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Que Se Vayan Todos

- Argentinas Popular Uprising -


Ein Augenzeugenbericht des finanziellen Zusammenbruchs und der fortschreitenden Grasswurzelrebellion

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Ströme von Musik

15. Februar 2002

Unsere FreundInnen bitten uns, sie für den cacerolazo heute Nacht im Cafe der Volxuni der Mütter vom Plaza de Mayo zu treffen. Der Ort ist ein riesiges soziales Zentrum, genau gegenüber dem Kongreßgebäude, und wird von den bekannten Madres der Verschwundenen geleitet, deren mutige Aktionen die Welt auf die massenweise Verschwundenen während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 aufmerksam machte.
Umzingelt von Regalen vollgestopft mit Büchern, Zeitschriften und Zeitungen,die die radikalen sozialen Kämpfe Lateinamerikas dokumentieren, trinken wir unumgängliche lateinamerikanische Gesundheits- und Freundschaftsgetränk, yerba mate, eine außerge-wöhnlicher Kräutertee die Energie und mentale Wachheit erhöht und von dem gesagt wird es enthalte alle lebenswichtigen Vitamine. Das warme Getränk wird in einem Kürbisbecher mit silbernem Trinkhalm serviert und wird unter FreundInnen geteilt und weitergegeben. Ein politisches Treffen in Argentinien ohne Mate ist nicht vollständig, und manche von uns wundern sich ob dieser scheinbar unscheinbare Tee mit Zweigen die geheime Zutat hinter dieser inspirierenden Rebellion darstellt.
Die Nacht bricht an, und kurz danach hören wir den sich wiederholenden Rhythmus des Töpfe-und-Pfannen- Schlagens, der über den Platz schwebt. Eine kleine Menge von etwa fünfzig Menschen hat sich in der Straße versammelt - sie sind jung, alt, reich, arm, smart oder verlottert gekleidet, aber alle mit Löffeln, Gabeln bewaffnet und einer Vielzahl von metallenen Gegenständen zum Beschlagen bewaffnet: Kochtöpfe, Deckel, Kannen, Coladosen, Autoteilen, Keksdosen, Eisenstangen, Backblechen, Autoschlüsseln. Der Rhythmius ist ein hoher Ton und monoton, und darüber hinaus singen die Menschen eingängige Lieder anstelle von langweiligem politischen Skandieren von Slogans. Oft fehlt nicht der wichtigste Ruf dieser Bewegung: que se vayan todos, sie sollen alle gehen, gemeint ist die GESAMTE politische Klasse, jedeR PolitikerIn jeder Partei, der Oberste Gerichtshof, der IWF, die Konzerne, die Banken - einfach alle raus damit die Menschen selbst entscheiden können über das Schicksal dieses ökonomisch in der Krise befindlichen Landes.
Unsere Freundin Eva erzählt uns daß die Bewegung etwas an Dynamik verloren hat in den letzten Wochen. Wir geben zu daß wir überrascht sind von der kleinen Menge an Menschen - wir hatten uns die cacerolazos riesig vorgestellt. Aber als wir dies denken, kommen wir an eine Kreuzung. Auf unserer Rechten sehen wir eine weitere Menge, vielleicht zweimal so groß wie unsere, die auf uns zu kommt, winkend und jubelnd. Wir gehen einige Strassenzüge weiter, und an der nächsten Ecke kommt eine weitere Menschenmenge aus der U-Bahn- Station, singend und auf und ab springend als sie sich mit unserer Gruppe vereint, und an der nächsten Kreuzung kommen weitere Menschen auf uns zu.
Wir fingen als fünfzig an, wurden hundert oder mehr, dann zweihundert, fünfhundert, tausend, zweitausend, vielleicht mehr. Ströme von Menschen die ineinander fliessen, größer und größer werden, zu einem riesigen tosenden Fluß werdend als wir uns unserem eingentlichen Ziel, dem Plaza de Mayo, nähern, wo der Präsidentenpalast, das Rosa Haus, steht, geschützt hinter Polizeiketten und Barrikaden.

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