|
letzter
Text
nächster Text
Zum Umgang der Antifaschistischen
Aktion Berlin (AAB) mit der Vergewaltigung
Mittlerweile dürfte
es sich herumgesprochen haben: Ein Mitglied der AAB hat eine Frau vergewaltigt.
Seit der Offentlichmachung durch die betroffene Frau kursieren in der Berliner
Szene sich zum Teil widersprechende oder einfach nur beschissene Äußerungen
zu der Vergewaltigung. Insbesondere den Umgang der AAB mit der Vergewaltigung
und dem Vergewaltiger halten wir für mehr als problematisch.
Wir haben mitbekommen, daß
nach Bekanntwerden der Vergewaltigung der Täter nicht sofort rausgeschmissen
wurde. Stattdessen wurde auf einem Sonderplenum der Vorwurf der Vergewaltigung
ersteinmal erörtert. Bereits hier beginnt die Infragestellung des
allein bei der betroffenen Frau liegenden Definitionsrechts über die
Vergewaltigung. Die Entscheidung, ob eine Grenzüberschreitung stattgefunden
hat, liegt allein im subjektiven Ermessen der betroffenen Frau.
Völlig inakzeptabel
ist, daß nach Bekanntwerden der Vergewaltigung die AAB von einem
sofortigen Rausschmiß abgesehen hat und dem Täter auf einem
Sonderplenum die Chance gegeben werden sollte, die Vergewaltigung aus seiner
Sicht zu schildern. Wenn der von der Frau klipp und klar als Vergewaltigung
bezeichnete Akt auf dem Sonderplenum durch alle Anwesenden zum Gegenstand
einer objektiven Erörterung gemacht werden soll, wird der betroffenen
Frau schlichtweg die Definitionsmacht genommen. Dies geschieht allein schon
dadurch, daß alle Anwesenden mitdefinieren dürfen, was geschehen
ist. Die Definitionsmacht nicht in Frage stellen, hieße demnach konkret
der sofortige Rausschmiß des Vergewaftigers. Damit wird aber eine
weitere Auseinandersetzung mit dem Täter nicht hinfällig, sondern
muß auf alle Fälle von der AAB als einem Teil seines politischen
und sozialen Umfelds geleistet werden.
Das Frauenplenum der AAB
hat die vergewaltigte Frau zu einem Gespräch eingeladen. Gesprächsbedarf
bestand für das Frauenplenum der AAB bezüglich der Frage, was
die betroffene Frau denn unter einer Vergewaltigung verstehen würde.
Dieses Gesprächsangebot hat die Frau zu recht abgelehnt, und zwar
nicht wie aus Kreisen der AAB zu hören war mit der Begründung,
sie diskutiere grundsätzlich nicht mit Frauen aus ‚gemischten Zusammenhängen“,
sondern weil sie sich nicht durch eine allgemeine‘ Erörterung in Frage
stellen lassen wollte.
Mit dem Verweis auf den
internen Diskussionsprozeß hat die AAB einen Frauenzusammenhang von
dem Sonderplenum ausgeschlossen. Sie durften zwar ihre Forderungen stellen,
der weitere Verlauf der Auseinandersetzung innerhalb der AAB wurde ihnen
aber nicht transparent gemacht. Um derartige Schutzräume zu verhindern,
in denen die Infragestellung der betroffenen Frau fortgeführt werden
kann, hätte dem Frauenzusamrrtenhang die Teilnahme nicht versperrt
werden dürfen. Stattdessen befördern solche hermetisch abgeriegelten
Schutzräume unhaltbare Überlegungen von einer gescheiterten Beziehung
zwischen dem Täter und der Frau Ist die Rede, Eifersucht demnach der
Treibsatz der entstandenen Situation; prinzipielle Ablehnung der AAB in
dem poitischen Umfeld der betroffenen Frau ein anderes Motiv. Durch das
Aufkommen solcher und ähnlicher abwegiger Überlegungen wird die
eigentiiche Täterrolle der betroffenen Frau zugeschrieben. Fraglich
ist außerdem, wie sich die AAB-Männer bei der ganzen Auseinandersetzung
verhalten haben. Wie wurde denn die Auseinandersetzung unter den AAB-Männern
im Vorfeld des Sonderplenums geführt? Nach aktiver Mitübemahme
von Verantwortung in dem Umgang mit der Vergewaltigung sieht es von außen
zumindest nicht aus.
Zum Kotzen finden wir im
übrigen auch einige Reaktionen aus der Szene auf die Öffentlichmachung
der Vergewaltigung. Insbesondere Männer störten sich dabei an
Form und Ausdruck des Flugblattes. Die Vergewaltigung selbst wird dabei
vollkommen ausgeblendet.
Liegen wir mit unseren Einschätzungen
völlig daneben?
gruppe Venceremos
(aus: Interim Nr. 471) |