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Que Se Vayan Todos
- Argentinas Popular Uprising -
Ein Augenzeugenbericht des finanziellen Zusammenbruchs und der fortschreitenden Grasswurzelrebellion
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Öffentliche Wirtschaft
16. Feb. 2002
Es ist in den Tauschmärkte, wo es ein weiters außesgewöhnliches Beispiel für aus der Notwendigkeit gebohrener Erfindungsgabe gibt, die es den Argentiniern ermöglicht die Krise zu überleben. Wir besuchen die Trouque La Estacion, oder die Station des Umtausches, die zweimal die Woche in einem vierstöckigen Gemeinschaftszentrum in einem Vorort der Stadt stattfindet. Wir werden dort von Anna herumgeführt, einer schüchternen Ingeneurin, die eine dicke Brille trägt. "Die Politiker haben alles von den Leuten gestolen, sie wollen Alle kontrollieren", erklärt sie, "die Leute kommen hier her, weil sie kein Teil des Systems sein wollen."
Das Zentrum ist sehr belebt; wir können uns beinahe nicht durch die fröhliche Masse der Leute bewegen, die durch die Reihen der Tische gehen, und die angebotenen Güter und Dienstleistungen begutachten. Man kann hier alles kaufen, beziehungsweise, man kann hier alles ertauschen, von Eiern zu Autoaufklebern, Miniröcken zu Gewürzen, von Cucumber bis hin zu genähten Klorollenhaltern, solange man die tauscheigene Währung benutzt, kleine bunte Scheine, die etwas wie das Geld bei Monopoly aus-schauen. Das System ist einfach: Die Leute nehmen die Sachen, die sie anzubieten haben zum Markt, und verkaufen sie gegen Tauschcredits. Die Verkäufer können diese wiederum benutzen, um sich die Sachen zu besorgen die sie selber benötigen. Wenn man nichts einzutauschen hat, sich aber beteiligen möchte, muss man Cerdits gegen Bargeld bei einer Bank erwerben. Aber die meisten Menschen haben etwas, womit sie handeln können wenn sie einfallsreich genug sind. Denn obwohl die Leute einen großen Mangel an Bargeld haben, haben sie einen Überschuss an Einfallsreichtum.
Auf einigen Tischen liegen haufenweise Ziergegenstände, andere dagegen sind zu sauberen Auslagen geordnet. Eine junge Frau sitzt hinter einem Haufen Unterwäsche und liest Nietsche, während ihre Mutter, die ihr Kind in einer Schlinge trägt, lebhaften Handel mit selbstgemachten Kuchen treibt. Auf einem Tisch drängen sich Frederick Forsyths Erzählungen mit dem argentinischen Equivalent zum Hello Magazine und Büchern über den Spanischen Bürgerkrieg. Neben die Treppe gedrängt, unterhält sich eine indigene bolivianische Familie über Kisten mit frischem Gemüse hinweg. Im Obergeschoss bietet ein Arzt mit glänzend weißem Mantel Blutdruckmessungen an, gleichzeitig führt ein Zahnarzt eine Behandlung an einem Paar falscher Zähne vor. Manche Leute lassen sich in einem Raum die Haare schneiden und in anderen werden Maniküre und Tarot-Karten lesen angeboten.Es gibt Unterricht in technischem Zeichen ebenso wie Beratung für Immigration. Gegentlich gibt die Radiostation von Treque (die durch eine knackende PA Anlage "sendet") neu dazugekommene Angebote bekannt.
Diese Tauschclubs entstanden 1995 als die Rezension spürbar zu werden begann. Seitdem entwickelten sie sich zu einem ganzen Netzwerk und sind als Nodos bekannt (Knoten oder Konzentrationspunkt). Zur Zeit gibt es mehrere tausend Nodos mit mehr als 2 Millionen TeilnehmerInnen im ganzen Land. Für viele Menschen sind sie zum einzigen Weg, die Wirtschaftskrise zu überleben geworden.
Als wir das Gebäude verlassen, gehen wir an einer Marktver-käuferin, mit der wir nachmittags gesprochen hatten vorbei. Sie winkt uns zum Abschied, in ihren Augen spiegelt sich Nieder-geschlagenheit und Enttäuschung, ein scharfer Kontrast zur lebendigen Umgebung um sie herum und ihre Lippen formen still die Worte: "Wir sind hungrig".
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