25. November 2011
Verboten ist verboten ist verboten
Berliner BehÖrden verbieten Demo gegen Verbotspolitik
Als „unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ bestätigte das Verwaltungsgericht (VG) Berlin am 22. November die Entscheidung des Polizeipräsidenten, der eine für den 26. November von der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland, YEK-KOM, angemeldete Großdemonstration mit etwa 10000 TeilnehmerInnen verboten hatte. Mit ihr sollte unter dem Motto „Demokratie stärken, PKK-Verbot aufheben, Freiheit für A. Öcalan und Frieden in Kurdistan“ daran erinnert werden, dass an diesem Tag des Jahres 1993 der damalige CDU-Innenminister Manfred Kanther das PKK-Verbot erlassen hat.
Seit dieser Zeit wenden Polizei, Staatsanwälte, Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz und ihre Landesämter, Ausländerbehörden und sämtliche juristische Instanzen die ihnen zur Verfügung stehende Mittel an, um Kurdinnen und Kurden in Deutschland zu bekämpfen. Weit über 100 Kurden sind nach den Paragraphen 129 oder 129a Strafgesetzbuch als mutmaßliche Mitglieder einer „kriminellen“ oder „terroristischen“ Vereinigung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom Oktober letzten Jahres wurde die Situation für politisch aktive Kurdinnen und Kurden in Deutschland wesentlich verschärft. Danach können politisch Aktive als Mitglieder oder Unterstützer einer „ausländischen terroristischen“ Vereinigung (§ 129b StGB) strafverfolgt werden. Das Bundesjustizministerium hat hierzu Anfang September eine generelle Ermächtigung erteilt. Inzwischen befinden sich zwei Kurden wegen dieses Vorwurfs in Untersuchungshaft; gegen einen weiteren Aktivisten wird in einem Revisionsverfahren seit Ende August vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/M. verhandelt.
Kriminalisierung bedeutet(e) für Kurden aber auch:Tausende Verfahren und Verurteilungen nach dem Vereinsgesetz wegen des Zeigens von Fahnen und Symbolen, des Rufens von Parolen oder des Sammelns von Spenden, Verweigerung von Aufenthaltserlaubnissen oder Einbürgerungen und Widerrufen von Asylanerkennungen.
Die politisch Verantwortlichen in Deutschland haben sich eindeutig positioniert. Mit ihrer Repressionspolitik unterstützen sie den türkischen Staat, der seinen Krieg gegen die kurdische Zivilgesellschaft und ihre Institutionen sowie die kurdische Bewegung eskaliert. So sind erst vor wenigen Tagen mehr als hundert Personen festgenommen worden, darunter 70 Anwältinnen und Anwälte. Über 4 000 Menschen, darunter Kinder und Jugendliche, befinden sich in Haft und werden der Unterstützung der PKK bzw, der KCK beschuldigt.
Und während der türkische Ministerpräsident Erdogan mit einer „totalen“ Bekämpfung der Opposition droht, zeigen sich deutsche Politiker wie Außenminister Guido Westerwelle als willfährige Handlanger dieser Politik. Auch für ihn ist der türkisch-kurdische Konflikt eine Frage des „Terrorismus“ der PKK.
Zurück zur Begründung des VG Berlin:
Die Richter der 1. Kammer erläutern in ihrer Entscheidung, der Begriff der „unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ umfasse die
„Unverletzlichkeit zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen“, weshalb das Versammlungsverbot der Polizeibehörde nicht zu beanstanden sei.
Zehn Morde durch Nazi-Terror, 182 Opfer rechter und rassistischer Gewalt, Angriffe auf Parteibüros oder AntifaschistInnen, faschistische Demonstrationen mit eindeutigen Parolen und Transparenten seit Jahren. Nichts gesehen, nichts gewusst, keine Handhabe? Rechter Terrorismus? Keine Anzeichen, hieß es noch im letzten Jahresbericht des Verfassungsschutzes. Es ist nicht Unfähigkeit oder Versagen bundesdeutscher Politik, sondern offenen Auges rechte Gesinnung zu verharmlosen, zu ignorieren oder gar direkt zu unterstützen – wie nun offenbar geworden ist. Die gleiche Haltung wird auch hinsichtlich der Toleranz gegenüber in Deutschland aktiven türkischen Faschisten („Graue Wölfe“) und Organisationen sichtbar, die ihre gegen Kurden gerichteten Aktivitäten in den vergangenen Monaten verstärkt haben.
18 Jahre Kurdenverfolgung in Deutschland hingegen hat allen Bundesregierungen und Strafverfolgungsbehörden nicht die geringsten Schwierigkeiten bereitet!
Eine solche Politik mit zweierlei Maß verdient Kritik und Widerstand!
AZADÎ e.V., Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland