Das Staudammprojekt von
Itoiz
Einige Daten
Das Staudammprojekt von Itoiz
befindet sich im Nordosten Euskal Herrias (Baskenland) in der Provinz Navarra,
30 km von Iruña (Pamplona) entfernt, oberhalb der 2000-Einwohner-Stadt
Aoiz und direkt unterhalb des Dorfes Itoiz. Der geplante Stausee wird von
den Flüssen Irati und Urrobi gespeist, seine Staukapazität beträgt
418 Kubikhektometer. Die Hauptstaumauer ist 135 m hoch, die Gesamtlänge
der aufgestauten Wasserläufe beträgt 35 km, 1100 Hektar Land
sollen überflutet werden.
Ein Attentat gegen Natur und Mensch
Mit dem Fluten des Stausees
von Itoiz verschwinden neun Dörfer in den Tälern Artze, Longida
und Irati, weitere sechs wären partiell betroffen. Damit würden
auch historische Bauten und Kulturgüter von unermeßlichem Wert
verschwinden, ebenso wie traditionelle Lebens- und Produktionsweisen, die
dort noch praktiziert werden und “unterentwickelt”, d.h. mit der kapitalistischen
Wertschöpfungskette also nur in geringem Maße verflochten und
weitgehend nachhaltig sind. Zwei der neun Dörfer, Itoiz und Artozki
sind noch bewohnt und die dortigen traditionellen Landwirtschaftsbetriebe
in Familienbesitz arbeiten weiter.
Außerdem würden
drei Naturschutzgebiete (Txintxurrenea, Gaztelu und Iñarbe) mit
den dazugehörigen Schutzstreifen, sowie zwei Vogelschutzgebiete, die
von der EU-Kommission ausgewiesen sind, überflutet. Die Existenz dieser
gesetzlichen Schutzmaßnahmen verschafft einen Eindruck von der gefährdeten
Vielfalt der Pflanzen- und Tierarten in dieser Gegend am Übergang
zwischen Pyrenäen- und Mittelmeerraum. Schmutzgeier, Weißkopfgeier,
Steinadler, Uhu, Pyrenäen-Bisamspitzmaus sind vom Aussterben bedroht,
der Fischotter ("Nutria") ist seit Beginn der Bauarbeiten verschwunden.
Es ist vorgesehen, vor der
Flutung auf den 1.100 ha den gesamten Bestand von ca. einer Million Bäumen
zu fällen und 30 cm Erde abzutragen, um die Bildung explosiver Fäulnisgase
auszuschließen.
Regierungsoffizielle Argumente für
den Bau
Mit der Bewässerung
von 57.000 Hektar Land in der Mitte und im Süden Navarras wird versucht,
das Projekt zu rechtfertigen; dafür müßte ein 177 km langer
Kanal, der "Canal de Navarra" gegraben werden, von dem heute wenige Kilometer
realisiert sind. Der kürzlich neu aufgelegte staatliche Bewässerungsplan
Plan Hidrológico Nacional sieht keinen einzigen neuen Bewässerungshektar
in Navarra vor. Nichtsdestotrotz werden den Bauern von Navarra in Zusammenhang
mit dem Itoiz-Projekt vollmundige Versprechen auf "Wachstum und Entwicklung"
gemacht.
Eine weitere Begründung
für den Bau ist der Trinkwasserbedarf der Provinzhauptstadt und ihrer
Umgebung. Nach den Zahlen der Wasserbehörde CHE (Confederación
Hidrográfica del Ebro) stünden Iruña dann 1430 Liter
pro Kopf und Tag zur Verfügung - drei bis viermal so viel als in jeder
Großstadt verbraucht wird. Außerdem ist unklar, wie das Wasser
in die Stadt geleitet werden soll.
In einer Studie von anerkannten
Wissenschaftlern über die Rentabilität des Projekts wird von
dieser Investition (mindestens 350 Millionen DM allein für das Itoiz-Projekt)
aufgrund ihres übertrieben hohen Preises stark abgeraten.
Das ältere umstrittene
Projekt von Riaño (Provinz León), das ebenfalls durch Widerstand
begleitet ist, ist ein ähnlicher Betrug: Fünfzehn Jahre nach
dem Bau ist von den vielen, die damals versprochen wurden, noch kein einziger
Bewässerungshektar entstanden.
Die Stromerzeugung ist auch
ein beliebtes offizielles Argument. Dafür ist ein Kraftwerk geplant,
das 52 MWh erzeugen soll. Der Stausee würde vier kleinere Kraftwerke
im Lauf des Irati-Flusses überfluten, die bereits seit Jahrzehnten
34,6 MWh erzeugen. Deren Stillegung müßte mit ca. 60 Millionen
DM entschädigt werden.
Die wirklichen Interessen an dem Bau
Die langfristigen Kapitalinteressen
an der Realisierung des Stausees stecken in der Spekulation auf weitere
"Entwicklung" v.a.. der Tourismusbranche und der industriellen Landwirtschaft
an der Mittelmeerküste. Die Tendenz in der Agrarpolitik (EU, GATT/WTO)
ist, den landwirtschaftlichen Überschuß und die Anbauflächen
zu reduzieren und nicht etwa die Anlage von neuen Bewässerungsflächen
zu fördern. Eine Ausnahme stellt die industriemäßige Produktion
von Obst und Gemüse unter Plastik im Süden der Halbinsel dar,
eine derart gewinnträchtige Branche, daß vor allem deswegen
das saubere Wasser als Spekulationsobjekt an Bedeutung gewinnen wird. Auch
die am Mittelmeer starke Tourismusindustrie zahlt gutes Geld für das
knappe saubere Wasser - ein Golfplatz am Mittelmeer verbraucht im Sommer
5 Millionen Liter Wasser am Tag.
Der Süden hat genug
Wasser, nur kein sauberes. Der in diesem Jahr novellierte Spanische “Nationale
Wasserbauplan” (Plan Hidrológico Nacional) sieht den Bau von weiteren
200 Staudämmen und einer Grosszahl von Kanälen vor und ist als
Ganzes äußerst umstritten. Das gesamte Wasser der Südseite
der Pyrenäen soll, bevor es in den Ebro gelangt, in 40 Stauseen vorgehalten
werden um in einem parallelen künstlichen Flußbett bis nach
Katalonien, das Ebro-Delta, und sogar weiter nach Süden gelangen.
Denn schon in Zaragoza ist der Ebro zur Zeit zu dreckig, als daß
das Wasser noch verwertbar wäre. Anstatt die Ursache für diesen
Mißstand, die Industrie und den schonungslosen Umgang mit der Ressource
Wasser allgemein, kritisch in Angriff zu nehmen, sollen die Voraussetzungen
für noch mehr davon geschaffen werden.
Dieser Entwicklungswahn
bedeutet Vertreibung und Umweltzerstörung. Die größenwahnsinnigen
und verschwenderischen Wasserumleitungspläne wurden in der Franco-Ära
entwickelt und von den Nachfolgeregierungen fortgesetzt. Unter anderem
der WWF und der spanische große Umweltverband Ecologistas en Acción
haben den Plan Hidrológico Nacional als großes Thema in ihre
Kampagnen übernommen und weisen diesen aus diversen triftigen ökologischen
und sozialen Gründen in toto zurück. Publikationen zum Thema
sind bei solidarias@gmx.de zu bekommen.
Die kurzfristigen Kapitalinterressen
sind die der Baufirmen, die mittels Schmiergeldzahlungen dafür gesorgt
haben, daß das Projekt ITOIZ ungeachtet aller Bedenken, ungeachtet
der Illegalität und allen Widerstands weitergeführt wird.
Korruption rund um das Projekt
Dieses Projekt ist von Anfang
an von Korruption charakterisiert. Die Ausschreibung und Auftragsvergabe
an die Baufirmen war betrügerisch.
Antonio Aragón, ehemaliges
Vorstandsmitglied der Baubehörde von Navarra und ehemaliger CHE-Präsident,
bekam zwischen 3 und 5 Millionen DM Schmiergeld für die Auftragsvergabe.
Sowohl er als auch Gabriel Urralburu (ehemaliger Ministerpräsident
von Navarra) sind wegen dieses und anderer Korruptionsfälle im Gefängnis
gelandet. Der darauffolgende Ministerpräsident Javier Otano mußte
aus denselben Gründen zurücktreten und wartet noch auf sein Gerichtsverfahren.
Außerdem war der Sicherheitsbeauftragte für den Bau, Leoncio
Castro, einer der Anführer des GAL (eine von der spanischen Regierung
ins Leben gerufene paramilitärische "Anti-Terror-Gruppe", die für
über 30 Morde verantwortlich ist).
Ohne Angabe von Gründen
ist der Kostenvoranschlag für das Projekt von anfänglichen 180
Millionen DM auf 350 Millionen DM gestiegen.
Illegalität des Projekts
Die technische Planung für
den Staudamm ist vom Nationalgericht für nichtig erklärt worden
(29.9.1995) - dieses Urteil wurde vom Obersten Gerichtshof bestätigt
(14.7.1997). Trotzdem war keine dieser gerichtlichen Instanzen in der Lage,
die Bauarbeiten zu stoppen.
Heute ist die Hauptstaumauer
schon fertig gebaut und die Umgehungsstraße, die die alte ersetzen
soll, wenn sie überflutet wird ist, eröffnet. Nun können
sie die alte Straße unbenutzbar machen und die militärische
Abriegelung der Baustelle auf die zu flutende Fläche ausweiten.
1994 legte die Coordinadora
de Itoiz (ein Bündnis von GegnerInnen und Betroffenen) eine Beschwerde
bei der Europäischen Umweltkommission ein, die zurückgewiesen
wurde. Die schnelle Einstellung des Beschwerdeverfahrens ist laut Rechtsgutachten
eines EU-internen Kontrollorgans ungerechtfertigt und stellt einen Fall
von "schlechter Verwaltung" dar. Es ist einleuchtend, daß der politische
Druck der Regierungen Spaniens und Navarras zu dieser Einstellung geführt
hat. Die Europäische Kommission antwortet im Mai 2000 ausweichend
auf die Anfragen zum Thema überflutete Naturschutzgebiete bei Itoiz
des niederländischen MdE Erik Meijer. und stellt fest: da der Staudamm
von Itoiz nun fertiggestellt ist, sieht die Kommission keinen Anlaß,
den Fall noch einmal aufzurollen. Die Dokumentation dieser Anfrage kann
unter solidarias@gmx.de abgerufen werden.
Die Regierung Navarras hat
die mafiöse Firma Burson-Marsteller (international erfahrene Image-Aufpolierer)
mit der Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Itoiz beauftragt. Diese Firma
hat schon verschiedene Diktaturen und umweltverschmutzende Konzerne bei
ihren PR-Kampagnen beraten.
Militarisierung des Gebiets
Voraussetzung für die
Baumaßnahmen war die totale Militarisierung des Gebiets. Am Fuß
des Staudamms wurde eine Kaserne der Guardia Civil (kasernierte Polizeikorps)
errichtet, wo ca. 60 Beamte wohnen. Zu ihnen muß man noch die über
30 Wächter von privaten Sicherheitsfirmen zählen. In der Nähe
der Baustelle befinden sich noch drei Kasernen der Guardia Civil - Itoiz
ist damit eines der am stärksten militarisierten Gebiete Europas.
Dies hat zur Folge, daß
die Bevölkerung dem ständigen Druck der Polizei ausgesetzt ist:
Fast tägliche Verkehrs- und Personenkontrollen, Drohungen und mehr
als verdächtige Brandstiftungen an Versammlungsorten und Privatfahrzeugen.
Widerspruch gegen das Stauseeprojekt
im Europäischen Parlament
Der Niederländer Alexander
de Roo <ADeRoo@europarl.eu.int> und der Baske Gorka Knorr, grüne
Abgeordnete des Europaparlaments, stellen am 14. März 2001 folgende
Fragen an die Brüsseler Kommission:
"Die Confederación
Hidrográfica del Ebro (spanische Wasserbehörde) hat entschieden,
mit dem Anfüllen des Itoiz-Stausees in Navarra diesen Frühling
zu beginnen - dies trotz der Tatsache, daß der Geologe und Ingenieur
Professor Arturo Rebollo ein neues Gutachten vorgelegt hat, dem zufolge
hier ein großes Sicherheitsrisiko vorliegt. Dieses Sicherheitsrisiko
hängt mit der Instabilität des lehmigen Untergrundes zusammen,
auf welchem die Talsperre errichtet ist. Das Gutachten besagt, das es hochwahrscheinlich
ist, daß Erdrutsche das Verstopfen des Ausflusses zur Folge haben
werden, worauf das Aufstauen unkontrolliert weiterginge, extremer Druck
würde auf der Staumauer lasten und am Stauseeufer liegende Ortschaften
würden überflutet. Das Überschwappen des Stausees, ja sogar
der Bruch der Staumauer werden für möglich gehalten; das würde
eine wirkliche Katastrophe für die Menschen und ein Risiko für
die Sicherheit des Atomkraftwerks in Ascó.
Dieses neue Gutachten unterstützt
vorhergegangene, u.a. ein Gutachten des spanischen Umweltministeriums,
welches das Projekt mit "maximalem Risiko" behaftet sieht. Antonio Casas,
Direktor des Institutes für Geologie an der Universität von Zaragoza
hatte vor einigen Jahren schon ein Gutachten vorgelegt, welches auf mögliche
"katastrophale Folgen" einer Inbetriebnahme der Talsperren hinweist.
1) Glaubt die Kommission,
daß der Spanische Staat die Artikel 1, 6 und 17 der Übereinkunft
über Nuklearsicherheit, Teil des internationalen Atomrechtes, welche
sowohl der Spanische Staat als auch Euratom unterzeichnet haben?
2) Unterstützt die
Kommission lokale Initiativen und internationale Umweltverbände, einschließlich
Friends of the Earth, WWF und das International River Network, welche fordern,
der Spanische Staat sollten die Inbetriebnahme der Talsperren aufschieben,
bis eine internationale Expertengruppe ihre Sicherheit garantiert?
3) Kennt die Kommission
die wichtige Bedeutung, die das Itoiz-Stauseeprojekt im Rahmen des Plan
Hidrológico Nacional (Nationaler Wasserbauplan) hat als Infrastruktur
zum Vorhalten von Wasser für die geplanten Kanalsysteme am Ebro?"
Die Frist für die Europäische
Kommission zur Beantwortung dieser Anfrage lief am 5. April 2001 offiziell
ab. Am 6. Juli antwortet sie wie folgt und erklärt sich damit für
"nicht zuständig":
> E-0983/01EN
> Answer given by Mrs Wallström
> on behalf of the Commission
> (6 July 2001)
>
>
> 1. The Euratom Community
has acceded to the
> Convention on Nuclear
Safety. The scope of the
> Euratom Community competence
under the Convention,
> except for Articles 15
and 16(2) thereof, is under
> the assessment of the
Court of Justice. It is not
> for the Commission to
say whether Spain is in
> contravention of the Convention.
>
> However, it must be mentioned
that Chapter 3 of
> Title II of the Euratom
Treaty headed "Health and
> Safety" and the secondary
legislation adopted
> thereunder are laying
down rules for protection of
> general public against
risk arising from ionizing
> radiation, both in normal
circumstances and in case
> of radiological emergencies.
In accordance with
> Article 124 of the Euratom
Treaty, the Commission
> will ensure that these
rules are correctly applied
> in the specific context
of the Itoiz reservoir,
> particularly in relation
to the nuclear plant of
> Asco.
>
> 2. As regards the environmental
law deriving from
> the EC Treaty, the Commission
is, under Article 211
> (ex Article 155) of the
EC Treaty, responsible for
> ensuring that Community
law is correctly applied by
> the Member States However,
it has to be stressed
> that the Commission is
unable to intervene in
> matters which are not
covered by Community law.
>
> The safety of the reservoir
at the Itoiz dam is a
> matter which falls outside
the scope of Community
> environmental law. Questions
relating to the
> technical quality of a
project are outside the scope
> of the impact assessment
directive. There are thus
> no legal grounds for the
Commission to take any
> action with regard to
this issue.
>
> 3. The Spanish Government
has informed the
> Commission of its proposed
National Hydrological
> Plan. The Commission has
brought to the attention
> of the Spanish authorities
the need to ensure, in
> the course of the formal
adoption procedure for the
> final Plan and subsequently
in the process of its
> implementation, the full
respect of all relevant
> Community environmental
legislation and policy.
>
Widerstand gegen den Staudamm
von itoiz
Die Bürgerinitiative "Coordinadora
de Itoiz"
Die Coordinadora wurde 1985
(als man anfing, über das Projekt zu reden) als Widerstandsorgan gegen
den Staudamm gegründet. Ihre Hauptaufgaben sind die Öffentlichkeitsarbeit
und technische Gutachten, die Mobilisierungskampagne (Kundgebungen, Demos,
Camps) und die juristische Arbeit (einlegen von Beschwerden bei den diversen
Justizbehörden).
Das Kollektiv solidari@s con itoiz
Im Februar 1995, als die
Bauarbeiten des Staudammes schon über anderthalb Jahre andauern, bildet
sich das Kollektiv Solidari@s con Itoiz, um eine neue Front aufzumachen:
die der direkten Aktion, die öffentlich und gewaltfrei sein soll,
im Rahmen einer Strategie des zivilen Ungehorsams zur Verteidigung der
Erde.
In diesen fünf Jahren
Aktivität hat die Gruppe über vierzig Aktionen durchgeführt,
um die Irrationalität einiger Institutionen anzuzeigen, die trotz
der Evidenz der Gründe zum Widerstand ihre gefährliche und umweltzerstörende
Arbeit weiter treiben.
Diese Aktionen führen
wir an den Sitzen der verantwortlichen Institutionen oder am Fuß
der Baustelle durch.
Wenn die Aktionen zu Ende
gehen, bleiben wir am Tatort, ohne bei der Festnahme Widerstand zu leisten,
trotz der Mißhandlungen seitens verschiedener Polizeikorps oder privater
Wachschützer.
Die Aktionen haben fünf
Gerichtsverfahren verursacht, und abgesehen von den zwei Monaten Haft,
die acht Mitglieder unserer Gruppe wegen des Kappens der Kabel absitzen
mußten, verbüßte ein anderes Mitglied des Kollektivs eine
Strafe von sechzehn Monaten Haft.
Das Kappen der Kabel
Im Sommer 1995 erklärte
der Nationale Gerichtshof die Arbeiten am Staudamm für nichtig und
illegal und forderte von der Klägerin, der Coordinadora, die Bezahlung
von 23 Milliarden Peseten (ca. 290 Millionen DM) für das Stoppen der
Bauarbeiten. Da sie aber anstatt gestoppt noch forciert wurden, entschied
sich das Kollektiv, diese durch eine gewagte Aktion zu "paralysieren".
So drangen am 6. April 1996
acht Mitglieder der Solidari@s con Itoiz, in Begleitung von fünf Journalisten,
in das Baustellengelände ein. Zwei von ihnen hielten den Wachschutzmann
fest, nahmen ihm die Waffe weg, um die Gefahr von Schüssen zu vermeiden,
und fesselten ihn ca. fünf Minuten lang. Sie legten die Pistole auf
das Dach des Kontrollhäuschens.
Die anderen sechs Solidari@s
kappten mit Trennschleifern ("Rotaflex") die 6 Stahlkabel der Seilbahn,
die über 800 Meter den für den Bau notwendigen Zement förderte
- das Herz der Baustelle. Auf diese Art und Wiese wurden die Bauarbeiten
für ein Jahr zum Stillstand gebracht.
Wie bei allen anderen Aktionen
der Gruppe blieben die Solidari@s, nachdem sie die Kabel gekappt hatten,
am Ort, bis die Polizei und der Wachschutz kamen. Sie wurden mit Handschellen
auf dem Rücken gefesselt und gezwungen, sich auf den Bauch zu legen,
wobei sie eine Stunde lang Prügel bezogen. Sie erlitten verschiedene
Körperverletzungen: Trommelfell- und Sehnenriß, viele blaue
Flecken etc...
In einem Gerichtsverfahren,
das im Frühjahr 1999 stattgefunden hat, wurden zwei der Wachschützer
dazu verurteilt, die Körperverletzungen mit einer Summe von ca. 12.000
DM zu entschädigen. Dieses Geld ist noch nicht bezahlt worden.
Auch die Journalisten wurden
angegriffen und ihr Material unbrauchbar gemacht. Am Tag danach wurde die
Abteilung der Tageszeitung, wo die Journalisten tätig waren, von der
Polizei durchsucht.
Die Solidari@s waren 8 Stunden
lang in einem Polizeiwagen in einzelne 1 mal 1,50 Meter große Zellen
unter einer stechenden Sonne eingesperrt. Sie waren an den Rücken
gefesselt und durften nicht einmal Wasser trinken.
15 Tage lang gab es eine
große Pressekampagne, die die Aktion als "Terrorismus" qualifizierte
und dabei erfolglos versuchte, die Bevölkerung gegen die AktivistInnen
aufzubringen. Diese wurden ins Gefängnis gesteckt, wo sie 2 Monate
lang blieben und woraus sie dank des öffentlichen Drucks per einstweiliger
Freilassung raus kamen. Ihr Gerichtsverfahren stand noch offen. Zwei Tage
nach ihrer Freilassung fand eine große Demonstration gegen den Staudamm
statt, wo ca. 15.000 Menschen teilnahmen (es war eine der größten
in der Geschichte des Kampfes gegen den Staudamm).
Aufgrund dieser Aktion wurde
eine große Solidaritätskampagne mit den Gefangenen gestartet,
in der sich spontan mehrere Solidaritätsgruppen mit den Solidari@s
bildeten und direkte Aktionen gegen den Staudamm durchführten.
Über 300 Gruppen solidarisierten
sich öffentlich.
Strafrechtliche Folgen der Aktion
Zwei Jahre nach der Aktion
wurde ein Gerichtsverfahren gegen die 8 Solidari@s beim Landgericht von
Navarra durchgeführt. Gegen sie gab es 5 verschiedene Klageanträge,
unter ihnen der von der Regierung Navarras, die 19 Jahre Haft pro Angeklagten
forderte.
Schließlich lautete
das Urteil auf 4 Jahre und 10 Monate Gefängnis je Angeklagter wegen
der illegalen Festnahme (Freiheitsberaubung) des Wachmannes, und nur 3
Wochenenden wegen der Sabotage. Eine Geldstrafe als Entschädigung
wurde auf ca. 2 Millionen DM festgelegt.
Das Kollektiv legte Widerspruch
beim Obersten Gerichtshof ein, der im Oktober 1999 zurückgewiesen
wurde. Das Urteil steht damit fest und verlangt den sofortigen Haftantritt.
Die Justiz kann eine solch
saubere Aktion wie diese nicht tolerieren. Wegen der Sabotage konnte sie
keine hohe Haftstrafe verhängen. Ihr hartes Urteil baut deshalb auf
dem fünfminütigen Festhalten des Mannes auf. Sie machen daraus
eine "illegale Festnahme" oder "Entführung", wobei sie auch noch älteren
Gerichtsurteilen widerspricht. Die Dauer der angeblichen Entführung
kann man dem Video entnehmen, das als Beweisstück benutzt worden ist
und allen zur Verfügung steht.
Die vier Polizisten und
Mitglieder des GAL (die neulich verurteilt worden sind), die Segundo Marey
10 Tage lang gefangen hielten, bekamen das gleiche Strafmaß für
die Freiheitsberaubung. Das zeigt deutlich, daß die spanische Justiz
mit zweierlei Maß mißt, je nach dem, wer gerade verurteilt
wird. Hinzu kommt noch, daß wir sehr stark zweifeln, ob diese Polizisten
jemals ihre Haft antreten werden, da ihre Chefs (Rafael Vera, ehemaliger
Sekretär für Staatssicherheit und José Barrionuevo, ehemaliger
spanischer Innenminister) schon auf freiem Fuß sind. Sie sind nach
kurzer Haft begnadigt worden.
Außerdem ist es klar,
daß das fünfminütige Festhalten nicht Ziel der Aktion war
sondern das Kappen der Kabel.
Der Oberste Gerichtshof
beruft sich auf ein Urteil von 1874, um zu beweisen, daß dieses Festhalten
eine "Entführung" sei.
Im Baskenland sind solche
Freiheitsberaubungen seitens der verschiedenen Polizeikorps Teil des Alltags,
ohne daß diese als Straftaten verfolgt würden.
So sehen wir, wie sich einmal
mehr die Justiz mit der Politik und der Wirtschaft verbündet, um die
Irrationaliät, die Illegalität und die absolute Respektlosigkeit
gegenüber der Erde zu verdecken, und wie sie dabei diejenige, die
sie verteidigen, mit exemplarisch harten Strafen bestraft.
Die Parallele zwischen dem
Urteil und dem allgemeinen Fall des Staudammes ist überdeutlich: Die
Justiz ist nicht in der Lage, eine Baustelle zu stoppen, die sie selbst
- und zwar mehrere Male - für illegal erklärt hat. So wird auch
ihre Unterwerfung unter die führenden Kräfte in Politik und Wirtschaft
deutlich sichtbar:
Gleich nach der Festlegung
des Urteils veröffentlichten sowohl die Coordinadora de Itoiz, Greenpeace
als auch "Ecologistas en Acción" (Umweltschützer in Aktion,
ein Dachverband von über 120 Umweltgruppen aus ganz Spanien) einen
Antrag auf Begnadigung der acht Solidari@s. Diese Tatsache, zusammen mit
der Unterstützung, die wir seitens der Mehrheit der Gewerkschaften,
der Umwelt- und sozialen Bewegungen Euskal Herrias und des ganzen spanischen
Staates bekommen, zeigt uns ganz deutlich, daß das Kollektiv Solidari@s
con Itoiz nicht allein steht.
Die Sabotage von 34 Baumaschinen
In der Nacht vom 21.9.98
zum 22.9.98 sabotierten zwei Frauen des Kollektivs Solidari@s con Itoiz
34 Baufahrzeuge und -maschinen. Auf einer Strecke von 13 km Landstraße,
die durch zwei Täler führt sabotierten sie die Maschinen, indem
sie winzige Metallteile in den Öltank füllten oder Maschinenteile
so anfeilten, daß sie bei Benutzung abbrachen. Aufgrund der großen
Gefahr des "erwischt Werdens", der 20 minütigen Prügel, die 8
Mitglieder des Kollektivs bei der vorherigen Aktion des Kappens der Kabel
von privaten Wachposten unter den Augen der Guardia Civil erlitten, lieferten
sie sich nicht an Ort und Stelle der Polizei aus, wie es sonst immer bei
den Aktionen der Fall ist, sondern stellten sich erst am nächsten
morgen im Kommissariat. Dort wurde ihnen zunächst nicht geglaubt,
da die Baufirma versuchte, die Aktion zu vertuschen. Aufgrund der enormen
Pressenachfragen gelang es ihnen allerdings nicht, die Aktion der Öffentlichkeit
geheimzuhalten. Die Frauen verbrachten zwei Tage im Knast, wo sie ständigen
Demütigungen der Guardia Civil ausgesetzt waren. Die größte
Demütigung und die Tragik der Aktion besteht jedoch darin, daß
bis heute von vielen Seiten in Frage gestellt wird, daß sie diese
Aktion überhaupt durchgeführt haben, was vor allem durch bestimmte
Medien provoziert wurde. Dort wird behauptet, daß es schließlich
nicht möglich ist, daß Frauen ein solches technisches Geschick
haben und zusätzlich 13 km bergab, bergauf mit dem dazu benötigenden
Material zurückgelegt haben können. Letztendlich wird ihnen unterstellt,
jemanden decken zu wollen. Die strafrechtlichen Folgen: 3 Jahre Knast (ohne
Bewährung) und eine Geldstrafe von 413 000 000 pts. ( ca. 5 000 000
DM) ist die von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafe. Diese Forderung
ist ungewöhnlich hart und stellt eine erneute Verschärfung der
Repression gegen das Kollektiv dar. Normalerweise ist auf Sachbeschädigung
eine Strafe von 2 Jahren Knast auf Bewährung ausgesetzt, die Härte
wird im Antrag der Staatsanwaltschaft mit "politischen Motiven", die zur
Tat geführt haben, begründet. Die Frauen sind in erster Instanz
zu je 365 Tagessätzen verurteilt worden. Das Berufungsverfahren steht
noch aus.
Die Europatournee der Gruppe SOLIDARIOS
CON ITOIZ
Im Winter 1999/2000, direkt
nach Verkündigung des Urteils gegen sie, reisten die acht Aktivisten
aus dem spanischen Staat aus, um in Europa mit aufsehenerregenden Gewaltfreien
Direkten Aktionen Öffentlichkeit zu schaffen. Die Forderungen waren
der Stopp des Itoiz-Projektes und die Aufhebung der Gefängnisstrafen
für die Gruppe. Es wurden Aktionen in London, Den Haag, Berlin, Rom
und Straßburg durchgeführt.
Auf der Europatournee wurde
erfolgreich für das erste internationale Widerstandscamp bei Itoiz
mobilisiert. AktivistInnen aus mehreren europäischen Ländern
trafen sich in Erdozain bei Itoiz im Mai 2000 für ein Wochenende und
demonstrierten gemeinsam gegen das Stauseeprojekt.
Situation im Frühjahr 2001
Die Talsperren bei Itoiz
sind inzwischen fertiggestellt und es wurde mit dem Fällen der insgesamt
1 Million Bäume auf den zu flutenden 1.100 ha begonnen. Zeitgleich
mit der Aufnahme dieser Arbeiten ging bei den ausführenden Firmen
und der baskischen Presse ein Bekennerschreiben einer unbekannten Gruppe
ein (www.dossa.nav.to), dem zufolge mehrere tausend Bäume im Gebiet
mit sogenannten Spikes versehen worden seien. Der Zweck dieser Aktion ist,
die Fällarbeiten zu erschweren, zumindest zu verteuern. Die Metall-
und Glasstifte in den Baumstämmen beschädigen die Motorsägen
und gefährden potentiell sogar die Arbeiter. Mehrere Arbeiter haben
daraufhin ihren Job an den Nagel gehängt.
In den von der Überflutung
bedrohten Dörfern Artozki und Itoiz widerstehen einige EinwohnerInnen
immer noch, obwohl sie längst rechtskräftig enteignet worden
sind. Sie wollen auch bei einer Räumung durch die Polizei Widerstand
leisten.
Widerstandscamp 27. August bis 2. September
2001
Im August soll das zweite
internationale Widerstandscamp bei Itoiz stattfinden. Aufruf
und Pogramm
Infomaterial
Es gibt ein neues, sehr gutes
Video (Frühjahr 2001), produziert von der Gruppe SOLIDARIOS CON ITOIZ,
in spanischer, baskischer, englischer und deutscher Version. Die deutsche
Version kann bestellt werden bei solidarias@gmx.de gegen Spende von 30,-
DM (VHS, 60 Minuten). Unter derselben Adresse können laufend die verfügbaren
Infos nachgefragt werden. Ebenso eine Auswahl online auf der Itoiz-Themenseite
des www.infoladen-daneben.de .
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