Die Wahl von Sezer

Im dritten Wahlgang wurde am 5. Mai 2000 der Vorsitzende des Verfassungsgerichtes Ahmet Necdet Sezer mit der absoluten Mehrheit (330 von 533 abgegebenen Stimmen) zum neuen Staatspräsidenten gewählt. Er hat sein Amt am 16. Mai 2000 angetreten und ist das erste türkische Staatsoberhaupt, das nicht aus den Reihen des Militärs oder der Politik kommt.
In der Vergangenheit weckte er mehrmals Aufmerksamkeit durch seine öffentlich geäußerte Kritik an Demokratiedefiziten in der Türkei, so vor einem Jahr in einer Rede zum 37. Jahrestag der Gründung des Verfassungsgerichts, als er forderte, die in der 1982 von den Putschgenerälen ausgearbeiteten Verfassung enthaltenen Einschränkungen der Meinungsfreiheit aufzuheben und dabei auch beklagte, dass die hierin legitimierten Sprachverbote nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar seien. Die Garantie der Menschenrechte sei aber "die unverzichtbare Voraussetzung zivilisierter Gesellschaften".
Viele in- und ausländische Beobachter, gerade auch die reformorientierten Kräfte aus Politik, Wirtschaft und der Bürgerrechtsbewegung, sehen in dem neuen Präsidenten, der in dieser Funktion auch Vorsitzender des einmal monatlich tagenden Nationalen Sicherheitsrats ist, einen absolut integeren Hoffnungsträger für die demokratische Umgestaltung des Landes, der dazu beitragen kann, die Türkei auf dem Weg in die EU an die von ihm selbst geforderten internationalen Standards bei den Menschenrechten heranzuführen.
Doch manchen gehen Sezers bisher geäußerte liberale Vorstellungen von mehr Demokratie schon zu weit: so bezeichnete ihn die der Armee nahestehende, rechtsnationalistische Zeitung "Ortadogu" sogar als Freund der Fundamentalisten und Separatisten. Und der Vorsitzende der an der Regierung beteiligten Nationalistischen Bewegungspartei MHP, Devlet Bahceli, wird von "Hürriyet" so zitiert: "Als Verfassungsgerichtspräsident gab Sezer verschiedene Meinungen ab, aber als Präsident werden seine Ansichten die Ansichten des Staates sein müssen."
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*13 Berliner Zeitung, NZZ, 28.4.00; Die Welt 2.5.00; FR, SZ, NZZ, 6.5.00; FAZ, 8.5.00; NN 2/00

Der Generalstab "empfiehlt" der Regierung demokratische Reformen