €.
Die Höhe des Mietanteils betrug 1.800,-- €; die anteiligen Telefonkosten 438,97€.
In der Regel fanden wöchentliche Bürobesprechungen über aktuelle politische Ereignisse statt, insbesondere bezüglich neuer Repressionsfälle oder den Verlauf von Prozessen gegen kurdische Aktivisten. Die Bewertung von Entwicklungen in der Türkei oder die Haltung der kurdischen Bewegung waren Bestandteil der Diskussionen und Beschlussfassungen.

Zusammenarbeit mit der Roten Hilfe und Heyva Sor

Diese erfolgte problem- und konfliktlos. Unverändert erhielt Azadi von der RH monatlich 1.022,58 € und 800,-- € von HSK. Die Rote Hilfe hat zusätzliche finanzielle Unterstützung geleistet, z.B. im Falle von Aysel A., deren Verfahren in Sachen „Identitätskampagne“ von 2001 in allen gerichtlichen Instanzen negativ verlaufen war. Ihr Verteidiger hat im April eine Beschwerde an den Europ. Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht, die insbesondere auf den Aspekt der Meinungsfreiheit abstellt. Für diese Beschwerde wurde eine Anwaltsgebühr in Höhe von 1.100,-- € fällig, die die RH und Azadî mit jeweils 400,-- € unterstützt haben und YEK-KOM mit den restlichen 300.

Öffentlichkeitsarbeit

Es wurden 15 Pressemitteilungen herausgegeben.
Interviews mit dem Freien Radio Münster erfolgten im Januar, April und Mai.
In der junge welt-Beilage zum Internat. Tag d. polit. Gefangenen am 18.3. erschien auch ein Beitrag von Azadi.
In der jw-Ausgabe vom 21. Juli erschien ein Interview mit Rechtsanwalt Wächtler in Sachen Verhaftung/Inhaftierung/Freilassung und Auflagen von Haydar Isik, das Monika durchgeführt hatte.
In der Ausgabe des NeuenDeutschland vom 26. 4. erschien ein Interview mit Monika zu den Razzien gegen Kurden und ihre Einrichtungen.
Für die Infomappe des diesjährigen Kurdischen Kulturfestivals am 1.9. lieferte Azadî eine mehrseitige Chronologie der Kriminalisierungsfälle.

Es wurden 12 Ausgaben des Azadî-infodienstes herausgegeben; ab August-Heft neue Rubrik „Internationalismus“.

Wie in den zurückliegenden Jahren, wurden Beiträge von Azadi im Kurdistan-Report veröffentlicht.

Am 12. Juli nahmen je eine Vertreterin von Yek-kom und Azadî an einem Jugendsommer-Camp in Bielefeld, das von den Jugendorganisationen der PDS und WASG veranstaltet wurde, teil. Diskussionsthemen waren Migrationspolitik und Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden. Vermutlich wegen des schlechten Wetters und der Terminierung an einem Wochentag, war die Veranstaltung schlecht besucht und der zeitliche und finanzielle Aufwand unverhältnismäßig.

Ereignisse

10. Januar: Razzien in Baden-Württemberg; Festnahme von Ahmet Celik
29. Januar: Razzien in Bremen und Hannover
Anfang Februar: Razzien in Frankreich mit zahlreichen Festnahmen
April: RA reicht Beschwerde beim Europ. Gerichtshof für Menschenrechte ein in Sachen „Identitätskampagne“ (Recht auf Meinungsfreiheit)
17. April: Razzien insbes. in Köln – 40 Objekte
18. April: Razzien in Mittelfranken/Niederbayern – 35 Objekt
13. Juni: Wie die FAZ berichtet, soll das BKA lt. einem internen Lagebericht zu dem Schluss gekommen sein, dass die Stimmung der PKK-Anhänger gereizt sei und Anschläge nicht ausgeschlossen werden könnten. Diese stünden dann im Zusammenhang mit der Entscheidung des Europarats im Februar, dass eine Neuaufnahme des Prozesses gegen Abdullah Öcalan juristisch nicht notwendig sei. An dieser Entscheidung trage - laut Öcalan - die BRD ein hohes Maß an Mitschuld.
5. Juli: Razzien in Bayern, vornehml. München – 23 Objekte, 22 vorübergeh. Festnahmen.
In U-Haft genommen wurde der kurdische Schriftsteller Haydar Isik wg. angebl. PKK-Unterstützung.
26. Juli: Razzien in Hessen, insbes. Gießen/Marburg, ED-Behandlungen u.a. auch Ali Aktas, Vereinsvors. in Gießen. Begründung: Beschuldigte hätten eine Abstrafungsaktion gegen den Polizisten geplant, der im Juni 1994 Halim Dener in Hannover erschossen hatte, aber freigesprochen worden war.
August: Das Finanzamt III der Stadt Frankfurt/M. entzieht dem Mesopotamischen Kulturzentrum in Frankfurt die Gemeinnützigkeit, weil es „personelle und ideelle Verflechtungen“ zwischen dem Verein und „der Organisation YEK-KOM“ gebe, „welche durch ihre Verbindungen zum Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL), ehemals PKK“ als „verfassungsfeindlich“ einzustufen sei. Das PKK-Betätigungsverbot erstrecke sich „auch auf den KONGRA-GEL.“ Im Verein habe es zudem 2003 eine „Informationsveranstaltung mit Dikussionsrunde über den Stand der juristischen Bemühungen um die Haftbedingungen und die Freilassung des PKK-Mitbegründers Öcalan“ stattgefunden.
September: Azadî berichtet von zwei Fällen, in denen das Bundesamt Kurden mit Asylwiderruf droht wegen deren politischen Aktivitäten.
BAW erhebt §129a-Anklage gegen mutmaßlichen PKK-Funktionär Muharrem A. wegen Vorwürfe aus den Jahren 1993/94.
Oktober: 31.10. Prozesseröffnung gegen Muharrem A. vor dem Berliner Kammergericht.
November: 14. Jahrestag des PKK-Betätigungsverbots: Einreichung einer Petition von Yek-kom und Azadî an den Petitionsausschuss des Bundestages zur Aufhebung des Verbots.
Im info Nr. 60 erscheint ein Interview mit dem Verteidigung von Muzaffer Ayata über den Prozessverlauf. Außerdem hat Azadî den Vorsitzenden des KONGRA-GEL, Zübeyir Aydar, interviewt zu den in allen §129-Verfahren erhobenen Anklagepunkten Internes Strafsystem, Spendengelderpressungen und Schleusungen von Personen nach Deutschland sowie der zentralen Frage, ob es sich bei Kongra-Gel um die Nachfolgeorganisation der PKK handelt, ob es also rechtens ist, Kongra-Gel in das PKK-Verbot mit einzubeziehen.
Dezember: Die türkischsprachige Tageszeitung schreibt in ihrer Ausgabe vom 7. Dezember, dass die Türkei die Auslieferung von Muzaffer Ayata (§129-Angeklagter vor OLG Frankfurt) beantragt habe.
5.12.: Großrazzia in 13 Städten gegen türkische Linke (TKP/ML)
Unter dem Motto „Êdi bes e – es reicht: Schluss mit Krieg und Vernichtung“ demonstrieren in zahlreichen Städten Kurden gegen grenzüberschreitende Angriffe der türkischen Armee auf Südkurdistan/Nordirak.
9.12. : geplante Demo in Berlin wurde nicht genehmigt.
14.12.: Razzia in vier Wohnungen von Kurden in Leipzig. Beschlagnahmt wurden Bustickets für die Düsseldorfer Demo, Computer, Zeitschriften, Notizbücher.
Europaweite Demonstration fand am 15.12. in Düsseldorf statt. Auf der Schlusskundgebung sprachen der Vorsitzende der DTP, Nurettin Demirtas und die NRW –Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Inge Höger.

Vergaberat/Unterstützungsfälle

Azadî hat 2007 finanzielle Unterstützungen in einer Gesamthöhe von
11.765, 81 € geleistet, dem ein RH-Beitrag in Höhe von 9.203,22 € gegenüber stand. Es wurden insgesamt 56 Anträge bearbeitet. Wie in den Vorjahren handelte es sich bei den Finanzanträgen insbesondere um Betreuungskosten für Gefangene in Form von Büchern, CDs oder Zeitungsabos, um Verfahren wegen Verstößen gegen das Vereinsgesetz (Parolenrufen, Spenden und Spenden sammeln als Unterstützungshandlung für die verbotene PKK/KONGRA-GEL), Einbürgerungsverweigerungen wg. politischer Betätigung, Asylwiderrufe oder Beteiligung an Gerichts- und Anwaltskosten.

Gefangene

Im Berichtszeitraum schwankte die Zahl der Gefangenen zwischen 4 und 7. Seit Mai läuft der § 129-Prozess gegen Muzaffer Ayata vor dem OLG Frankfurt/M. Das Problem beim OLG Frankfurt besteht darin, dass dieses Gericht nur einen Pflichtverteidiger zulässt. Deshalb wurde auch ein Wahlverteidiger bestellt.
Verurteilt wurde Riza E. am 2. Juli vom OLG Düsseldorf zu 2 Jahren und 9 Mon. nach § 129. Das Verfahren wurde von Azadi beobachtend begleitet.
Hasan K., der am 12. 6. 2006 von Österreich an die BRD ausgeliefert wurde, wurde am 16. 1. vom OLG Frankfurt zu 2 Jahren und 3 Monaten nach § 129a verurteilt (für die Jahre 1993/94) und am 10.7. nach Frankreich entlassen.
Ahmet C., am 10.1. in Stuttgart (Razzien) verhaftet, wurde am 10.7., vom LG Stuttgart wg. Verstoßes gegen das Vereinsgesetz (Spendensammeln und Betätigung zugunsten der PKK/KONGRA-GEL) zu 8 Monaten verurteilt und mit einer Bewährungszeit von 3 Jahren am gleichen Tag entlassen.
Ridvan C. wurde am 12. 7. in Berlin festgenommen und später von der JVA Berlin nach Stuttgart-Stammheim in U-Haft verlegt. Ihm wird Verstoß gegen das Vereinsgesetz vorgeworfen.
Haydar I., der im Zuge von Vereins- und Wohnungsdurchsuchungen am 5.7. in München festgenommen wurde, konnte am 17.7. unter umfangreichen Auflagen wieder entlassen werden. Aufgrund der Initiativen seines Verteidigers wurden diese Auflagen zurückgenommen. (s. Interview mit RA Dr. Wächtler in der jungen welt).
Sakine C., die am 19.3. in Hamburg in Auslieferungshaft genommen worden war, wurde am 25. 4. wieder freigelassen wg. unzureichend vorgelegter Unterlagen aus der Türkei an das zuständige Hanseatische OLG.
Mehmet T., der am 2.9.2006 in Auslieferungshaft genommen wurde, konnte aus denselben Gründen wie vorgenannt, am 12. 1. wieder auf freien Fuß kommen.
Muharrem A., hat sich nach Aussage der Bundesanwaltschaft am 7.3. selbst den Behörden gestellt. Ihm wurde Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, § 129a, vorgeworfen (Zeitraum 1993/94). Er befindet sich in U-Haft. Anklageerhebung der BAW am 11.9. vor Staatsschutzsenat des Kammergerichts Berlin erhoben; der Prozess wurde am 31.10. eröffnet.
Gegen Muzaffer A., der am 8.8.2006 festgenommen worden war, wurde am 24. Mai der Prozess nach §129 vor dem OLG Frankfurt eröffnet. Es scheint, als wolle sich die BAW auf einen bestimmten Passus des § 129 konzentrieren, der das Thema „Schleusungen“ zum Inhalt hat und einen größeren Strafrahmen erlauben würde. Es ist nicht abzusehen, wie lange sich das Verfahren hinziehen wird. Im infodienst 59 (Oktober) erschien ein Interview mit dem Verteidiger, RA Wolfgang Kronauer zum Stand des Prozesses gegen den Politiker.

Naile B., Bünyamin S., Fedrettin D. und Nuray B. wurden am 17.3. in Hamburg verhaftet, am 5. 9. zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Jahren Bewährung verurteilt und nach Urteilsverkündung aus der Haft entlassen.

Von Januar bis einschl. Oktober wurde insgesamt ein Betrag von 6.386,-- € an Gefangene für Einkauf ausgezahlt.

Fördermitgliedschaften

Es konnten leider keine neuen Fördermitglieder gewonnen werden.

Perspektiven 2008:

Das zu Ende gehende 2007 war insbesondere in der ersten Jahreshälfte geprägt von mehreren Großrazzien, bei denen im Vordergrund die Suche nach Spendenquittungen und den üblichen „Beweisen“ im Rahmen des Betätigungsverbotes standen. Es muss davon ausgegangen werden, dass diese oder ähnliche Repressionsmaßnahmen auch im nächsten Jahr weitergehen werden.
Anlässlich des 14. Jahres des PKK-Betätigungsverbots haben Azadî und Yek-kom mit Unterstützung der Internationalen Liga für Menschenrechte und des Republikanischen Anwälte- und Anwältinnenvereins eine Petition mit der Forderung einer Verbotsaufhebung beim Petitionsausschuss des Bundestages eingereicht.
Abzuwarten bleibt darüber hinaus, wie und ob sich die weiter geplanten Grundrechtsverschärfungen auf Kurdinnen und Kurden auswirken werde. Genannt sei die Online-Überwachung, die allerdings schon in den Fällen von §129-Verfahren angewandt wird, z.B. bezüglich e-mail-Kommunikation, aber auch der Telefon-Überwachung.
Es bleibt zudem abzuwarten, wie sich die zunehmend aggressiver werdende antikurdische Politik und Hetze in der Türkei entwickelt, auch im Hinblick von angedrohten grenzüberschreitenden Militäroperationen der türkischen Armee gegen die kurdische Guerilla. Es ist wahrscheinlich, dass im Falle einer Eskalation der Situation auch mit Reaktionen der kurdischen Bevölkerung in Deutschland zu rechnen sein wird.

31. Dezember 2007
Monika Morres

 

 


 
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