8. Januar 2016
BAW erhebt Anklage nach § 129b StGB gegen Ahmet C.
Die Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen den kurdischen Aktivisten beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf erhoben. Sie beschuldigt ihn der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ (§ 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB). Als „hauptamtlicher Kader“ habe er von Juni 2013 bis Juni 2014 den PKK-Sektor „Mitte“ (Köln, Düsseldorf, Bonn u.a.) verantwortlich geleitet. Diese Tätigkeit sei in Kenntnis der „Ziele, Programmatik und Methoden“ der PKK ausgeübt worden.
Seine Aufgaben hätten darin bestanden, die Durchführung von Veranstaltungen, Demonstrationen oder Kundgebungen angeordnet und organisiert, Arbeitsberichte angefordert, Kontakt zu seinen Kolleg*innen gepflegt und die Europaführung in Belgien über Aktivitäten in seinem Sektor informiert zu haben. Der 50-Jährige war außerdem mehrere Jahre lang Vorsitzender des Dachverbandes kurdischer Vereine in Deutschland, YEK-KOM (heute NAV-DEM).
Die Aktivitäten von Ahmet C., die anmuten wie normale Tätigkeiten eines Parteipolitikers, werden als „terroristische Unterstützungshandlungen“ diffamiert und strafverfolgt, weil Politik und Justiz die PKK seit 22 Jahren als „kriminelle“ oder „terroristische“ Organisation einstufen.
Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) im Oktober 2010 entschieden hatte, auch die PKK nach dem 2002 eingeführten § 129b strafrechtlich zu verfolgen, wurden nur wenige Monate später die ersten kurdischen Aktivisten verhaftet und verurteilt. Am 6. September 2011 dann erteilte das Bundesjustizministerium eine generelle Ermächtigung zur Verfolgung zurückliegender und künftiger „Taten“ der Europaführung der PKK, der Deutschland-Verantwortlichen sowie der Leiter für die Sektoren und Gebiete der PKK, soweit ein Bezug zu Deutschland besteht (§129b As. 1 Satz 2 StGB).
Das befugt die Behörden, gegen die Betroffenen alle Mittel der geheimdienstlichen Observationsmethoden anzuwenden – von einer umfassenden Telefonüberwachung, der Auswertung von SMS bis hin zum Einsatz von IMSI-Catchern.
Ahmet C., der am 18. Juli dieses Jahres verhaftet wurde, stand wegen seiner politischen Aktivitäten schon einmal vor Gericht. Im Juli vor acht Jahren hatte ihn das Landgericht Stuttgart wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten zur Bewährung verurteilt. Was seinerzeit noch als Zuwiderhandlung gegen das vereinsrechtliche Verbot galt (Leitung eines PKK-Sektors), wird heute als „Terrorismus“ angeklagt.
AZADÎ hält diese kurdenfeindliche, aber türkeifreundliche Haltung für verwerflich, weil die Bundesregierung - wie ihre Vorgängerinnen auch - allein aus politischen Opportunitätserwägungen heraus einen Teil der hier lebenden Bevölkerung kriminalisiert und ausgrenzt. Bezogen auf die aktuelle politische Lage im Mittleren Osten ist es nicht länger hinnehmbar, dass die einen Kurden im Kampf gegen den IS mit deutschen Waffen beliefert und von deutschen Soldaten ausgebildet werden und die anderen Kurden des Terrorismus bezichtigt werden, obgleich sie es sind, die diesen Widerstand bereits seit vielen Monaten leisten.
AZADÎ bleibt dabei:
Das PKK-Betätigungsverbot muss aufgehoben,
alle Verfahren beendet und
die politischen Gefangenen freigelassen werden.