c) Im Gegensatz zu
den negativen Entwicklungen sind auch positive zu verzeichnen
- Die Aussetzung des Todesurteils gegen Öcalan
Am 12. Januar 2000
beschlossen die Vorsitzenden der türkischen Regierungsparteien Bülent
Ecevit (Demokratische Linkspartei / DSP), Devlet Bahceli (Partei der Nationalistischen
Bewegung / MHP) und Mesut Yilmaz (Mutterlandspartei / Anap), das Parlament
erst nach einem frühestens in eineinhalb Jahren erwarteten Grundsatzurteil
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte über eine
Hinrichtung des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan entscheiden zu lassen.
Hierzu war Ankara am 30.11.99 vom Straßburger Menschenrechtsgerichtshof
aufgefordert worden. Damit hat sich eine türkische Regierung erstmals
bereit erklärt, die Entscheidung einer europäischen Instanz
abzuwarten und damit auf ein Stück nationaler Souveränität
zu verzichten. Die Akte Öcalan soll allerdings sofort dem Rechtsausschuss
des Parlaments zur weiteren Befassung zugeleitet werden, falls die PKK
oder ihre Anhänger versuchen, "diesen Prozess gegen die Interessen
des Staates zu verwenden", so Ministerpräsident Ecevit.
Vor der Entscheidung der Regierungsparteien hatten Ecevit, der damalige
Staatspräsident Demirel und auch Armeekreise vor möglichen innen-
und außenpolitischen Folgen einer Hinrichtung gewarnt, insbesondere
vor einem Wiederaufflammen des Bürgerkriegs in den kurdischen Gebieten
sowie der Gefährdung der gerade erst begonnenen Heranführung
der Türkei an die EU. So wie schon seit Wochen die EU und die USA
dafür plädiert hatten, die Straßburger Entscheidung abzuwarten,
hatte noch am Tag der Entscheidung die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft
davor gewarnt, dass eine Hinrichtung Öcalans den Weg der Türkei
nach Europa verbauen könnte.
Öcalan selbst appellierte an beide Seiten, die Aussetzung der Urteilsvollstreckung
nicht als Sieg oder Niederlage zu betrachten, sondern als Chance für
die Etablierung von Frieden und Demokratie. Bei einer anderen Entscheidung
hätte nicht nur er selbst, sondern "auch der Staat, die Menschen,
jeder hätte verloren". Die Regierung werde ihre Entscheidung
nicht bereuen: "Der erreichte Punkt ist ein neuer Anfang" und
"Wir werden unseren Beitrag leisten", so Öcalan in einer
über seine Anwälte verbreiteten Erklärung vom 14. Januar.
Die Türkei brauche Reformen. So bedürfe es für den inneren
Frieden auch einer Amnestie. *12
*12
FR, 27.12.99; taz, 5.1.00; FR, Tagesspiegel, 12.1.00; FAZ, Die Presse,
NZZ, Tagesspiegel, 13.1.00; SZ, junge Welt, NZZ, taz, Welt, AP, dpa, 14.1.00;
Tagesspiegel, 15.1.00; NN 1/00
Die
Wahl von Sezer
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