Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Jürgen Stahmer KG

21635 Jork, Leeswig 137



Die Reederei von Jürgen Stahmer verfügt - Stand 1996 - über zwei Frachter: die "Mandeb Bay" (ex "Blue Sky", ex "Inka Deede") und die "Blue Bird" (ex "Gretl"), beide mit gut 3.100 BRT. In früheren Jahren gehörten auch kleinere Schiffe wie "Katja" und "Jan" zu seinem Bestand.

Beteiligung am Rüstungsgeschäft

Die Jürgen Stahmer KG ist durch den Transport von Kriegsmaterial bekannt geworden. Das Stader Tageblatt berichtete 1987:5

"Seit mindestens 15 Jahren arbeitet der Jorker Reeder Jürgen Stahmer mit dem internationalen Waffenschieber Finn Poulsen aus Dänemark zusammen. Aus den Positionslisten der Firma Lloyds, die den weltweiten Schiffsverkehr beobachtet, ist zu ersehen, dass Schiffe des Jorker Reeders seit 1972 oder 1973 für die dänische Redderei fahren."

Besonders mit seinem Frachter "Gretl", heute "Blue Bird", ist Stahmer wiederholt ins Gerede gekommen. Bei diesem Schiff ist der genannte Waffenschleuser Poulsen, der in Dänemark bereits 1983 wegen illegaler Rüstungstransporte nach Südafrika bestraft wurde, offenbar Miteigentümer. Die "Gretl", 1986 von der -> Sietas-Werft fertiggestellt, ist offenkundig für militärische Zwecke besonders geeignet: Schon auf der Jungfernreise fungierte sie als Begleitschiff für ein NATO-Manöver.

Eines der ersten kommerziellen Fahrtziele der "Gretl" war - nach Angola - das Kriegsgebiet am Golf. Am 6. Februar 1987 lief die "Gretl" vom portugiesischen Hafen Setubal aus, angeblich mit Ziel Singapur, doch an Bord war eine Waffenladung für den Iran.6 Bei der Fracht handelte es sich um Produkte der portugiesischen Waffenfabrik Industriais Nacionais de Defesa (INDEP), vor allem um Mörser und dazugehörige Granaten, wohl auch um Schnellfeürgewehre, Minen und und Boden-Luft-Raketen. Als die Presse den Fall publik machte, schalteten sich Bundesregierung und Hamburger Staatsanwaltschaft ein. Es entstand der Eindruck, dass die offiziellen Stellen das Schiff samt Ladung zurückholen und den Kriegstransport einer gründlichen Untersuchung unterziehen wollten. Doch es kam anders: Nach wochenlangem Rätselraten, wo das Schiff anlanden würde - es ging z.B. das Gerücht um, die "Gretl" würde in Island entladen - gab Regierungssprecher Ost am 9. März 1987 bekannt, dass die Waffenfracht gerade vor Gibraltar auf ein anderes Schiff umgeladen werde. Namen und Herkunft dieses Schiffes wollte er nicht nennen - die Bundesregierung spielte selbst mit verdeckten Karten. Zu fast demselben Zeitpunkt wurde die "Gretl" mit Genehmigung des Bundesverkehrsministeriums in "Blue Bird" umbenannt. Sollte auf diese Weise die Kriegsladung für Khomeini ganz elegant von der "Gretl" auf die "Blue Bird" umgeladen" werden? Der Anwalt von Stahmer wies diesen Verdacht als unzutreffend zurück.

Was vor Gibraltar und hinter den Kulissen genau geschah, warum Stahmer sein Schiff umbenannte, ist auch heute noch nicht eindeutig geklärt. Nach Angaben von Lloyds ging die "Blue Bird" am 12. Mai 1987 im persisch-arabischen Golf vor Anker, Zielhafen: Bandar Abbas im Iran. Erst im September 1987 kehrte der Frachter leer nach Hamburg zurück; das Hamburger Abendblatt vermerkte lapidar: "Die Kriegswaffen sind offenbar im Iran gelöscht worden."7 Darüber, ob die Lieferung des Kriegsmaterials durchgesetzt wurde, weil sie im Zusammenhang mit der heimlichen US-Waffenhilfe für den Iran stand, kann ebenfalls nur spekuliert werden.

Im April 1992 fiel die "Blue Bird" erneut auf. Diesmal hatte sie im Rostocker Hafen 1400 Tonnen Konstruktions- und Ersatzteile für Panzer aus speziell legiertem Stahl geladen - wieder sollte die Reise in den Iran gehen.8 Deklariert war die Fracht als "Metallschrott". Ein Tip brachte die Rostocker Zollfahndung auf die Spur der geplanten Lieferung. Wie schon 1987 gab sich Stahmer ahnungslos.

Dessen dubiose Geschäfte haben die Bundeswehr nicht abgehalten, die "Blue Bird" auch für ihre Zwecke zu chartern. Im Sommer 1995 brachte das Schiff für den Deutschen Einsatzverband Kroatien einen Teil der militärischen Ausrüstung nach Split.




Anmerkungen:

(5) Stader Tageblatt 24.2.1987.
(6) Zum Folgenden: Hamburger Friedenskordination (Hrsg.): Hamburg und der Golfkrieg, Hamburg 1988, S. 5ff.; Spiegel Nr. 9/23.2.1987; Hamburger Abendblatt 9.2., 16.2., 19.2, 23.2., 24.2., 26.2., 10.3., 13.3.1987; Hamburger Morgenpost 23.2.1987; taz Hamburg 13.3.1987; Bürgerschafts-Drucksache Nr. 13/396 (Schr. Kl. Anfrage Anja Kuhr, Sept. 1987.
(7) Hamburger Abendblatt 1.10.1987.
(8) Berichterstattung des Hamburger Abendblatts und der Hamburger Morgenpost zwischen 23. und 28.4.1992.