18. August 2011
23. August:
Erstes Verfahren gegen kurdischen Aktivisten nach § 129b StGB
Am 23. August wird in einem Revisionsverfahren vor dem 4. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt/M. gegen den kurdischen Aktivisten Vakuf M. neu verhandelt. Dieses Verfahren findet vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 28. Oktober 2010 statt, nach der die Strafverfolgung nach § 129b StGB auch auf die PKK, deren Teilorganisationen bzw. auf die aus ihr hervorgegangenen Organisationen angewendet werden soll. Mit diesem Urteil hat der BGH die bisherige Rechtsprechung, nach der mutmaßliche Funktionäre der PKK als Mitglieder einer (eigenständigen) inländischen „kriminellen Vereinigung“ (§ 129 StGB) eingestuft werden, verworfen.
Deshalb ist das Verfahren an das OLG zurückverwiesen worden. Der Revisionssenat wird nun zu entscheiden haben, ob der angeklagte Vakuf M. wegen Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung im Ausland" (§ 129b StGB in Verbindung mit 129a Abs. 1 StGB) zu verurteilen ist.
Herr Vakuf M. war vom OLG Frankfurt/M. am 1. Dezember 2009 erstinstanzlich nach § 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 10 Monaten verurteilt worden. Das Gericht hatte es als erwiesen angesehen, dass sich der Kurde zwischen Juli 2004 und März 2008 in verschiedenen Regionen Deutschlands als PKK-Gebietsverantwortlicher betätigt habe. Gegen das Urteil war Revision eingelegt worden. Der BGH hat diese Rechtsprechung kritisiert, weil das OLG bei der Sachverhaltsermittlung die "nunmehr maßgeblichen Gesichtspunkte nicht im Blick gehabt" habe. Nämlich, dass Funktionäre der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen als „unselbstständiger Teil der Auslandsorganisation“ einzustufen seien.
Das Bundesjustizministerium hat, basierend auf der BGH-Entscheidung im Falle von Herrn M. am 19. April 2011 eine Einzelermächtigung zur Strafverfolgung nach § 129b StGB erteilt.
In diesem Strafverfahren wie auch in vereins-, verwaltungs- oder ausländerrechtlichen Verfahren gegen Kurdinnen und Kurden fehlt nicht der Verweis auf die Listung der PKK auf der so genannten EU-Terrorliste. Dieser Fakt ist für die (Justiz-)Behörden von erheblichem Belang, können sie auf diese Weise doch die Verbotspraxis weiterhin rechtfertigen und diesen Teil der in Deutschland lebenden Bevölkerung als „Gefährder der inneren Sicherheit“ stigmatisieren und aus der Gesellschaft ausgrenzen.
Es wird deshalb in dem Verfahren von Herrn M. um die zentrale Frage gehen, ob die vom Rat der EU am 2. Mai 2002 auf die EU-Terrorliste gesetzte PKK und der aus ihr hervorgegangenen Organisationen KADEK (Kongress für Frieden und Demokratie in Kurdistan) und KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans) tatsächlich als "terroristische" Vereinigungen zu werten sind. Zudem werden die völkerrechtlichen Aspekte des türkisch-kurdischen Konflikts und dessen strafrechtliche Bewertung von Bedeutung sein: Handelt es sich um einen Krieg oder einen Bürgerkrieg im völkerrechtlichen Sinne?
Der Prozess findet statt
am Dienstag, den 23. August 2011, 10.00 Uhr
Oberlandesgericht, Saal 19, Gebäude E
Hammelgasse 1 in Frankfurt/M.
P.S. Hier finden Sie Hintergrundinformationen.