Licht am
Horizont
Annäherungen an die PKK |
V. Rolle der Führung
in geschichtlichen und revolutionären Prozessen
V.2. Führungsbedürfnisse der Bourgeosie V.3. Führungsbedürfnisse der klassischen Arbeiterbewegung und des Realsozialismus V.4. Revolutionäre Führung heute |
V.3. Führungsbedürfnisse der klassischen Arbeiterklasse und des Realsozialismus
Zu dieser Schlußfolgerung führt noch eine weitere Linie geschichtlicher Entwicklung: Die Herausbildung des Proletariats zur Klasse an und für sich, inklusive zumindest eines ersten Ansatzes, sich als Klasse in einem sozialistischen Staat aufzuheben. Dieser Versuch auf einem Sechstel der Erde kann heute als gescheitert betrachtet werden. Die Frage erhebt sich jedoch, inwieweit die Wurzeln dafür nicht auch in einem falschen Führungsverständnis der kommunistischen Parteien gelegen haben. In diesem Zusammenhang gehört die von Marx, Engels und insbesondere Lenin entwickelte Parteitheorie auf den Prüfstand. Ihre Lehre von einer proletarischen Avantgardepartei, die revolutionäres Bewußtsein in die Massen trägt und sie zum geschichtlich progressiv handelnden Subjekt zusammenschweißt, formte die kommunistische Bewegung des 20. Jahrhunderts. Die Hegemonie der Arbeiterklasse in den Kämpfen der Epoche wurde fortgeschrieben im Führungsanspruch der sich proletarisch begreifenden Partei. Ausgegangen wurde dabei von der Situation und den Auseinandersetzungen des Industrieproletariats in den fortgeschrittenen kapitalistischen, vor allem europäischen Staaten. Bereits in der zunächst ideologischen und dann auch organisatorischen Spaltung der Arbeiterklasse - mit der Entstehung der europäischen Sozialdemokratie - offenbarte sich eines der grundlegendsten Führungsprobleme. Aber auch innerhalb der kommunistischen Parteien führten Flügelkämpfe nur in den seltensten Fällen zu einer tatsächlichen Stärkung des vorhandenen revolutionären Potentials. Bis Mitte der 80er Jahre dominierte der Führungsanspruch der KPdSU sowohl die an sie gebundenen staatstragenden Parteien sozialistischer Länder wie auch die immer einflußloser werdenden kommunistischen Parteien weltweit. Diese Orientierung führte zu einer zunehmenden Bündnis- und auch Handlungsunfähigkeit. Gefangen in der Systemkonfrontation, kam es in fast all diesen Parteien (3) zu einer Hierarchie ihrer politischen Ziele, in der die Erhaltung des Weltfriedens und die Verhinderung atomarer Konfrontation unangefochten, aber zugleich auch blockierend an der Spitze stand. Dies war aber nur eine der Fesseln, aus der sich die kommunistischen Parteien schließlich nur durch Aufgabe ihrer ursprünglichen Ziele lösen konnten. Ungelöste Probleme hinterließen sie nicht wenige. Hier seien nur einige, im Zusammenhang mit dem Führungsproblem genannt:
Wie können Avantgardeparteien die eigene Bürokratisierung verhindern? Welche auf Dauer produktiven Umgangsweisen mit Widersprüchen können in den genannten Parteien wie institutionalisiert werden?
Ist der Übergang von revolutionären Kader- oder Massenparteien zu einer sozialistischen Gesellschaftsordnung mˆglˆch und vereinbar? Verlangt nicht eine globale Betrachtung der Ausbeutungsverhältnisse eine neue Analyse der Avantgardefunktion? Kann es hierin eine Hierarchie revolutionärer Ziele geben (4) oder ist eher eine Synthese denkbar? Welche neuen Formen produktiven Austausches und der Solidarität zwischen den verschiedenen Kämpfen sind möglich und nötig?
Verallgemeinernd soll hier folgende vorläufige Definition von Führung verwendet werden: Führung in geschichtlichen Prozessen stellt sich in der Fähigkeit dar, objektive Entwicklungen in ihrer Grundrichtung als Subjekt - einzelne Personen oder Gruppen, Parteien - möglichst genau, auf den aktuellen Zeitpunkt bezogen, zu erfassen, die entspechend wirkenden Klassenkräfte in die notwendige Richtung zu lenken, Konstellationen vorauszusehen, Widersprüche zu erkennen, auszunutzen und zu vertiefen, Menschenmassen von diesen Einsichten bzw. Entwicklungsrichtungen zu überzeugen und in Bewegung zu versetzen.
Abschließend seien in diesem Zusammenhang noch einige übergreifende Probleme formuliert. So scheint es in den bisherigen patriarchalen Gesellschaften eine Kontinuität der Verweigerung von Führung durch Frauen zu geben, die sowohl von der männlichen Herrschaftsschicht als auch von den Frauen selber getragen wird. In dieser Situation ist die Untersuchung der Entwicklungsbedingungen von weiblich bestimmten Strukturen und ihren Eigenschaften von besonderem Interesse. Außerdem ist zu fragen, welche Eigenschaften und Formen Führung durch Frauen annehmen wird, die nicht einfach durch 'vermännlichte' Individuen zu verwirklichen ist. Möglich ist auch, daß die Überwindung eines der wichtigsten Ausbeutungsverhältnisse in der Geschichte der Menschheit nicht in Begriffen zu fassen ist, nicht in Methoden denkbar ist, die aus dem Patriarchat entwickelt werden.
In der Geschichtsschreibung der herrschenden Klassen war die Darstellung
der Leistung von Einzelpersonen immer das beherrschende Element. Uns kann
es aber nicht um eine Nachahmung oder Neuauflage des z.B. bürgerlichen
Herangehens an die Geschichte der Menschheit gehen, ebenso wenig um die
geistige Vorwegnahme neuer Diktaturen oder weiterer Sackgassen des Personenkultes.
Beides beinhaltet die Trennung der Leistung Einzelner von objektiven und
subjektiven Voraussetzungen, von der Bewegung und der Aktivität der
Massen (5). Die Aufgabe wäre,
und das soll hiermit angeregt werden, die genauere Untersuchung der Wirkungs-
und Entstehungsbedingungen auf dialektischer und historischer Basis. Entsprechende
Gesetzmäßigkeiten müssen erforscht, mögliche Eigenheiten
in verschiedenen Gesellschaftsformationen und insbesondere in Bezug auf
eine revolutionäre Führung heute untersucht und nutzbar gemacht
werden.