/
www.infoladen-daneben.de  //start/archiv/patriachat/aab/04
letzter Text nächster Text

Zum Umgang der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) mit der Vergewaltigung

Mittlerweile dürfte es sich herumgesprochen haben: Ein Mitglied der AAB hat eine Frau vergewaltigt. Seit der Offentlichmachung durch die betroffene Frau kursieren in der Berliner Szene sich zum Teil widersprechende oder einfach nur beschissene Äußerungen zu der Vergewaltigung. Insbesondere den Umgang der AAB mit der Vergewaltigung und dem Vergewaltiger halten wir für mehr als problematisch.
Wir haben mitbekommen, daß nach Bekanntwerden der Vergewaltigung der Täter nicht sofort rausgeschmissen wurde. Stattdessen wurde auf einem Sonderplenum der Vorwurf der Vergewaltigung ersteinmal erörtert. Bereits hier beginnt die Infragestellung des allein bei der betroffenen Frau liegenden Definitionsrechts über die Vergewaltigung. Die Entscheidung, ob eine Grenzüberschreitung stattgefunden hat, liegt allein im subjektiven Ermessen der betroffenen Frau.
Völlig inakzeptabel ist, daß nach Bekanntwerden der Vergewaltigung die AAB von einem sofortigen Rausschmiß abgesehen hat und dem Täter auf einem Sonderplenum die Chance gegeben werden sollte, die Vergewaltigung aus seiner Sicht zu schildern. Wenn der von der Frau klipp und klar als Vergewaltigung bezeichnete Akt auf dem Sonderplenum durch alle Anwesenden zum Gegenstand einer objektiven Erörterung gemacht werden soll, wird der betroffenen Frau schlichtweg die Definitionsmacht genommen. Dies geschieht allein schon dadurch, daß alle Anwesenden mitdefinieren dürfen, was geschehen ist. Die Definitionsmacht nicht in Frage stellen, hieße demnach konkret der sofortige Rausschmiß des Vergewaftigers. Damit wird aber eine weitere Auseinandersetzung mit dem Täter nicht hinfällig, sondern muß auf alle Fälle von der AAB als einem Teil seines politischen und sozialen Umfelds geleistet werden.
Das Frauenplenum der AAB hat die vergewaltigte Frau zu einem Gespräch eingeladen. Gesprächsbedarf bestand für das Frauenplenum der AAB bezüglich der Frage, was die betroffene Frau denn unter einer Vergewaltigung verstehen würde. Dieses Gesprächsangebot hat die Frau zu recht abgelehnt, und zwar nicht wie aus Kreisen der AAB zu hören war mit der Begründung, sie diskutiere grundsätzlich nicht mit Frauen aus ‚gemischten Zusammenhängen“, sondern weil sie sich nicht durch eine allgemeine‘ Erörterung in Frage stellen lassen wollte.
Mit dem Verweis auf den internen Diskussionsprozeß hat die AAB einen Frauenzusammenhang von dem Sonderplenum ausgeschlossen. Sie durften zwar ihre Forderungen stellen, der weitere Verlauf der Auseinandersetzung innerhalb der AAB wurde ihnen aber nicht transparent gemacht. Um derartige Schutzräume zu verhindern, in denen die Infragestellung der betroffenen Frau fortgeführt werden kann, hätte dem Frauenzusamrrtenhang die Teilnahme nicht versperrt werden dürfen. Stattdessen befördern solche hermetisch abgeriegelten Schutzräume unhaltbare Überlegungen von einer gescheiterten Beziehung zwischen dem Täter und der Frau Ist die Rede, Eifersucht demnach der Treibsatz der entstandenen Situation; prinzipielle Ablehnung der AAB in dem poitischen Umfeld der betroffenen Frau ein anderes Motiv. Durch das Aufkommen solcher und ähnlicher abwegiger Überlegungen wird die eigentiiche Täterrolle der betroffenen Frau zugeschrieben. Fraglich ist außerdem, wie sich die AAB-Männer bei der ganzen Auseinandersetzung verhalten haben. Wie wurde denn die Auseinandersetzung unter den AAB-Männern im Vorfeld des Sonderplenums geführt? Nach aktiver Mitübemahme von Verantwortung in dem Umgang mit der Vergewaltigung sieht es von außen zumindest nicht aus.

Zum Kotzen finden wir im übrigen auch einige Reaktionen aus der Szene auf die Öffentlichmachung der Vergewaltigung. Insbesondere Männer störten sich dabei an Form und Ausdruck des Flugblattes. Die Vergewaltigung selbst wird dabei vollkommen ausgeblendet.

Liegen wir mit unseren Einschätzungen völlig daneben?

gruppe Venceremos

(aus: Interim Nr. 471)