28. August 2015
Gericht verteidigt Gewaltmonopol eines MÖrderstaates
Mehmet Demir als „hochrangiger Kader der PKK“
zu drei Jahren Haft verurteilt
Am 28.8. 2015 wurde der kurdische Politiker Mehmet Demir in einem 129b-Verfahren wegen „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ von der 3. Kammer des Oberlandesgerichts Hamburg zu drei Jahren Haft verurteilt. Eines davon hat er schon im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis verbracht.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Mehmet Demir zwischen Januar 2013 und Juli 2013„hochrangiger Kader“ der PKK im „Gebiet Mitte“ sowie im Anschluss daran bis Juli 2014 im „Gebiet Nord“ gewesen sei.
Dezidiert zählte der Richter alle bewaffneten Aktionen der PKK im Anklagezeitraum auf dem Staatsgebiet der Türkei auf. Obwohl er alle diese Aktionen in Zusammenhang mit der Errichtung von Militärstationen im türkisch besetzten Teil Kurdistans setzte, wurden sie zur Begründung herangezogen, um Mehmet Demir zu verurteilen. Das Ziel der PKK sei „Mord und Totschlag“.
Die Behauptung, der Beschuldigte sei ein „hochrangiger Kader“ wurde u.a. daran festgemacht, dass er das Newrozfest 2013 sowie das kurdische Kulturfest in Dortmund im September 2013 mitorganisiert habe. Außerdem sei er zur Konfliktschlichtung zwischen verfeindeten kurdisch-ezidischen Familien nach Bielefeld gerufen worden. Obwohl der Richter erklärte, das Gericht sehe es als erwiesen an, dass der türkische Staat Waffen an Al Qaida geliefert habe und ein Agent des türkischen Geheimdienstes MIT u.a. die kurdische Politikerin Sakine Cansiz am 9. Januar 2013 in Paris ermordet sowie mit übermäßiger Härte Menschenrechtsverletzungen gegen Kurden und Oppositionelle begangen habe, habe die PKK nicht das Recht, gegen Einrichtungen des Militärs und der Polizei vorzugehen.
Gegen die PKK zu ermitteln sei eine politische Entscheidung des Justizministeriums.
Schon im Verlauf des Verfahrens waren von den zuständigen Richtern nahezu sämtliche Anträge der Verteidigung abgelehnt worden. Durch die exzessive Anwendung des sogenannten Selbstleseverfahrens wurde die Verteidigung in ihrer Dynamik beschränkt. Unzählige Akten wurden nur von den Verfahrensbeteiligten gelesen, nicht aber im Prozess behandelt. Die Verteidigung hatte auch gefordert, dass das Gericht dafür wirken solle, dass die Verfolgungsermächtigung gemäß §129b gegen vermeintliche Kader der PKK vom Justizministerium zurückgenommen wird. Das wurde abgelehnt, wäre aber der Schlüssel für eine Wende in der Politik der Bundesregierung gegenüber den Kurdinnen und Kurden.
Diese Woche nahm die Polizei in Bonn zudem den 56-jährigen Bedrettin K., ebenfalls wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung im Ausland" (§ 129b StGB), fest. Er war bereits 22 Jahre in türkischen Gefängnissen, unter anderem im berüchtigten Foltergefängnis von Diyarbakir, inhaftiert und hat ein Herzleiden.
Etwa 40 Personen waren zur Urteilsverkündung gekommen, um ihre Solidarität mit Mehmet Demir zum Ausdruck zu bringen. Eine kurdische Prozessbesucherin zeigte sich nach dem Urteil erschüttert. Die PKK sei die einzige Kraft, die gegen den IS kämpft, erklärte sie, Terror übe der türkische Staat aus, der allein gestern in den kurdischen Gebieten drei Kinder erschossen habe.
„Wir Kurden dürfen ja nicht einmal ein Fest feiern, ohne als Terroristen angesehen zu werden. Nur der türkische Staat hat das Recht zu töten. Wenn wir uns gegen die Besatzung wehren, werden wir als Terroristen verurteilt.“