8.Januar 2009
Kein Kotau – keine Freiheit
GBA und OLG Frankfurt/M. gegen Aufhebung des Haftbefehls von Muzaffer Ayata
Wie wir in unserem Dezember-infodienst berichtet hatten, endete die Revision im Rahmen des Verfahrens gegen den kurdischen Politikers Muzaffer Ayata mit einer teilweise erfolgreichen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), die zur Folge hat, dass der Fall neu verhandelt werden muss. Weil Ayata zu diesem Zeitpunkt zwei Drittel seiner Freiheitsstrafe verbüßt hatte, beantragte die Verteidigung von Ayata die Aufhebung Haftbefehls ihres Mandanten. Nachdem der Generalbundesanwalt beim BGH den Antrag als unbegründet zurückwies, folgte der 4. Strafsenat des OLG Frankfurt/M. am 29. Dezember 2008 dieser Entscheidung. Danach soll die seit dem 8. 8. 2006 bestehende Untersuchungshaft des Kurden fortdauern. Er war am 10. April 2008 vom 5. Staatsschutzsenat des OLG Frankfurt/M. wegen behaupteter „Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung“ (§ 129 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden.
Kein Recht auf Freiheit wegen politischer Erklärung zur kurdischen Frage
Die Revisionsrichter behaupten in ihrer Begründung, bei dem Angeklagten bestünde „weiterhin Fluchtgefahr“, weil er „keine ausreichenden fluchthemmenden familiären oder vergleichbar engen sozialen und beruflichen Bindungen außerhalb der Organisation der PKK“ nachweisen könne. Er verfüge immer noch über die „logistischen Möglichkeiten und Kontakte“, um „eine Flucht zu organisieren.“
Insbesondere wird Ayata, der bereits zwei Jahrzehnte in türkischen Gefängnissen inhaftiert war, vorgeworfen, dass bei ihm eine „Distanzierung von den Zielen und Vorgehensweisen der […] PKK bislang nicht zu erkennen“ sei. Das sei auch dadurch deutlich geworden, „dass der Angeklagte zu Beginn der Hauptverhandlung im Rahmen seiner Einlassung über mehrere Sitzungstage politische Erklärungen zur kurdischen Frage verlesen“ habe (!!!!).
Freilassung von Muzaffer Ayata gefährdet „Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit“
Darüber hinaus bestehe die „begründete Gefahr, dass der Angeklagte sich ohne Flucht ins Ausland im Inland verborgen halten und damit auf diese Weise dem Strafverfahren entziehen“ würde.
Die Richter unterstellen in ihrer Begründung dem Kurden ferner, dass dieser wegen seiner „politischen Einstellung […] alles daran setzen“ werde, „einer endgültigen, der Rechtskraft fähigen Verurteilung zu entgehen.“
Eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung sei laut Richtergremium „nicht zu erwarten“, weil dem „Angeklagten im Hinblick auf seine fortbestehende Einbindung in die Organisation der PKK derzeit keine günstige Sozialprognose gestellt werden“ könne und „damit einer Entlassung die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit“ entgegenstünden.
Gegen diese hanebüchenen Entscheidungsgründe, deren politischer Charakter hier deutlich zum Ausdruck kommt, hat die Verteidigung Beschwerde eingelegt
Nicht unerwähnt lassen wollen wir nachstehende Fakten:
Den 4. (und 5.) Strafsenat, der zu Hochzeiten der RAF-Verfolgung eingerichtet wurde, gibt es heute nur noch fiktiv, d.h., er ist aufgelöst worden und wird nur noch in BGH-Revisionsfällen wieder belebt und setzt sich aus Zivilrechtlern zusammen.
Ausgerechnet dieser Senat nun soll für das neu zu verhandelnde Verfahren nach der BGH-Revisionsentscheidung zuständig sein.
Es darf erwartet werden, dass die Verteidigung in diesem Fall einen Antrag auf Befangenheit stellen wird.