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Zur Umgehensweise mit Vergewaltigung in gemischtgeschlechtlichen politischen Zusammenhängen Vor über einem Jahr (Februar 1999) wurde in Berlin das AAB-Mitglied Florian J. als Vergewaltiger geoutet. Seitdem finden mehr oder weniger konstruktive Diskussionen in gemischtgeschlechtlichen politischen Gruppen statt. Kennzeichnend für diese Auseinandersetzungen ist, daß der Vergewaltiger, d.h. seine Befindlichkeit, seine Situation bezüglich eventueller Sanktionsmaßnahmen im Vordergrund stehen. Eine Analyse von Vergewaltigung als Macht- und Herrschaftsinstrument zur Unterdrückung von FrauenLesben und zur Situation einer vergewaltigten FrauLesbe wird in den seltensten Fällen erbracht. In diesem Punkt zeichnet sich die gemischtgeschlechtliche Linke durch völlig fehlendes „Geschichtsbewusstsein“ aus: Denn Florian J. ist keineswegs der erste Typ, der als Vergewaltiger geoutet wurde. In regelmäßigen Abständen wurden und werden sogenannte „Genossen“ von FrauenLesben als Vergewaltiger benannt. Die Reaktionen ähneln sich erschreckend: Entweder wird sich nichtt verhalten und /oder die Aussage der vergewaltigten FrauLesbe wird angezweifelt; ihr wird mindestens eine „Mitschuld" unterstellt, der Vergewaltiger wird in Schutz genommen. Nicht nur aus diesem Grund ziehen sich FrauenLesben aus gemischtgeschlechtlichen Gruppen zurück und haben keinen Bock mehr auf immer wieder beschissene Diskussionen. Erst nach der militanten Aktion einer solchen FrauenLesben-Gruppe gegen die Berliner Kneipe „Schnarup Thumhy ", wo sich der oben genannte Vergewaltiger aufhalten konnte, brachen Diskussionen dazu aus, ob diese Reaktion gerechtfertigt gewesen sei oder nicht. Und auch die AAB schaffte es nach über einem Jahr endlich, ein sogenanntes Positionspapier zum Umgang mit Vergewaltigung in ihrer Gruppe zu erstellen. Leider tat sie nicht viel Neues kund bzw. unterscheidet sich ihr Umgang nicht wesentlich von dem des bürgerlichen (Un)Rechtstaates. Auch in unserem gemischtgeschlechtlichen, offenen politischen Zusammenhang erzwangen wir als F'rauenLesbengruppe nach Bekanntwerden der Vergewaltigung eine Auseinandersetzung zum Umgang mit Vergewaltigung in der Linken, zumal die AAB Teil dieses Zusammenhangs ist. Es ging uns jedoch nicht nur um deren Umgang/Nicht-Verhalten, sondern um eine Positionierung aller beteiligten Gruppen. Haarsträubende Positionen traten im Verlauf der Diskussion zutage, bis auf die beteiligte Schwulengruppe und sympathisierende Einzelpersonen wurde unsere Forderung nach Parteilichkeit mit der vergewaltigten FrauLesbe und Sanktionen gegenüber Vergewaltigern abgelehnt. Weniger von „Sachlichkeit" als vielmehr von schlammschlachtähnlichen Zuständen war und ist die Diskussion gekennzeichnet (denn sie hält immer noch an). An dieser Stelle wollen wir jedoch nicht die Inhalte dieser Auseinandersetzung darstellen, sondern unsere Position zur Umgehensweise mit Vergewaltigung gemischtgeschlechtlichen linken Zusammenhängen. Es geht uns darum, daß „die Linke " endlich anfängt, über die Bedeutung von Vergewaltigung fiir FrauenLesben klarzuwerden und die Parole „antipatriarchal "/"antisexistisch" nicht nur als Wotlhülse zu benutzen, feministische Literatur zum Thema gibt es genug. Bedeutung von sexueller Gewalt und Vergewaltigung Gewalt ist prinzipiell und permanent ein Strukturmerkmal weiblicher Sozialisation und Alltagserfahrungen im Patriarchat. Es funktioniert insbesondere über die Unterwerfung und Aneignung des weiblichen Körpers (sexuelle und körperliche Gewalt gegen Mädchen und Frauen, heterosexistische Sexualität der Degradierung von Frauen zu Objekten, Pornographie, §218, medizinische Zugriffe, Psychiatrisierung Belästigung usw.). Denn „ Gewalt, die in den Körper eingeschrieben wird, ist das wirksamste und zugleich perfideste Instrument, das die Opfer zwingt Gewalterfahrungen in ihr Bewußtsein/ihr Ich/ihre Lebenskonzepte zu integrieren,, (Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis 1994, 7). Sexuelle Gewalt ist ein zentrales Merkmal patriarchaler Zurichtung von FrauenLesben, auch der Frauen Lesben, die sexuelle Gewalt - nicht direkt erfahren, sie setzt Verhältnisse voraus, in denen FrauenLesben Sexualobjekte von Männern sind. Vergewaltigung ist eine der extremen Formen dieser Objektivierung Sie ist nicht nur Machtmittel eines einzelnen Mannes gegen eine einzelne Frau, sondern ein Herrschaftsinstrument, das alle FrauenLesben unterdrückt. Die soziale Kontrolle, die, vermittelt über die Angst vor Vergewaltigung, ausgeübt wird, beschneidet die Freiheit aller FrauenLeshen. Durch die spezifische Demütigung der jeweils betroffenen FrauenLesben einerseits und der alltäglichen Konfrontation aller FrauenLesben mit Vergewaltigung andererseits erfüllt diese also eine doppelte Funktion hinsichtlich der Disziplinierung von FrauenLesben. Eine Vergewaltigung stellt den völligen Angriff auf die psychische und physische Integrität einer Frau dar ihr wesentliches Herrschaftsmoment bestellt in der Verfügungsgewalt/-macht über den weiblichen Körper. Die Macht zur Definition einer Vergewaltigung liegt in den bestehenden herrschenden Verhältnissen bei einer männlichen bürgerlichen Justiz, vor der FrauenLesben sich rechtfertigen müssen. Das rechtsstaatliche Prinzip, das die Bürgerinnen vor willkürlichen staatlichen Angriffen schützen soll, fungiert im Fall von Vergewaltigung als Instrument der Aufrechterhaltung bestehender Herrschaftsverhältnisse. Männer, die vergewaltigen, werden in den meisten Fällen vor rechtsstaatlicher Sanktionierung geschützt, weil den Frauen eine „Mitschuld" unterstellt wird und im Zweifelsfall (und dieser besteht zum Teil dann, wenn der Frau massive körperliche Verletzungen zugeführt wurden) immer für den Angeklagten entschieden wird. Dabei ist zu beachten, daß Polizei und Justiz selbst von Geschlechtsrollestereotypen beeinflußt sind. die bewirken, • daß nur eine sexuelle Gewalttat durch einen (möglichst psychisch abnormen) fremden Täler an einer „unbescholtenen", sich gegen die brutale Gewaltanwendung heftig wehrenden Frau als „echte" Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung akzeptiert wird,Der Beweisbarkeit einer Vergewaltigung liegt das Maß der Glaubwürdigkeit des Opfers zu Grunde. Zeuginnen sind bei einer Vergewaltigung in den allermeisten Fällen abwesend. Ist die Frau nicht ausreichend glaubwürdig, entscheidet die bürgerliche Justiz nach dein Grundsatz „in dubio pro reo". also „im Zweifel für den Angeklagten", und spricht den Vergewaltiget' frei. Im Strafverfahren ist also ein grundsätzliches Mißtrauen gegen die anzeigende Frau bestimmend. Mißtrauen ist dabei gleichzusetzen mit Voreingenommenheit. Der Frau wird zumindest eine Mitschuld unterstellt. „Nach dem Motto: die Frau muß schon irgend etwas dazu getan haben. Entweder hat sie den Vergewaltiger gereizt, provoziert, sie wollte vielleicht unbewußt eine Vergewaltigung, oder, ich denke, das ist auch jetzt so der neuere Trend, sie hat sich nicht genügend gewehrt, sie ist zu wenig selbstbewußt aufgetreten. Der Frau wird also zugeschrieben, daß sie die Situation hätte kontrollieren können und auch müssen. Das heißt, daß wieder Verhaltensanforderungen an Frauen gestellt werden" (Gebhart 1989,117)". In diesem Zusammenhang kann das Propagieren der sicher wichtigen Selbstverteidigung - die Frauen müssen sich wehrhafter machen, müssen sich verteidigen, dürfen nicht in, so eine Opferrolle hineinrutschen - im Endeffekt die Gefahr bergen, daß wieder an die FrauenLesben Verhaltensanforderungen gestellt werden. Durch diese Denkmuster kommt es in der Rechtsprechung zu der Annahme der Mitschuld der Frau. bzw. des minderschweren Falls von Vergewaltigung und sexueller Nötigung, wenn die Frau den Taler (wenn auch nur flüchtig) kannte. Diese Gesetzesauslegung stellt einen Widerspruch zur Gesetzessystematik dar. Bei anderen Delikten wie Betrug, Mord etc. wirkt sich ein „Vertrauensbruch" strafverschärfend aus. Im Fall der Vergewaltigung, wenn ein Vergewaltiger eine ihm bekannte Frau/Lesbe vergewaltigt, stellt dies keinen Vertrauensbruch dar, sondern eine Mitschuldannahme der Frau/Lesbe. Aufgrund der Situation von FrauenLesben, die den Mut aufbringen, ihren Vergewaltiger anzuzeigen und sich damit den oftmals traumatischen Erfahrungen vor Gericht auszusetzen, muß eine emanzipatorische linke Bewegung konsequenterweise einen anderen Umgang mit Vergewaltigern haben, der die Wirklichkeitserfahrung von FrauenLesben wiedergibt und sich auf die feministische Forderung der Parteilichkeit für die jeweilige betroffene Frau bezieht. Gegen einen Vergewaltiger mittels einer polizeilichen Anzeige mit eventuell nachfolgendem Gerichtsverfahren vorzugehen, bleibt jeder Frau/Lesbe unbenommen. Bei diesem Schritt ist sie in jeder Hinsicht zu unterstützen. Diese Arbeit wird in erster Linie von den in verschiedenen Städten existierenden Notrufen für FrauenLesben und Mädchen geleistet. Parteilichkeit und Definitionsmacht von FrauenLesben. In der Diskussion der Frauen Lesbenbewegung über Gewalt gegen FrauenLesben wurde und wird großer Wert darauf gelegt, den. Gewailbegriff möglichst weit zu fassen, um deutlich werden zu lassen, daß das Problem nicht erst dann anfängt, wenn sichtbare Verletzungen vorliegen. Auf diesen weiten Gewaltbegriff wird bewußt nicht verzichtet, denn nur so werden Zusammenhänge und Strukturen sichtbar, die hinter der manifesten Gewalt stehen. In der Ausweitung des Begriffs ist das Risiko der Verharmlosung angelegt. Es muß deshalb differenziert werden zwischen den unterschiedlichen Erscheinungsformen von Gewalt gegen FrauenLesben, denn mißhandelt, mißbraucht oder vergewaltigt zu werden ist eine qualitativ andere Erfahrung als z.B. der penetranten Anmache durch einen „Kollegen" ausgesetzt zu sein, mit pornographischer Werbung konfrontiert zu werden oder in eine ungerechte Lohngruppe eingestuft zu werden. So groß der Unterschied zwischen den genannten Gewalterfahrungen auch scheint, sie sind alle Ausdruck des gleichen Gewaltverhältnisses und ergeben gemeinsam ein gut funktionierendes Gewaltsystem. Diese strukturelle Gewalt prägt die Lebensbedingungen und den Alltag von FrauenLesben und „spiegelt sich in der Dominanz männlicher Interessen in allen Lebensbereichen und in einer männlichen Definitionsmacht wider, die die vielfältige Gewaltausübung von Männern gegenüber Frauen rechtfertigt und verharmlost. Scheinbar liegt es nahe, daß sich eine Person, der Gewalt angetan wird, unmittelbar und nach Kräften zur Wehr setzt oder zumindest ein deutliches Gefühl dafür hat, wer der Täter und wer das Opfer ist. Bei Männergewalt an Frauen stimmt diese Auffassung des gesunden Menschenverstandes nicht, weil Frauen nicht selbst definieren, ob das. was ihnen passiert, Gewalt ist. Die Selbstwahrnehmung und Selbstdefinition von Frauen steht immer im Schatten der gültigen männlichen Definitionen, an deren Zustandekommen Frauen nur mittelbar teilhaben und die jederzeit veränderbar sind, je nachdem, was männlichen Interessen gerade opportun erscheint" (Kavemann 1989, 75). Gewalt gegen FrauenLesben trifft alle FrauenLesben, trifft sie jedoch nicht alle gleich. Keine FrauLesbe kann sich der bestehenden Ordnung des Geschlechterverhältnisses entziehen. Darin zu leben ist „normal", die Grenzen der Normalität werden von Männern bestimmt und dies zur öffentlichen Meinung erklärt. Doch „jede Frau und jedes Mädchen hat aber ihre eigene Grenze, wo Erträgliches in Unerträgliches übergeht. Gewalt am eigenen Leibe zu spüren ist eine ganz individuelle Erfahrung, auch wenn die einzelne Frau sie mit der Mehrheit aller Frauen teilt.. Was als Gewalt empfunden wird und wie diese Gewalt empfunden wird kann jede Frau nur für sich seihst sagen. Das ist unabhängig von einer allgemeinen Definition von Gewalt aufgrund einer Analyse des Gewaltverhältnisses zwischen den Geschlechtern. Männergewalt trifft die einzelne Frau jeweils in einer spezifischen Lebenssituation und wird in Abhängigkeit von ihrer persönlichen Geschichte und Gegenwart auf unterschiedliche Weise eingeschätzt und verarbeitet. Niemand kann hingehen und für eine Frau sagen: Das ist aber nicht so schlimm. Das, was anderen passiert ist, ist viel schlimmer als dein Erlebnis. Der gleiche gewaltsame Übergriff kann von einer Frau als vergleichsweise unbedeutend abgetan werden, während eine andere dadurch den Boden unter den Füßen verliert. Zentral für das Erleben von Gewalt ist das persönliche Empfinden von einer Grenzüberschreitung, von einer Enteignung des Körpers und der Seele, von einer Beschneidung der Persönlichkeit, bis nur noch ein Rumpf übrig ist, der in die Normen paßt, die von Männern gesetzt werden" (Kavemann 1989, 76). Aufgrund dieser Situation muß die Definitionsmacht einer Vergewaltigung ausschließlich bei der betroffenen FrauLesbe liegen. Ihr Benennen der Vergewaltigung wird nicht in Frage gestellt (etwa in Form von: „Der geht es doch gar nicht darum, sondern die will doch eigentlich...", „Es war zwar kraß, aber doch keine Vergewaltigung...").Unabhängig davon, wie die sexuelle Gewalt bzw. der körperliche Übergriff aussah, die der betroffenen Frau/Lesbe angetan wurde - wenn sie es als Vergewaltigung bezeichnet, entspricht dies genau ihren Gefühlen und ihrer 'Wahrnehmung. Die auch in linken Zusammenhängen erhobene Forderung nach einer eindeutigen Definition einer Vergewaltigung setzt sich über die Wahrnehmung der betroffenen Frau hinweg. Das Beharren auf scheinbar eindeutig juristisch definierten Tatbeständen von Vergewaltigung führt zudem, genau wie der staatliche/gesamtgesellschaftliche Umgang damit, zu einer Verschleierung der alltäglichen Gewalt von Männern gegen FrauenLesben: Die Frau muß sich rechtfertigen und die herrschende patriarchale Definition von Vergewaltigung akzeptieren und nachweisen, daß der Mann wirklich ihren Willen übergangen hat. Ihr Erleben der sexuellen Gewalt spielt dann keine Rolle. Hinreichend bekannt ist jedoch, daß die wenigsten Vergewaltigungen von hinter Büschen lauernden Männern verübt werden. Das Grundprinzip einer Vergewaltigung, nämlich den Willen in Bezug auf Sexualität und körperliche und geistige Integrität zu übergehen, findet auch oder gerade in heterosexuellen Beziehungen statt und muß nicht unbedingt dem herkömmlichen Bild von Vergewaltigung entsprechen. Darum erscheint es uns an dieser Stelle nochmals erwähnenswert, daß sich die meislen sexuellen Gewalttaten im sozialen Nahraum ereignen und durch Täter begangen werden, die die Opfer schon vor der Tal mehr oder weniger gut kannten: Für Frauen und Mädchen ist nicht in erster Linie der öffentliche Raum und der fremde Täter gefährlich, sondern der private Raum von Wohnungen und Männer, die mit ihnen bekannt, befreundet, verwandt sind! Das Öffentlichmachen eines Vergewaltigers ist ausdrücklich zu begrüßen. Das Öffentlichmachen eines Vergewaltigers und der damit verbundene Ausschluß ist ein politischer Schritt von FrauenLesben gegen Männermacht und zwingt Männer, sich dazu zu verhalten. Unternimmt eine von Vergewaltigung betroffene Frau diesen keineswegs leichten Schritt, muß ihr uneingeschränkte Solidarität und Unterstützung entgegengebracht werden. Der von der Frau als Vergewaltiger benannte Mann muß aus unseren Zusammenhängen verschwinden. Seine Art der Darstellung, Erklärungen etc. sind dabei völlig irrelevant. Vcrgewaltiger raus aus linken Zusammenhängen Die erste Konsequenz des Reagierens auf eine öffentlich gemachte Vergewaltigung heißt für uns: Sofortiger Ausschluß des bekanntgewordenen Vergewaltigers aus linken Zusammenhängen - und zwar aus allen!Dabei geht es darum, die vergewaltigte FrauLesbe konkret zu unterstützen: Nicht sie hat sich zurückzuziehen, Sündern der Vergewaltiger! Die Anwesenheit des Mannes würde für die FrauLesbe eine direkte Konfrontation mit dem Erlebten bedeuten und ist in jedem Falle unzumutbar. Weitere Übergriffe durch ihn sind zu verhindern. Zum anderen sollen andere FrauenLesben vor akuter Bedrohung durch den Typen geschützt werden. Durch die persönliche Konfrontation mit dem Vergewaltiger werden FrauenLesben ständig - ohne es selbst bestimmen zu können - gezwungen, sich mit dem Thema Vergewaltigung auseinanderzusetzen. Ziel des Ausschlusses ist also in erster Linie ein Erhalt von Freiräumen von FrauenLesben. Beim Ausschluß eines bekanntgewordenen Vergewaltigcrs gehl es jedoch auch darum, daß eine Zäsur zum tragen kommt, für die der Täter durch sein Verhallen selbst verantwortlich ist. Aufgrund der von ihm begangenen Grenzüberschreitung hat er in einer linken einanzipatorischen Bewegung nichts mehr zu suchen. Sicherlich ist der Ausschluß des Täters nicht ausreichend als Umgehensweise. Der Vergewaltiger wechselt notgedrungen sein Umfeld. Oft reicht es für ihn, in eine andere Stadt zu gehen, um in den dortigen politischen Zusammenhängen weiterzumachen. Manchmal muß er auch nur eine Verjährungsfrist einhalten, um nach ein paar Jahren wieder in seinem ehemaligen Umfeld auftreten zu können. Um dies zu verhindern ist der Schritt einer szene-/bundesweiten Veröffentlichung des Falles/Vergewaltigers, den viele FrauenLesben wählen, wichtig. Wenn FrauenLesben Sanktionsmaßnahmen gegen den Täter vornehmen, haben diese nicht behindert zu werden. Die Möglichkeit eines Wiedereinstiegs eines Vergewaltigers in linke Gruppen beruht jedoch maßgeblich auf einer mangelnden kontinuierlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Vergewaltigung in politischen Zusammenhängen. Solange sich letztere immer nur im Falle einer Bekanntmachung mit Vergewaltigung beschäftigen und keine wirkliche Analyse von Bedeutung, Funktion und Auswirkung dieses extremsten Angriffs auf die physische und psychische Integrität einer Frau erarbeiten, wird sich daran auch nichts ändern. Zur Illusion der Täterarbeit Die Forderung nach Täterarbeit im Sinne einer Auseinandersetzung von Personen aus dem näheren Umfeld des Vergewaltigers mit diesem halten wir für falsch. Damit einher geht immer die Gefahr des Unterlaufens der Ausschlußforderung. Eine Reintegration des Täters kann es nicht gehen. Im Zentrum einer Auseinandersetzung müssen die Forderungen der vergewaltigten FrauLesbe, stellen. nicht der Vergewaltige!. Die Auseinandersetzung mit dem Verhalten des Täters, um Bewußtmachung und Selbstkritik zu erreichen, widerspricht in seiner Zielsetzung den bisher dazu veröffentlichten Versuchen (siehe z.B. Männergruppe A-Plenum Köln: zum Umgang mit Vergewaltigern, in: Männerrundbrief Nr. 8/1996). Oft münden derartige Versuche, die in der Regel von Männergruppen unternommen werden, weil FrauenLesben verständlicherweise darauf keinen Bock haben, in einer Identifikation mit dem Täter. Im Vordergrund steht seine Befindlichkeit und sein Erleben des Ausschlusses. Eine akzeptable Täterarbeit kann es unserer Ansicht nach nur im. Sinne einer Kontrollinstanz geben, so daß die Bedrohung anderer FrauenLesben weitestgehend ausgeschlossen wird. Damit diese nicht wie oben beschrieben endet, muß eine kontinuierliche öffentliche Berichterstattung über den Kontakt zum Täter erfolgen. Zentral ist hierbei, daß sich die entsprechenden Personen im Vorfeld über Ziele und Inhalte dieser: Auseinandersetzung mit dem Vergewaltiger im klaren sind und diese transparent und damit kritisierbar machen. Realer Umgang mit Vergewaltigung in gemischtgeschlechtlichen linken Zusammenhängen oder: Das Konzept des Täterschutzes Die oben aufgeführten Ausführungen machen deutlich, wie wir uns den Umgang mit Vergewaltigungsfällen in gemischtgeschlechtlichen Zusammenhängen vorstellen. Die Realität ist jedoch eine gänzlich andere. Wenn eine FrauLesbe es schafft, ihre Vergewaltigung öffentlich zu machen, wird ihr keine Solidarität, sondern grundsätzliches Mißtrauen entgegengebracht. Sie sieht sich der Situation ausgesetzt, in der ihr Umfeld wissen will. was denn .wirklich' passiert sei, um ,objektiv' beurteilen zu können, ob es wirklich eine Vergewaltigung war. Damit wird ihr ihre Wahrnehmung abgesprochen: "In der Öffentlichkeit eignen sich mehr und mehr Fachleute beiderlei Geschlechts die Diskussion an, machen klar, wer die Experten sind. Die betroffene Frau als Expertin ihrer Situation verliert tendenziell an Bedeutung, die Trennung zwischen Experten und Betroffenen wächst und die Absurdität dieser Trennung wird oft gar nicht mehr zur Kenntnis genommen. Wie immer, wenn es gilt, ein gesellschaftliches Problem zu erkennen und handhabbar zu machen, muß dieses Problem 'objektiv' behandelt werden und die Trägerin des Problems den Status einer Klientin oder Patientin erhalten. Wie immer, wenn der gesellschaftliche Druck auf Frauen zu schweigen oder stillzuhalten an einer Stelle abgeschüttelt wird, wird er sofort an anderer Stelle verstärkt. Betroffenheit kann etwas sein. was frau lieber verschweigt, obwohl die Möglichkeit zur Offenheit gerade erst einen kleinen Teil der Frauen erreicht hatte" (Kavemann 1989, 80). Auch die modifizierte Befragungssituation in linken Gruppen ändert nichts an der Tatsache, daß sich die Frau/Lesbe vor einem sich selbst für objektiv haltenden Gremium (und sei es auch ein Frauen Lesben-Gremium) rechtfertigen muß, dem die Entscheidungs- und Urteilskompetenz zugesprochen wird. Damit unterscheidet sich diese Art der Vorgehensweise im Grunde nicht vom bürgerlichen Gerichtsverfahren, in dem der FrauLesbe ein grundsätzliches Mißtrauen entgegengebracht wird: „Im Prozeß wirkt sich dieses Mißtrauen so aus, daß sehr oft die Glaubwürdigkeit der Frau im Mittelpunkt des Verfahrens steht. Sehr viele Verfahren sind so aufgebaut, daß Hypothesen darüber aufgestellt werden, aus welchen Motiven die Frau eine Falschaussage geleistet haben könnte. Durch Befragung der Frau wird versucht, diese Hypothesen zu verifizieren" (Gebharl 1989, 116-117). Das Absprechen der Wahrnehmungsfähigkeit der FrauLesbe dient dem Schutz des Vergewaltigers. Er soll vor einer möglichen Falschaussage geschützt werden. Außer Acht gelassen wird, daß keine FrauLesbe sich freiwillig dieser Situation aussetzt: Daß eine Frau sprachlos sein könnte, traumatisiert, voller Scham, die erlebte Demütigung noch einmal sprachlich zu wiederholen, geht ihnen logischerweise nicht ins Hirn oder wenigstens am Arsch vorbei. Kennzeichnend für die Umgehensweise in gemischtgeschlechtlichen Zusammenhängen ist damit trotz gegenteiliger Beteuerungen, daß im Zentrum der Auseinandersetzung die Bedürfnisse von Männern stehen. Trotz des Wissens, daß die meisten Vergewaltigungen nicht öffentlich gemacht werden, weil die FrauenLesbcn, sich der Prozedur einer .öffentlichen Beweisführung' psychisch nicht gewachsen fühlen, wird die Aussage der Frau/Lesbe bezweifelt. Damit wird in Kauf genommen, daß es keine Konsequenzen für den größten Teil der vergewaltigenden Männer gibt, aber wenigstens können keine scheinbar „unschuldigen" Männer verurteilt werden. Mit diesem Verhalten sollen nicht die Frauen Lesben vor den Männern, sondern die Männer vor den FrauenLesbcn geschützt werden. Das Frauenbild, das dieser Vorstellung zu Grunde liegt, ist ein zutiefst ideologisches und beruht auf historisch entstandenen sexistischen Denkmustern: FrauenLesben wird unterstellt, daß sie entweder lügen, oder wenn ihnen Macht zugestanden würde, diese mißbrauchen würden. Sie sind deshalb nicht fähig zu beurteilen, ob sie vergewaltigt worden sind oder nicht. Das ideologische Muster, daß FrauenLesben auf Grund ihrer .emotionalen Betroffenheit' nicht fähig sind. wenn ihnen Macht zugestanden wird, mit dieser rational und verantwortungsbewußt umzugehen. Die Teilung in Rationalität und Emotionalität und deren Zuweisung an ein Geschlecht beweist damit seine ideologische Wirksamkeit. Im konkreten Fall einer Öffentlichmachung eines Vergewaltigers werden in gemischtgeschlechtlichen Zusammenhängen alle Analysen vom Geschlechterverhältnis verworfen und die Vergewaltigung zu einem jeweils zu „prüfenden Einzelfall" erklärt. Ein gesellschaftliches Machtverhältnis wird damit erneut in den Bereich der Privatsphäre verbannt. Dieser aktive Täterschutz hat den angenehmen Nebeneffekt, sich den mit der Definitionsmacht von FrauenLesben verbundenen Konsequenzen zu entziehen und sich. nicht solidarisch mit der vergewaltigten Frau/Lesbe verhalten zu müssen. Eine FrauenLesben-Gruppe aus Berlin, April 2000 Literatur beitrage zur feministischen theorie und praxis, Heft 37, „Gewalt-tätig", Köln 1994OCR-Scan by www.trend.partisan.net
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