Dieses Dokument ist Teil des Buches Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg, 1998
"Die Rüstungsindustrie oder die Rüstungsgüter
spielen für Hamburg überhaupt keine Rolle".
Dies
sagte Bausenator Eugen Wagner 1991 vor dem Hamburger
Landesparlament.1 Seine Aussage
steht stellvertretend für eine in Kreisen der politisch und
wirtschaftlich Verantwortlichen verbreitete Haltung: Hamburg hat ein
friedliches Image, und dabei soll es bleiben. Jedes kritische Wort zu
diesem Thema ist ein Wort zuviel.
Wir meinen dagegen, daß die Bedeutung dieses Stadtraums für die Rüstungswirtschaft nicht länger beschönigt und unter den Tisch gekehrt werden darf. Unser Grundgedanke ist: Wenn aus dem kriegerischen Irrsinn des 20. Jahrhunderts eine Lektion abzuleiten ist, dann sicherlich diese: Entwicklung, Produktion und Verkauf von Waffen und Kriegsgerät sind keine Selbstverständlichkeit. Eine Gesellschaft, die der Rüstungslobby mit ihren Scheinargumenten und ihrer beschönigenden Sprache auf den Leim geht und darauf verzichtet, hinter die Kulissen zu blicken, lebt gefährlich. In einer zeit, in der die Bewältigung großer sozialer und ökologischer Probleme im nationalen wie im globalen Maßstab alle Energien erfordert, kann es nicht sinnvoll sein, weiter technische Kreativität, Arbeitskraft und Steuergelder in Milliardenhöhe auf den Krieg auszurichten.
Die Idee zu dieser Dokumentation ist im "Informationskreis Rüstungsgeschäfte in Hamburg" entstanden, einer unabhängigen Gruppe, die nach dem Golfkrieg von 1991 gegründet wurde und seitdem Öffentlichkeitsarbeit zu diesem Thema leistet. Drei Beobachtungen haben uns in dem Entschluß bestärkt, eine umfassende Informationssammlung und Dokumentation zu erarbeiten:
Es gibt auch keine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung, durch die sich Interessierte über Bedeutung, Entwicklung und Hintergründe der rüstungswirtschaftlichen Aktivitäten im Hamburger Raum informieren könnten.
Die vorliegende Studie beschränkt sich nicht allein auf Rüstungsexporte, sondern bezieht die Geschäfte mit der Bundeswehr mit ein. So soll mit dieser Untersuchung nicht zuletzt auf die weitgehend unbeachtete Tatsache hingewiesen werden, dass Deutschland speziell im Marinebereich aufrüstet, ohne von außen bedroht zu sein.
Bewußt ist nicht allein der heutige Ist-Zustand zum Gegenstand der Untersuchung gewählt worden, sondern der Zeitraum seit etwa 1980. Insofern hat die Arbeit nicht nur den Charakter eines aktuellen Nachschlagewerks, sondern auch den einer Bilanz. Dabei wird Wert darauf gelegt,
nach dem Erfolg etwaiger Konversionsbemühungen zu fragen.
Darüber hinaus wird bei einer Reihe von Firmen auf Kontinuitätslinien in der Rüstungsproduktion hingewiesen, die bis in die NS-Zeit, teilweise in noch frühere Zeiten zurückreichen.
Woher stammen die Informationen dieser Dokumentation? Es bedarf tatsächlich längerer Beobachtung und aufwendiger Recherche, um etwas Licht in das Dunkel der hiesigen Rüstungsgeschäfte zu bringen, zumal sich Senat und Handelskammer zu diesem angeblich so "sensiblen" Bereich äußerst bedeckt halten. Die Auskunftsbereitschaft der Firmen ist begrenzt. Die wichtigste Möglichkeit, den Rüstungsfirmen auf die Spur zu kommen, ist die systematische Durchsicht von militärischen und rüstungsbezogenen Zeitschriften bzw. Spezialpublikationen, die eigentlich nur für Insider bestimmt sind. Für diese Untersuchung waren vor allem folgende Zeitschriften von Bedeutung: "Wehrtechnik", "Soldat und Technik", "Naval Forces", "Marineforum" und der "Griephan Brief Wehrdienst". Als fast unerschöpliche Informationsquelle wurden daneben die dickleibigen Publikationen des britischen Militärverlag Jane's genutzt, der zu jedem wichtigen Rüstungssektor jährlich ein Verzeichnis von Produkten und Herstellern herausbringt. Eine grosse Fülle von Zeitungsberichten, Drucksachen und Protokollen aus Bundestag und Bürgerschaft, Firmenfestschriften, Firmenprospekten und regional- und militärgeschichtlicher Literatur ist ebenfalls für diese Arbeit ausgewertet worden. Ausdrücklich danken möchte ich den Betriebsratsmitgliedern verschiedener Firmen, die zu Informationsgesprächen bereit waren.