AZADI  RECHTSHILFEFONDS
für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V.

Pressemitteilung

 

 

22. Juni 2010

 

Verfassungsschutzbericht 2009:
Das jÄhrliche Kriminalisierungsspektakel eines ÜberflÜssigen Apparats

Unter der Rubrik „Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebung von Ausländern“ findet sich im Verfassungs“schutz“bericht 2009 auch die Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK). Danach dürfen sich seit Jahren exakt 11.500 Personen als Mitglieder/Anhänger bezeichnen lassen – wie zählen sie das bloß? Umstandslos werden alle aus der PKK hervorgegangenen Organisationen Kadek, Kongra-Gel, KKK oder KCK ohne nähere Erläuterung unter das PKK-Verbot subsumiert. Es wird von öffentlichen politischen, kulturellen und sportlichen Veranstaltungen berichtet und festgestellt, dass YEK-KOM, die Föderation der kurdischen Vereine, im Austausch steht mit der CDK, der „Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft in Europa“. Es folgt eine Aufzählung verschiedener kurdischer Organisationen, von denen einige nicht mehr existieren.
Im Fokus des staatlichen Interesses stehen unverändert die kurdischen Medien – sei es die Tageszeitung Yeni Özgür Politika, der kurdische Fernsehsender ROJ TV oder die kurdische Nachrichtenagentur ANF (Firat News Agency), denen vorgeworfen wird, Propaganda für die PKK zu betreiben, Anhänger zu gewinnen, zu mobilisieren und sich durch ihre Arbeit gegen den „Gedanken der Völkerverständigung“ zu richten. Eine grobe Unverfrorenheit in Anbetracht des weltweiten militärischen Einsatzes deutscher Soldaten und Waffen! So ist Deutschland in allen nationalen und internationalen Statistiken zu Rüstungsexporten auf den vordersten Plätzen zu finden. Das gilt auch für den Lieferumfang von Waffen und Kriegsgerät an den NATO-Partner Türkei, die die türkische Armee aktuell in ihren Militäroperationen gegen die Kurden einsetzt.
Wer also verstößt hier gegen die „Völkerverständigung“?

Wie drückte es Till Müller-Heidelberg, Herausgeber des „Grundrechte-Reports 2010“, bei der Vorstellung des Berichts am 20. Mai aus? Nicht durch den Rechts- oder Linksextremismus sei die Demokratie gefährdet, sondern durch die Exekutive selbst.

Hat eigentlich irgendwann einmal jemand danach gefragt, wie viele Kosten die bundesdeutschen Geheimapparate in nur einem Jahr verursachen? Wie viele Beamte, und Angestellte sich damit beschäftigen, „linksextremistische“ Gruppen auszuspähen, angeblich entlarvende und öffentlich zugängliche Informationen, Zeitungen, Zeitschriften, Flugblätter und Pressemitteilungen zu lesen, um sich ihr Bild vom „Bösen“ zurechtzubiegen? Und was ausgegeben wird für die technische Ausstattung des Wühlens im geheimdienstlichen Untersumpf? Wer trägt die Verantwortung für die alljährlich von hoch bezahlten Ministern und Repressionspräsidenten amtlich herbeischwadronierten „Feinde der inneren Sicherheit“? Wer ist verantwortlich dafür, dass Geheimdienstapparate jahrelang Menschen auf bloßen Verdacht hin ausspionieren und sich hierbei offenbar der politischen Rückendeckung sicher sein können? Welche Rolle spielt das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG), das angeblich die Geheimdienste kontrollieren soll, wenn es Observierungsersuchen der Bundesregierung/des Bundesinnenministers gegen Personen oder Gruppen abnickt? So hat in einem Streitverfahren gegen die Rechtmäßigkeit einer Überwachungsmaßnahme nach dem G 10-Gesetz das zuständige Verwaltungsgericht die Feststellung getroffen, dass die Anordnungsbegründung des Innenministeriums „den Anschein eines Textbausteins“ erwecke und „nicht im Ansatz erkennbar“ gewesen sei, dass „auf den Einzelfall abgestellt“ worden sei. Wo also war und ist die Kontrolle?

In diesem ganzen Kriminalisierungsspektakel geht es aber weder um Völkerverständigung noch um die so genannte Innere Sicherheit oder gar den Schutz von Verfassung und Demokratie. Es geht einzig um die Sicherung von Macht, um Kontrollausübung, um die radikale Verfolgung wirtschaftlicher und militärischer Interessen und das Eingebundensein in ein internationales Netz, das weltweit Kriege zu diesem Zwecke führt. Wer sich gegen diese zerstörerische und zutiefst unmenschliche Politik zur Wehr setzt, wird zum Staatsfeind erklärt.

 

 

 


 
AZADI Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden e.V., Hansaring 82, 50670 Köln 
Tel.: 0221-16 79 39 45 • 0174
/ 65 98 967 • E-Mail: azadi@t-online.de 
Bankverbindung