Licht am
Horizont
Annäherungen an die PKK |
III. Der Kampf der Frauen
als zentraler Punkt innerhalb der PKK
III.1. Frauen in der traditionellen kurdischen Gesellschaft
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III. Der Kampf der Frauen als zentraler Punkt in der PKK
III.1. Frauen in der traditionellen kurdischen Gesellschaft
Gründe,
warum sie der Guerilla beitreten.
In der kurdischen Revolution kämpfen Frauen in ihrer"eigenen" Armee,
der Frauenarmee, um Befreiung. Die PKK hat sich einen radikalen Wandel
der Gesellschaft und damit vor allem einen radikalen Wandel der Rolle der
Frau zum Ziel gesetzt. Schon heute, nach 11 Jahren bewaffnetem Kampf hat
sich die Situation der Frauen in allen Teilen Kurdistans stark verändert.
Frauen, die heute der Guerilla beitreten, finden ganz andere Bedingungen
vor als Frauen, die in der Ideologiephase ab 1973 oder am 15. August 1984
an den ersten bewaffneten Aktionen in der HRK beteiligt waren. Auch das
Leben der Frauen in der Bevölkerung hat sich durch den Befreiungskampf
stark verändert.
Im folgenden Abschnitt sollen die Bedingungen, die die Frauen bei ihrem
Eintritt in die Guerilla hatten, der Wandel ihrer Rolle und die Haltung
der Partei zur Geschlechterfrage dargestellt werden. Da ich mich nur auf
Interviews mit Frauen beziehe, spielt die Haltung der Männer zur Geschlechterfrage
hier keine Rolle. Sie sollte an anderer Stelle untersucht werden.
Die Frauen, die heute in der ARGK die Frauenarmee aufbauen, kommen
meist entweder aus feudalistischen Dorfstrukturen oder kleinbürgerlichen
Verhältnissen. In der traditionellen kurdischen Gesellschaft ist die
Familie die einzige funktionierende Struktur. Geprägt von feudalen
Stammesstrukturen und islamischen Einflüssen ist sie ein großes
Hindernis für gesellschaftliche Entwicklung. Jede Organisierung wird
verhindert durch die Tatsache, daß nur für das Überleben
der eigenen Familie Kraft aufgewendet wird. So dient sie der Individualisierung
und letztlich den Interessen der Kolonialmacht.
Obwohl die Frauen in der Familie wichtige Aufgaben inne haben, den
Großteil der Arbeit auf den Feldern leisten, den Haushalt führen
und die Kinder erziehen, sind sie vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen,
haben häufig keine Schule besucht, können die Sprache der Kolonialisten
nicht, sind ans Haus gebunden.
„lm Dorf gab es keine Schule, damals (vor ca. 15 Jahren) war die nächste Schule 20 km entfernt. Man fand es ganz normal, es war einfach so. Vor allem Mädchen gingen nicht zur Schule. Es wurde gesagt: So weit kann ein Mädchen nicht laufen. Was soll ein Mädchen in die Schule gehen; Sie wird heiraten, Kinder kriegen. Für uns war das ganz normal. Da wo ich aufgewachsen bin sind 95 % der Mädchen nicht zur Schule gegangen. In den Städten ist es anders. Auf dem Dorf war es eher die Ausnahme. „ (Heval Sozdar)
Viele Mädchen werden auch heute noch im Kindesalter verlobt oder zumindest an einen zukünftigen Ehemann versprochen, der häufig viel älter ist als sie. Auch wenn das Stammessystem in NW-Kurdistan jetzt größtenteils zerschlagen ist, wirken noch viele Einflüsse nach. Besonders auf das Leben der Frauen. Stammesfehden, Familienwidersprüche und Konfessionsunterschiede sind als Folge der bewußt betriebenen Politik der Kolonialisten ständig am Leben gehalten worden.
Patrilokalität beispielsweise bedeutet: Die Frau siedelt nach der Heirat in eine fremde Familie über, während der Ehemann in seiner Familie bleibt. Dort ist die eingeheiratete Ehefrau in der Familienhierarchie zuunterst eingeordnet. Sie wird als Dienerin zur Bedürfnisbefriedigung der übrigen Familienmitglieder betrachtet. Nach außen ist die Familie und (somit) vor allem die Frau stark abgeschottet. Eine Frauengemeinschaft, wie wir sie uns in der tradititionellen Gesellschaft vielleicht vorstellen gibt es im Dorf nicht. Alles was in der Familie geschieht, gilt als Familiengeheimnis und wird nicht nach außen getragen, so daß die Frauen sich über ihre Probleme nicht austauschen können.
Wenn eine Frau nicht mit 15 Jahren oder 16 Jahren verheiratet wird, gilt dies als Schande. Von der frühen Kindheit an bereitet sie sich auf die Heirat vor.
„Die Mädchen finden es ganz normal. Der Wille in die Sklaverei zu gehen ist da. Es gibt keine Frage nach einem freien Leben, weil sie nichts davon wissen. Es ist ja nichts zu sehen.. Das Mädchen wird wie eine Ware gekauft und verkauft, wird gegen Geld gegeben und wie ein Eigentum angesehen. Sie ist in jeder Hinsicht von der Verwandtschaft abhängig. Ihr Leben ist die Befriedigung der Bedürfnisse des Mannes. Eigene Bedürfnisse hat sie nicht. „ (Heval Sozdar)
Oft tauschen zwei Familien Mädchen zur Heirat aus. Ansonsten muß die Familie des Bräutigams einen Brautpreis zahlen, der nach den Verhältnissen bemessen wird, in denen das Mädchen aufgewachsen ist. Der Mann muß oft jahrelang arbeiten, um das Geld zusammenzubekommen (z.B. in der BRD 20 000 - 30 000 DM). Ob die Frau einverstanden ist, spielt keine Rolle. Der Brautpreis führt dazu, daß der Mann die Frau wie eine Ware ansieht, für die er bezahlt hat. Die Frau ist sein Eigentum.
Ehre und Schande sind weitere Kategorien, um das Leben der Frauen in Kurdistan, ja im Mittleren Osten überhaupt, zu verstehen. Nach diesen ist die Ehre der Familie abhängig von der sexuellen „Reinheit« der Frau. Sexuelle Kontakte außerhalb der Ehe, (egal ob die Frau bereitwillig teilnimmt oder nicht) bringen Schande über die ganze Familie. Das Resultat ist die strikte soziale Kontrolle für weibliche Kinder von frühem Alter an. Es sind jedoch nicht nur sexuelle Kontakte, die Unehrenhaftigkeit über die Familie bringen können. Ohne Begleitung eines männlichen Verwandten zu reisen, mit Männern zu reden, die keine Verwandten sind, oder sogar eine eigene Meinung zu haben, sind Verhaltensweisen, die für Frauen als unehrenhaft gelten. Diese ungeschriebenen Gesetze wurden von den meisten Frauen in den traditionellen Dorfstrukturen als Schicksal hingenommen, eine Alternative gab es nicht.
Unter diesen eingeschränkten Bedingungen haben Frauen keine Gelegenheit, Eigeninitiative zu entwickeln, eigene Kriterien und Maßstäbe dafür, wie Frauen anders leben könnten.
Zu den traditionellen Ausbeutungsverhältnissen der Familienstruktur, der Unterpriviligierung der Frauen in allen Lebensbereichen, kam die Unterdrückung durch das türkische Regime. Die Repression des türkischen Staates setzte vor allem auch am Schwachpunkt der traditionellen kurdischen Gesellschaft an, der Ehre der Frau. Mit der Intensivierung der offenen Repression auf die kurdischen Dörfer in den Jahren 1989/90 und noch verstärkter nach den Volksaufständen (Serhildans) begannen auch Angriffe auf „die Ehre" der Frauen durch Vergewaltigungen und andere sexuelle Übergriffe. Es war ein Versuch, die kurdische Gesellschaft weiter zu spalten. Langfristig wurde damit jedoch genau das Gegenteil erreicht. Ein Beispiel soll zeigen, wie tief diese Erfahrungen schon bei Kindern wirken.
„Wenn Soldaten ins Dorf kamen wurden wir alle zusammengetrieben in eine
Ecke, von den Soldaten geprügelt und gefoltert, auch die Kinder. Eine
Frau, ich erinnere mich ganz genau, war schwanger und hat ihre Wehen bekommen.
Sie sagte, sie kriege ihr Baby. Die Soldaten haben sie nicht ins Haus gehen
lassen. Unter uns hat sie ihr Kind zur Welt gebracht. Das war ein schreckliches
Erlebnis. So habe ich große Abneigung gegen den Staat bekommen. Wir
mußten oft nachts das Dorf verlassen, als ich klein war. Es hieß
dann, wenn die Soldaten kommen werden sie auch uns anfassen. Niemand darf
eine Frau anfassen, schon gar nicht der Feind. Mich hat das alles sehr
bedrückt. Warum ist das Leben so?" (Heval Sozdar)