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Die sogenannte Neue Rechte entstand in vielen Ländern als Reaktion auf die sozialen Bewegungen Ende der 60er Jahre: antiautoritäre und/oder neomarxistische Studierendenbewegungen, neue Frauenbewegung, internationalistischer Protest gegen den Vietnamkrieg, Protest gegen die Notstandsgesetze (BRD), Massenstreiks mit weitgehenden sozialen Forderungen (Frankreich), Bürgerrechtsbewegungen für die Rechte von Schwarzen und Homosexuellen (USA). In dieser für die Rechte äußerst deprimierenden Zeit begannen einige ihrer Intellektuellen die Erfolge der ‘Neuen Linken’ zu analysieren und eine Strategie zu entwickeln, durch welche die Bedeutungslosigkeit der Rechten überwunden werden sollte. Dabei wurde u.a. auf Antonio Gramsci, einen sozialistischen Theoretiker aus Italien zurückgegriffen, der unter der Herrschaft der Faschisten im Gefängnis starb, und sich ausgiebig mit der Frage beschäftigt hatte, wie es zur Herrschaft der Faschisten und zur Niederlage der Linken in Europa hatte kommen können. Sehr verkürzt gesagt, fand er die Antwort in der ‘kulturellen Hegemonie’ welche die Faschisten, vor der Machtergreifung erlangen konnten, das heißt, sie konnten ihre Konzepte (Werte, Normalitätsvorstellungen usw.) in den Köpfen der Menschen verankern, was die entscheidende Vorbedingung der Machtergreifung war. Dieser Gedanke Gramscis wurde nun - von seiner weiteren Gesellschaftstheorie abgetrennt - von den neurechten Intellektuellenzirkeln aufgegriffen und führte sie zu der Überzeugung, daß ihre Inhalte in modernerem Gewandt als bisher der Fall präsentiert werden müssen. Das Makel der ‘ewig Gestrigen’ soll abgeschüttelt werden, und zu diesem Zweck wird beispielsweise die Leugnung des Holocaust aufgegeben, um gleichzeitig an seiner Relativierung zu arbeiten. Weiterhin wird nach neuen Begriffen für die alten Inhalte gesucht, die für anschlußfähig in gesellschaftlichen Diskursen gehalten werden - so heißt z.B. Rassismus plötzlich Ethnopluralismus. Schließlich wird verstärkt auf rechtsextreme Theoriekonzepte aus der vorfaschistischen Ära zurückgegriffen - in Deutschland auf die sog. ‘Konservative Revolution’ der Weimarer Republik (Ernst Jünger, Oswald Spengler u.v.a.) oder in Frankreich auf die sog. ‘Action Francaise’ - die zwar zurecht als geistige Wegbereiter des Faschismus gelten, was von den neurechten StrategInnen im Zweifelsfall aber als ‘Mißbrauch’ abgetan wird. Um es noch einmal klipp und klar zu sagen: Die ‘Neue Rechte’ vertritt die gleichen Inhalte wie die alte Rechte, ein je nach Gruppierung unterschiedlich ausgeprägtes Gemisch aus Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus, Sexismus und Autoritarismus. Also altbekannte, unschöne ‘-ismen’ in neuem Outfit, das dazu dient, sie in den Köpfen der Gesellschaft und vor allem denen der gesellschaftlichen EntscheidungsträgerInnen zu verankern. Das
Original: Die Nouvelle Droite in Frankreich
Der Geburtsort der Neuen Rechten, die mittlerweile in allen westlichen Staaten mehr oder weniger stark ausgeprägt ist, ist Frankreich. In diesem von der Revolte am stärksten getroffen Land (Mai 68 ...) bildeten sich zuerst neurechte Zirkel - in der französischen Tradition der politischen Clubs - die im Hintergrund der offiziellen Politik ihren Kulturkampf gegen linke und liberale Positionen aufnahmen. Die bedeutendste Organisation in diesem Zusammenhang stellt die sogenannte GRECE (Groupement de recherche et d’études pour la civilisation européenne) mit ihrem Chefideologen Alain de Benoist dar. Ende der 70er Jahre konnte die ‘Nouvelle Droite’ erste Erfolge verbuchen, Benoist wurde mit einem Publizistenpreis geehrt und das Figaro Magazine, das zur gleichnamigen konservativen Tageszeitung gehört, begann sich AutorInnen der Neuen Rechten zu öffnen. Die Eskalation des weitgehend rassistischen Diskurses über Einwanderung und die damit einhergehende Welle der Gewalt ist in Frankreich, wie auch in Deutschland und anderen Ländern, zu einem guten Teil auf die StichwortgeberInnen der Neuen Rechten zurückzuführen. Denn die neurechten Zirkel unterhalten nicht nur vielfache Beziehungen zu militanten NeofaschistInnen, sondern streben seit Anfang der 80er Jahre vermehrt eine Zusammenarbeit mit den etablierten Konservativen und der neofaschistischen Front National von Le Pen an, die mittlerweile bei Wahlen regelmäßig mehr als 10% einfährt. Ethnopluralismus:
Ein Beispiel für neurechte ‘Theoriebildung’
Benoist war es auch, der ein entscheidendes ‘theoretisches’ Konzept der Neuen Rechten, den sogenannten ‘Ethnopluralismus’, ausgetüftelt hat. Dahinter verbirgt sich nichts weiter als die uralte rassistische These, es grundsätzlich verschiedene ‘Völker’ gibt, welche die Identität der ihnen angehörenden Individuen unhintergehbar festlegt, so daß eine Vermischung dieser ‘Völker’ unbedingt zu vermeiden ist. Die Konsequenz daraus ist, daß jedes Volk sich auf ‘seinem angestammten Territorium’, was ja letztendlich nichts anderes als das Ergebnis machtpolitisch bestimmter Kriege ist, auszubreiten und sozusagen inzestuös fortzuentwickeln habe. Im Faschismus hieß dieses Konzept ‘Blut und Boden’und in den schlichten Worten von Schönhuber heißt so etwas heute ‘die Türkei den Türken aber Deutschland den Deutschen’. Interessant ist allerdings die Wortwahl von Benoist, der sich darüber im Klaren ist, daß der klassische Rassismus sowohl wissenschaftlich widerlegt als auch politisch diskreditiert ist. Er argumentiert nämlich nicht mehr mit biologistischen Begriffen wie Rasse und Volk, sondern mit Ethnien und Kulturen, Konzepte die also auch in der Wissenschaft Verwendung finden. Zwar gibt es keine ernstzunehmenden EthnologInnen oder SoziologInnen die behaupten, daß ein von Benoist vertretenes Konzept ‘statischer Ethnien’ (Primordialismus) wissenschaftlich haltbar ist, aber Ethnopluralismus klingt heutzutage eben besser als Rassentheorie. Und der Kulturkämpfer Benoist verliert sein Ziel, an linke und liberale Diskurse Anschluß zu finden, nicht aus den Augen, wie der zeitgeschichtliche Hintergrund seiner Theorie zeigt. Er greift nämlich bewußt das von antikolonialen Befreiungsbewegungen (etwa in Algerien) und deren Solidaritätsbewegungen geforderte Recht auf Differenz auf und definiert es um zur Pflicht auf Differenz. Damit kann er sogar soweit gehen, diejenigen als RassistInnen zu definieren, die sich für MigrantInnen einsetzen, da sie sowohl deren als auch die eigene ‘Kultur/Identität’ zerstörten, und die Ausländer-raus-GrölerInnen’ werden zu AntirassistInnen . Wie anschlußfähig und gefährlich ein derart geschickt getarnter Rassismus aber ist, zeigt sich beispielsweise an einigen Argumenten in der Multi-Kulti-Debatte, wenn Einwanderung begrüßt wird, weil ‘die anderen’ ja so ‘anders’ sind, etwa die Schwarzen ‘den Blues im Blut’ haben etc., und von dort ist es auch nicht mehr weit dahin, daß einige ‘andere’ eben etwas ‘zu anders’ sind und gefälligst ‘zuhause’ bleiben sollen. Ebenso interessant ist in diesem Zusammenhang die Argumentation von Schäuble und anderen in der Debatte um doppelte Staatsbürgerschaft, diese würde die Identität der Deutschen gefährden und die Integration der Menschen ohne deutschen Paß verhindern. Integration heißt demnach nicht gleiche Rechte, sondern die ‘anderen’ in ihrer ‘Andersartigkeit’ belassen, ihnen also diese Rechte nicht gewären. Es gibt eben keine Individuen und ihre Rechte, sondern nur Kollektive, die sie bestimmen: deutsch bleibt deutsch und türkisch bleibt türkisch. So kann die neurechte Stichwortgeberei Früchte tragen, obwohl sie sowohl aus wissenschaftlicher Sicht bullshit ist, als auch vom Standpunkt einer universalistischen Moral (Grund- und Menschenrechte) abzulehnen ist, von emanzipatorischer Gesellschaftstheorie ganz zu schweigen. Die
Neue Rechte in Deutschland
Die Entwicklung der deutschen Neuen Rechten ist der in Frankreich - zu der sie teilweise intensiven Kontakt hat - in vielfacher Hinsicht ähnlich. Als ihr zugehörig können/konnten unter anderem gelten: Die Organisationen Aktion Neue Rechte, Thule-Seminar e.V., Studienzentrum Weikersheim; die Zeitungen Junge Freiheit, Criticon, Nation Europa; die Personen Henning Eichberg, Armin Mohler, K.G. Kaltenbrunner. Auch hier ebenso gibt es vielfache Verbindungen ins Lager militanter Rechtsextremisten, wie Versuche, in etablierten Teilen der Gesellschaft Fuß zu fassen, was beispielsweise einige Arbeitskreise am rechten Rand etablierter Parteien zeigen: das Christlich-Konservative Deutschland-Forum u.a. (CDU), der Hofgeismarer Kreis (SPD), der ‘nationalliberale’ Flügel der FDP um Alexander von Stahl. Eine weitere Parallele zu Frankreich zeigt sich in dem Versuch der Neuen Rechten, eine neue rechtsextreme Partei bei ihrer Etablierung zu unterstützen, was in diesem Fall mit den Republikanern Anfang der 90er allerdings gescheitert ist. Fraktionen
der extremen Rechten
Die gescheiterte Liaison
zwischen der intellektuell ausgerichteten Neuen Rechten und den REP
mit ihrer dominanten Bierzeltfraktion weist darauf hin, daß die extreme
Rechte - genau wie andere politische Strömungen - kein einheitlicher
Block ist, sondern aus vielen unterschiedlichen Fraktionen besteht. So
sind sicher einige christlich-fundamentalisische Familienväter, die
dem ehemaligen REP-Vorsitzenden Schönhuber
begeistert zuprosten der Meinung, einige AnhängerInnen rechtsextremer
Dark-Wave-Bands gehören schon wegen ihres Äußeren ‘ins
Arbeitslager’. Ebensowenig passen die christlich-fundamentalistischen Positionen
zu den neuheidnischen oder esoterisch-spiritualistischen, die allesamt
im Spektrum der extremen Rechten finden. Und selbstverständlich sind
diese Positionen auch innerhalb des rechtsextremen Lagers umkämpft,
wie etwa die Ablösung des ‘Altrechten’ Schönhuber durch den smarten
Burschenschafter Schlierer vom neurechten
Flügel als REP-Vorsitzenden zeigt.
Das
rechtsextreme Medienprojekt Junge Freiheit (JF)
Die mittlerweile auch von einigen Verfassungsschutzbehörden als rechtsextrem erkannte Zeitung Junge Freiheit ist eine der bedeutendsten Publikationen der rechtsextremen Szene. 1986 als achtseitiges Flugblättchen, mit Schreibmaschienenvorlage und einer vierhunderter Auflage in Freiburg begonnen, hat sich die JF mittlerweile zur Wochenzeitung mit zehntausender Auflage gemausert. Der Sitz wurde nach Potsdam verlegt und das Blatt ist bundesweit am Kiosk zu bekommen. Im Gegensatz zu ‘altrechten’ dumpfbackigen Blättern wie z.B. der ‘Nationalzeitung’ des DVU-Vorsitzenden Frey, gibt sich die JF intellektuell. Dieser Anstrich, so wie die Versuche einer Brückenbildung zwischen konservativem und rechtsextremem Lager und der Initiierung einer ‘rechten Graswurzelrevolution’ legen es nahe das Blatt als Organ der ‘Neuen Rechten’, zu charakterisieren. Inhaltlich ist dies allerdings nur teilweise gerechtfertigt, wie die AutorInnen des sehr empfehlenswerten Buches ‘Das Plagiat - Der Völkische Nationalismus der Jungen Freiheit’ darlegen: „Eine genaue Analyse des Personals (...), seiner Herkunft, seines Selbstverständnisses und der wichtigsten ideologischen Argumentationsmuster, zeigen vielmehr, daß sowohl ‘altrechte’ und ‘neurechte’ Elemente in der JF repräsentiert, als auch nationalrevolutionäre, völkische, bündische, jungkonservative und neonationalsozialistische Orientierungen zu finden sind“. Die JF stellt also eine gemeinsames Diskussionsforum der (o.g.) unterschiedlichen Fraktionen der Rechten dar. Die dominante Fraktion in der Redaktion - in der übrigens nur Männer(bündler) zu finden sind - kann aber als ‘Nachwuchs der alten Rechten’ gekennzeichnet werden; elitäre Akademiker, die vornehmlich durch eine Vergangenheit in Vertriebenenverbänden, Burschenschaften und diversen rechtsextremen Organisationen geprägt sind. Genauer kann hier nicht auf die ideologische Ausprägung eingegangen werden, um das Bild aber halbwegs abzurunden sei noch auf zweierlei hingewiesen: Die Graswurzelstrategie und einige der vielfachen Beziehungen innerhalb des rechtsextremen Lagers. Die Strategie der Graswurzelrevolution besagt nichts anderes, als die durch Anzeigen in der JF initiierte Einrichtung von ‘Lesekreisen’ in der gesamten BRD, die als ‘think tanks’ fungieren und rechte Ideologie in der Gesellschaft verbreiten sollen. Chefredakteur Stein umschrieb das 1994 folgendermaßen: „Inzwischen scheint sich diese Erkenntnis wieder durchzusetzen, daß das Zentrum nicht eine Partei sein kann, sondern ein vielfältiges politisches, kulturelles und publizistisches ‘Kapilarsystem’ (Weißmann) durch das konservative Vorstellungen in breite Schichten sickern können“. Wie großzügig dabei mit dem Begriff des Konservatismus umgegangen wird, zeigen die Verbindungen der JF unter anderem zu den Zeitschriften Criticon, Aula (der FPÖ Haiders nahestehend) oder Nation (NPD nahe); der Partei der Republikaner, den ‘Unabhängigen Ökologen Deutschlands’ u.v.m.. Eine
neurechte Karriere: Roland Bubik
Eine bedeutende Figur
innerhalb der Jungen Freiheit ist der ausdrücklich zum neurechten
Flügel gehörende Roland Bubik. Der aus Österreich (Graz)
stammende rechte Yuppie hat 1990 in Ravensburg (Baden-Württemberg)
Abi gemacht und 1990 in Mannheim begonnen BWL, Politikwissenschaft und
Geschichte zu studieren. Bereits in Ravensburg war Bubik als Aktivist der ‘Jungen
Republikaner’ bekannt. 1990 wechselte er über zur ‘Jungen
Union’ der CDU, in deren Kreisvorstand er mit Frank Liebermann, einem späteren
Kollegen bei der JF, zusammenarbeitet. In Mannheim war er weiter in der
‘Jungen Union’ aktiv und initiiert die rechte Hochschulgruppe LUST,
in der sich JU-Mitglieder, Verbindungsstudenten
und Leute aus dem JF-Umfeld sammeln. Während das Hochschulprojekt
recht schnell scheitert, dauert Bubiks Karriere bei der JF, die ebenfalls
1990 begann, bis heute an. Begonnen hat er dort im Ressort Politik, von
wo er aber schnell zur Leitung des Ressorts ‘Zeitgeist und Lebensart’ wechselte.
Inhaltlich bezieht sich der Ideologe auf Carl
Schmitt, den faschistischen Staatsrechtslehrer, der zum Dank für seinen
Kampf gegen die Weimarer Republik 1933 von Göring
zum Preußischen Staatsrat ernannt wurde. Mit dessen Begrifflichkeiten
entwickelt Bubik seine Kritik der Demokratie, die er zu einer elitären
- sprich antidemokratischen - zu ‘verbessern’ sucht. Weitaus interessanter
ist allerdings die Strategie, die Bubik für seinen ‘jungen Konservatismus’
(Selbstbezeichnung) in Anspruch nimmt. Es gehe weder um die Revolution
der konservativen Revolutionäre, noch um die dumpfe Politik der Stiefelfaschisten,
sondern darum „Schicht für Schicht an den geistigen Fundamenten der
Zeit“ zu arbeiten, mit dem Ziel „eine neue Vorstellung von Staatlichkeit
in der Gesellschaft“ (JF 5/91) voranzutreiben - ein Paradebeispiel für
die neurechte Kulturstrategie. Um diese zu verfolgen, ist das Ressort ‘Zeitgeist
und Lebensart’ natürlich eine günstige Ausgangsbasis. Zunächst
versuchte Bubik vergebens, sich auf die Techno-Szene zu beziehen und dort
Einfluß zu erlangen. In der JF 10/93 erschien hierzu der Artikel
‘Stahlgewitter als Freizeitspaß’, eine deutliche Bezugnahme also
auf das Buch ‘In Stahlgewittern’ des konservativen Revolutionärs Ernst
Jünger, der für seine prosaische Verbreitung von Nationalismus,
Kriegsverherrlichung, Männlichkeitswahn, Antisemitismus und Demokratiefeindschaft
bekannt ist. Leseprobe aus den Stahlgewittern (1924) gefällig? „Die
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