Fotografien
von Hasankeyf
Pressestimmen
und
Erklärungen
Initiativen
und Aktivitäten:
Züblin-Protestschreiben
(pdf)
Aufruf: Kundgebung
| Züblin (pdf)
Unterschriftenliste (pdf)
Online-Protest
Onlineprotest von EvB (Schweiz)
"Und macht euch die
Erde untertan": ein Film von Christoph Walder
Der Film handelt von dem umstrittenen Ilisu-Staudammprojekt im Südosten
der Türkei, von dessen möglichen Folgen, den Menschen und der einmalig schönen
Kultur- und Naturlandschaft im berühmten Mesopotamien.
Veröffentlichungen:
WEED-Neuerscheinung:
Zum Scheitern verurteilt
Der Ilisu-Staudamm im Südosten der Türkei
Erklärung von
Bern:
Im Schatten der Dämme
Kontroverse Wasserkraftwerke in der Türkei
Internetseiten
zum Thema:
www.hasankeyfgirisimi.com
www.weed-online.org
www.evb.ch
www.ilisu.org.uk/
www.eca-watch.at
www.fern.org
www.rivernet.org
www.hasankeyfim.com
wikipedia.org
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Das Ilisu Staudammprojekt
und seine Auswirkungen
Erst
die Mongolen und jetzt VA Tech, Züblin und Co.
Initiative
zur Rettung von Hasankeyf
Die türkische
Regierung plant wieder seit Ende 2004 den Bau des Ilisu-Staudammes am
Tigris und dies, obwohl dieses strittige Projekt schon einmal 2001/2002
wegen seiner offenen negativen Folgen scheiterte.
Damals
formierte sich in der Staudammregion und auch europaweit eine große Kampagne,
die es zu Fall brachte. Erst zogen sich drei der am Konsortium beteiligten
Unternehmen aus Groß-Britannien, Schweden und Italien, dann eine schweizerische
Bank zurück.
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Initiative
zur Rettung von Hasankeyf
Nach vielen
Bemühungen und Diskussionen, seit der Ilisu-Staudamm wieder geplant
wird, wurde Anfang Januar 2006 die überregionale Initiative zur
Rettung von Hasankeyf in Diyarbakir mit einer Gründungserklärung
auf die Beine gestellt. In ihr sind zurzeit 34 Einrichtungen vertreten:
Kommunen, darunter die größten Städte Batman und Diyarbakir, die
meistbetroffenen Kleinstädte, Berufsverbände (Ingenieure, Architekten,
Ärzte, Anwälte) der Region, Umwelt-, Menschenrechts- und soziale
Organisationen, Gewerkschaften …
Die Initiative setzt sich sehr kritisch mit dem Ilisu-Talsperrenprojekt
auseinander. Die sozialen, ökologischen und kulturellen Verluste
sind sehr hoch, dagegen wird der Nutzen für die Region kaum spürbar
sein. Außerdem wird das Konfliktpotential im Mittleren Osten zunehmen.
Die Zentralregierung übergeht die lokalen und regionalen Kräfte
und nimmt sie nicht wahr.
Im Februar 2006 wurde ein wichtiges Symposium zum Thema mit breit
gefächerter Beteiligung organisiert, Felduntersuchungen in den betroffenen
Gebieten in Diyarbakir und Batman wurden durchgeführt. Im März reichte
die Initiative eine Reihe von Kommentaren bei den europäischen Exportkreditagenturen
(ECA) ein.
Die Initiative steht in engem Kontakt zu sechs NGOs in Europa, welche
die europäische Ilisu-Kampagne führen. In Zusammenarbeit kamen im
Mai zwei Delegationen nach Europa. Am 11. Mai sprachen Mitglieder
der Initiative im Europaparlament mit Vertretern der Europäischen
Kommission. Vom 15. bis zum 19. Mai wurden Gespräche mit den politischen
Verantwortlichen der deutschen, österreichischen und schweizerischen
Regierung und ECAs geführt.
Kontakt:
Initiative zur Rettung von Hasankeyf
c/o GABB
Belediye Konukevi
2. Kat, Ofis
Diyarbakir/Turkey;
Tel : +90 - 412 229 67 47;
Fax: +90 - 412 224 53 38;
www.hasankeyfgirisimi.org;
E-mail: ercanayboga@yahoo.com |
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Nun beteiligen sich
wieder mehrere europäische und vier türkische Unternehmen am Ilisu-Projekt.
Dabei handelt es sich um vier Unternehmen aus der Schweiz, die Alstom,
Stucky, Colencio und Maggia, das schwäbische Bauunternehmen Ed. Züblin
AG und den Konsortialleiter VA Tech aus Österreich. Unter den türkischen
Unternehmen ist Nurol federführend. Diese Unternehmen haben Ende 2005
in ihren Staaten bei den jeweiligen Exportkreditagenturen (ECA) einen
Antrag auf Kreditgarantie gestellt. Die Entscheidungen der jeweiligen
Regierungen darüber sind bisher noch nicht getroffen worden.
GAP und der
Ilisu-Staudamm
Das Südostanatolienprojekt
namens GAP (türk.: Güneydogu Anadolu Projesi) wurde 1982 beschlossen und
1984 von der Türkei in Angriff genommen. Es ist zurzeit auf der Welt das
gigantischste Wasserkraftwerks- und Bewässerungsprojekt seiner Art. Dieses
sieht vor, die Flüsse Euphrat und Tigris an insgesamt 22 Dämmen zu stauen
und 17 600 km2 Land zu bewässern. Insgesamt
sollen 19 Kraftwerke an den beiden Flüssen 27 300 GWh Strom erzeugen.
Die meisten Staudämme sind schon errichtet. Die Gesamtkosten des GAP werden
auf 32 Mrd. $ angesetzt. Nach offiziellen Angaben wird beabsichtigt, mit
diesem großen Projekt im sog. „Südostanatolien“ (alles kurdische Provinzen)
einen wirtschaftlichen Aufschwung herbeizuführen. Diese Region soll mittels
Erzeugung von Energie, Bewässerung und Schaffung von Arbeitsplätzen (3,6
Mill. werden angegeben) an den „modernen und technischen Fortschritt“
angebunden werden.
Das GAP sollte ursprünglich 2010 fertig gestellt werden, doch ist ein
Ende vor 2020 nicht in Aussicht. Bisher wurden erst ca. 17 Mrd. US-Dollar
investiert, die Einnahmen aus dem GAP übertreffen schon diesen Betrag.
Der Ilisu-Staudamm
soll den Tigris auf einer Länge von 136 km in einen künstlichen See verwandeln
und ein Stauvolumen von bis zu 10,4 km3 erzeugen.
Der gesamte Durchfluss des Tigris beim Dorf Ilisu beträgt etwa 15,84 km3.
Der zweitgrößte Fluss der Türkei, der Tigris, führt an diesem Punkt durchschnittlich
502 m3 Wasser. Der Stausee wird eine Fläche von
bis zu 313 km2 haben. Die Breite des Staudammbauwerks
ist mit seinen 1810 m unübertroffen in der Türkei. Die Höhe beträgt 135
m und gehört damit zu den höchsten Talsperren. Der Hauptzweck dieser Talsperre
ist die Energieerzeugung von 1200 MW (jährliche Energieausbeute 3800 GWh),
womit Ilisu die viertgrößte der Türkei sein soll. Sehr begrenzt soll Ilisu
auch zur Bewässerung dienen. Aber das gleich nach dem Ilisu folgende Stauwerk,
der kleinere Cizre-Staudamm (Stausee etwa 30 km lang), soll hauptsächlich
zur Bewässerung von weiter südlich liegenden Gebieten dienen.
Gefahr eines
Wasserkonfliktes
Da der Ilisu- und
der Cizre-Staudamm kurz vor der syrischen und irakischen Grenze errichtet
werden sollen, bekommt die Angelegenheit außerdem eine politische Komponente.
Es kommt hinzu, dass noch weitere Staudämme an den Nebenflüssen des Tigris
geplant sind, womit das Staupotential noch einmal gesteigert werden würde.
Das Wasser des Tigris kann den südlichen Nachbarn für einige Monate abgedreht
werden. Besonders der Irak würde darunter leiden. Syrien ist vielmehr
vom Wasser des Euphrat abhängig. Aber auch allein die Errichtung des Ilisu-Staudammes
wird zur Folge haben, dass durch die Verringerung des Tigris-Wassers,
das Ausbleiben der Überschwemmungen und das deutlich weniger mitgeführte
Sediment die Landwirtschaft am Tigris erheblich leiden wird.
Die Türkei sträubt sich seit Beginn des GAP, Syrien und Irak in Bezug
auf das Euphrat-Tigris-Wasser zu konsultieren. Sie betrachtet das Wasser
als den „eigenen Reichtum, so wie das Öl andere Staaten der Region besitzen“.
Sie hat z. B. nicht die UN-Konvention über die Nutzung nicht-schiffbarer
grenzüberschreitender Wasserwege von 1997 unterzeichnet. Diese enthält
die Prinzipien der fairen und angemessenen Nutzung („equitable and reasonable
utilization“) grenzüberschreitender Wasserwege, der Partizipation und
Konsultation zwischen den Flussanrainerstaaten. Beim Ilisu-Staudamm wurden
jedoch die Anrainerstaaten weder ausreichend über das Projekt informiert
noch in die Planung der Nutzung der Wasserreserven eingebunden. Die Abflussrechte
sind unzureichend und von unklarer Verbindlichkeit. Auch die OP 7.50 der
Weltbank [Bestimmung von Standards bei Kreditprojekten betreffend internationaler
Wasserwege] wird eindeutig verletzt.
Wenn es in naher oder auch ferner Zukunft zu politischen Konflikten zwischen
der Türkei und den südlichen Nachbarn kommen sollte, würde zunächst der
kurdische Südosten der Türkei darunter leiden. Schon die Schließung der
Grenzen würde spürbare wirtschaftliche Einbußen für unsere Region bedeuten.
Daher fordern wir eine nachhaltige Bewirtschaftung des Euphrat-Tigris-Wassers
zwischen den drei Staaten Türkei, Irak und Syrien, wobei auch ökologische,
soziale und kulturelle Aspekte ausreichend berücksichtigt werden müssen.
Hierzu bedarf es auch einer grundlegenden Veränderung in der Einstellung
zur Bewässerung in der Landwirtschaft, zur Energiepolitik und zu Ökosystemen.
Soziale Folgen
Sehr gravierende
Folgen wird das Projekt in sozialer Hinsicht haben. Durch den Ilisu-Staudamm
werden nach offiziellen Zahlen(1)
55 000 Menschen direkt betroffen sein, d. h. sie müssen umsiedeln. Zunächst
war von 78 000 Menschen in 200 Siedlungen die Rede. Doch die Tatsache,
dass Dutzende dieser Dörfer in den 90er Jahren vom türkischen Militär
zwangsgeräumt und deren BewohnerInnen vertrieben wurden, hat diese Zahl
der betroffenen Menschen und Dörfer reduziert. Leer stehende Dörfer und
ihre BewohnerInnen werden einfach nicht im Umsiedlungsplan (Resettlement
Action Plan – RAP) erwähnt. Der RAP, welcher mit dem Bericht zur Umweltverträglichkeitsprüfung
(UVP-Bericht) Ende November 2005 veröffentlicht wurde, ist in vieler Hinsicht
zu kritisieren [siehe
Sammlung von Kommentaren und Berichten].
Die direkt betroffenen Menschen in den Dörfern und der Stadt Hasankeyf
wurden im Frühjahr 2005 zum ersten Mal von den Projektbetreibern über
das Unternehmen Encon kontaktiert. Mit mehreren tausend Haushalten wurden
Umfragen durchgeführt, in denen ausführlich die sozioökonomische Struktur
erfragt wurde. Zwar wurden einige Fragen zum Ilisu-Staudamm gestellt,
aber nicht die entscheidende Frage, ob sie dieses Projekt wollen oder
nicht. Wie sollte das auch geschehen? Das Projekt ist schon fertig und
kurz vor der Ausführung. Den Menschen wurde bei der Umfrage klar gesagt,
dass der Damm auf jeden Fall gebaut werde, egal ob die Menschen ihn wollten
oder nicht. Bei der Umfrage wurden, wie die Befragten später berichteten,
verlockende Fragen gestellt wie: „Wollt Ihr ein besseres Haus, wollt Ihr
Bildung für Eure Kinder, wollt Ihr Arbeit?“ Die Ja-Antworten wurden als
Zustimmung für das Ilisu-Projekt gewertet. Dementsprechend gab das Ilisu-Konsortium
bekannt, dass angeblich 90 % der Menschen das Projekt befürworteten. Auch
wollte Encon von den Befragten wissen, wie viel Entschädigung in Form
von Geld sie wünschten. Der genannte Betrag wurde kommentarlos aufgeschrieben.
Am Ende der Umfrage wurde dazu gesagt, dass sie eine hohe Entschädigung
bekommen würden, mehr, als ihnen eigentlich zustehe. Hier wurden den Menschen
eindeutig falsche Hoffnungen gemacht, wie sich aus späteren Gesprächen
ergab.
Der Verein der Flüchtlinge und MigrantInnen, Göc-Der, in Batman und in
Diyarbakir führte in den jeweiligen zu überflutenden Siedlungen ihrer
Provinz im Zeitraum zwischen Januar und März 2006 eine eigene Umfrage
durch. Die Feststellungen und Ergebnisse sind sehr interessant. Das größte
Problem bei der Umsiedlung werden die vielen landlosen Menschen sein,
die für Großgrundbesitzer die Felder bestellen. Im Bezirk Bismil (der
Provinz Diyarbakir) haben nach der Umfrage 56 % der betroffenen Menschen
keine Landtitel, d. h. sie arbeiten für Großgrundbesitzer auf den großen
Ackerflächen. Sie besitzen höchstens ein kleines Häuschen. Diese Menschen
werden die größten Verlierer bei der Durchführung des Ilisu-Projektes
sein. In Batman haben knapp 50 % der Menschen kein eigenes Land. Aber
auch die vielen kleinen Landbesitzer werden ungenügende Entschädigungen
bekommen. Der RAP zeigt, dass die Menschen überhaupt nicht auf eine Umsiedlung
vorbereitet sind. Aus Erfahrungen ist bekannt, dass sie, in den Städten
angekommen, nach relativ kurzer Zeit die erhaltene Entschädigung aufbrauchen
und dann vor dem Nichts stehen werden. Sie werden mit Arbeitslosigkeit,
Untätigkeit, sozialen und psychologischen Problemen konfrontiert sein.
Die Anpassung an das Stadtleben wird für die Menschen fast unmöglich sein.
Besonders die Frauen werden in den vier Wänden wie eingeschlossen leben,
während sie auf dem Land sehr aktiv am produktiven Leben teilnahmen. Auch
die Kinder werden den Gefahren (Kriminalität, Straßenverkauf) der Stadt
„ausgeliefert“ sein.
Die Städte Batman und Diyarbakir, wohin bis zu 80 % der Betroffenen umziehen
wollen, haben seit den 90er Jahren ohnehin sehr große Probleme, die sie
nicht in den Griff bekommen. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit liegt bei
etwa 60 %, direkte Armut betrifft die Hälfte der Menschen.
Noch ein Beispiel,
wie Partizipation vom Ilisu-Konsortium verstanden wird: Zur wichtigen
Versammlung im Juli 2005 in Ankara, wo entschieden wurde, wohin die Stadt
Hasankeyf umgelagert werde, wurde der Bürgermeister von Hasankeyf, Abdulvahap
Kusen, nicht eingeladen. Er ist aber die Person, die von der Bevölkerung
demokratisch gewählt wurde. Stattdessen kamen der Gouverneur von Batman,
der Landrat von Hasankeyf, der Ausgrabungsleiter etc.
Auswirkungen
auf das kulturelle Erbe
Das Ilisu-Überflutungsgebiet
am Tigris liegt in Ober- bzw. Nord-Mesopotamien. In dieser Region gingen
die ersten Menschen vor zwölf- bis zehntausend Jahren zum sesshaften Leben
über. Hier wurden auch die ersten Kulturen entwickelt, die zur Herausbildung
der großen Hochkulturen (wie der sumerischen) im mittleren und unteren
Mesopotamien entscheidend beitrugen.
Die meisten der bekannten ältesten Siedlungen der Menschheit liegen nicht
weit vom Ilisu-Gebiet entfernt, nämlich weiter westlich um den oberen
Euphrat herum, wie z. B. Çayönü, Göbekli Tepe. Dass am Tigris noch nicht
solche Siedlungen gefunden wurden, liegt höchstwahrscheinlich daran, dass
hier praktisch noch keine Ausgrabungen durchgeführt wurden. Nur ein kleiner
Teil des Ilisu-Gebietes – 7000 von 37 000 Hektar – wurde untersucht. Allein
hier wurden 208 archäologische Fundstätten erfasst. Und in nur 14 Fundstätten
werden/wurden bisher Ausgrabungen durchgeführt. Da in der Regel eine Ausgrabung
mehrere Jahrzehnte dauert, ist es unmöglich innerhalb von sieben Jahren
– so lange soll der Bau des Ilisu-Staudammes dauern – diese Stätten einigermaßen
vernünftig auszuwerten. Die Folge wird der unwiderrufliche Verlust eines
für die Menschheitsgeschichte sehr wichtigen Gebietes sein.
Das Symbol gegen den Ilisu-Staudamm wurde in den letzten Jahren die Stadt
Hasankeyf am Tigris, die einzige aus dem Mittelalter und auch der Antike
gänzlich erhaltene Stadt in Anatolien/Mesopotamien, die wie ein Freilichtmuseum
vor uns liegt. In Hasankeyf, wo Funde aus dem frühen Neolithikum ausgegraben
wurden, können Spuren von über zwanzig Kulturen mit dem bloßen Auge entdeckt
werden. Hasankeyf war erst das religiöse Zentrum der christlichen Assyrer
(4. bis 7. Jahrhundert), dann die Hauptstadt der Artukiden. In der späten
Antike und im frühen und mittleren Mittelalter hatte es seine Glanzzeit.
In diesem Ort sind Zeugnisse von den Römern, Byzantinern, Assyrern, Omayaden,
Mervaniden, Seldschuken, Artukiden, Eyyubiden, Osmanen etc. vorzufinden.
Es sollen bis zu 300 Kirchen, Moscheen und andere Bauwerke sein. Imposant
ist die wunderbare Felsenburg. Hinzu kommt die 800 Jahre alte Steinbrücke,
damals die größte ihrer Zeit. Sie wurde jedoch einige Jahrzehnte nach
ihrer Fertigstellung von den einfallenden und alles niederbrennenden Mongolen
zerstört, wodurch Hasankeyf langsam seine Bedeutung zu verlieren begann.
Jetzt, wo das Interesse an ihr wieder wächst, soll sie ein zweites Mal
vom Ilisu-Konsortium für alle Zeiten zerstört werden. Die heutigen Mongolen
werden die deutsche Ed. Züblin AG, die österreichische VA Tech, das türkische
Unternehmen Nurol und ihre Partner sein.
Die Idee des Neuaufbaus verschiedener Monumente aus Hasankeyf ist lächerlich.
Jeder historische Ort lebt von seiner spezifischen Umgebung, wie Hasankeyf
von Tigris und Felsenburg ausgemacht werden. Selbst wenn es technisch
möglich wäre, viele Bauwerke mehrere Kilometer weiter nördlich in einem
Kulturpark wieder aufzubauen, würden sie den Menschen nichts mehr an Originalität
vermitteln. Aber wie angedeutet können die Brücke, das Zeynelbey-Mausoleum,
das El-Rizk-Minarett aufgrund der Bausubstanz (Bindemittel, weicher Stein
etc.) nicht wegtransportiert werden(2).
Es handelt sich nicht um etwas wie Abu Simbel in Ägypten. Ein solcher
Versuch würde nur in einer Katastrophe enden.
Durch die Überflutung
des Tigris-Tales geht eine jahrtausendealte spezifische Kultur der Lebensweise
und Landwirtschaft verloren, die nur hier im eingeengten Tigris-Tal Leben
findet. Durch die Umsiedlung der BewohnerInnen in urbane Gebiete wird
sie verschwinden. Neben dem archäologisch-historischen Reichtum wird diese
einmalige Kultur, von der die „modernen“ Menschen viel lernen können,
endgültig vernichtet. Dies wird uns von den kommenden Generationen in
Zukunft immer vorgeworfen werden.
Kurz zusammengefasst:
Die Überflutung des Ilisu-Gebietes würde zur Zerstörung eines noch nicht
bekannten kulturellen Erbes führen.
Ökologische
und Umweltauswirkungen
Auch in ökologischer
Hinsicht würde ein relativ großes und intaktes Ökosystem verloren gehen.
Der Stausee wird sich in die vielen Nebenarme des Tigris erstrecken. Wenn
der Ilisu-Staudamm einmal fertig gebaut ist, sollen der Cizre- und mehrere
andere Staudämme an den Nebenarmen folgen.
Der Euphrat wurde hingegen schon fast vollständig aufgestaut, auch andere
Flussökosysteme in der Region und der ganzen Türkei sind erheblich negativ
beeinträchtigt worden.
Den Euphrat und Tigris können wir uns als ein gemeinsames Ökosystem vorstellen.
Viele endemische Arten von Tieren und Pflanzen dieses Systems, die nicht
mehr am Euphrat existieren können, kommen nur noch am Tigris vor.
Wie der Biologe Dr. Murat Biricik vom Verein der Umweltfreiwilligen von
Diyarbakir berichtet, gibt es ganz besondere Vogelarten, die nur an den
Felsenhängen um Hasankeyf herum leben. Auch lebt die einen Meter lange
Euphratschildkröte nur noch am Tigris. Die Flora und Fauna einer ganzen
großen Region hängen von diesem Ökosystem ab. Stauseen würden die Wege
vieler Tiere abschneiden. Die Feuchtigkeit würde zunehmen.
Der Ilisu-Stausee würde innerhalb kurzer Zeit aufgrund der vielen Großstädte
und immer intensiveren Landwirtschaft zur Eutrophierung führen, d. h.
umkippen. Auch der rechtzeitige Bau der vorgesehenen Kläranlagen könnte
dies nicht verhindern. Die meisten Fischarten im Fluss würden verschwinden.
Einige wenige Fischarten, die in stehenden Gewässern vorkommen, könnten
sich verbreiten. Aber die Biodiversität der Flora und Fauna insgesamt
würde radikal abnehmen.
Die Eutrophierung würde auch vermehrt zu Krankheiten führen. Wie es um
die Euphrat-Staudämme herum der Fall ist, würden viele verloren geglaubte
Krankheiten und Seuchen zurückkehren. Dr. Ali Ceylan von der Dicle-Universität
Diyarbakir stellte fest, dass 80 % der durch Stauseen verursachten Krankheiten
und Seuchen in der Türkei in der GAP-Region vorkommen. Auf diese Gefahr
wird im UVP-Bericht kaum eingegangen.
Auch
unterhalb der Talsperre würden Flora und Fauna sehr unter dem Staudamm
leiden, weil kaltes vom Stausee abgelassenes Wasser zur Erosion führen
würde. Die Lebensgrundlage von Tieren und Pflanzen wie vieler Fischpopulationen
würde entzogen werden. Die Auswirkungen würden bis zum Schatt El-Arab
– der Vereinigung von Euphrat und Tigris – spürbar sein.
Alternativen
Aus den Berichten
und Diskussionen ersehen wir, dass Alternativen zum Ilisu-Talsperrenprojekt
von staatlicher Seite überhaupt nicht zur Diskussion gestellt werden.
Der Hauptzweck des Ilisu-Staudammes ist die Energieproduktion (1200 MW).
Heutige Technologie, Wissen und Anwendungserfahrungen in diesem Bereich
zeigen uns ganz klar, dass es viele alternative Wege gibt, um das Energieproblem
zu bewältigen. Als alternative Technologien seien die Sonnen-, Wind- und
geothermische Energie genannt, wofür unsere Region und die Türkei sehr
geeignet sind. In unserer Region scheint knapp 300 Tage im Jahr die Sonne.
In der Region um Van gibt es gewaltige Möglichkeiten zur geothermischen
Energieerzeugung.
Wir schlagen vor, dass zunächst mit dem gleichen Projektbudget die Energietransportleitungen
der Türkei repariert werden, damit der Verlust von über 21 % auf den OECD-Durchschnitt
(10 %) gesenkt wird. Dies allein würde Einsparungen von drei Ilisu-Talsperren
bewirken. Überhaupt sollten die Verbraucher (Haushalte, Industrie, Landwirtschaft)
sparsamer mit Energie umgehen, wozu die Regierung regelmäßige und umfassende
Kampagnen durchführen muss. Auch besteht unserer Erfahrung nach ein großes
Einsparpotential. Wir hören immer wieder, dass die vielen Talsperren in
unserer Region nur mit gedrosselter Kapazität arbeiten. Da stellt sich
die Frage, inwiefern die Energie der Ilisu-Talsperre notwendig ist. So
zum Beispiel müssten die türkischen Wasserwerke die Frage beantworten,
ob im Jahr 2005 die Wasserkraftanlage der Keban-Talsperre nur mit einer
von insgesamt acht Turbinen arbeitete?
Wenn es um die regionale
Entwicklung geht, sollte mit dem Projektbudget (knapp 2 Mrd. Euro) in
den kulturellen Tourismus der Region investiert werden. Unsere Region
– nach übereinstimmenden Meinungen mehr als geeignet dafür – könnte davon
erheblich profitieren. Viel mehr und dauerhaftere Arbeitsplätze als beim
Ilisu-Staudammprojekt könnten geschaffen werden. Das kulturelle Erbe könnte
geschützt werden. Auch die Ökologie müsste keine (kaum) Verluste davontragen.
Und sehr wichtig: Niemand müsste zur Umsiedlung gezwungen werden.
Anmerkungen:
(1) Diese Zahl wird im Umsiedlungsplan (RAP) vom vergangenen November
angegeben.
(2) Dies bestätigten bedeutende Archäologen wie Prof. Zeynep Ahunbay,
der frühere Hasankeyf-Ausgrabungsleiter Prof. Olus Arik und der jetzige
Ausgrabungsleiter Prof. Uluçam, Ahmet Yaras und andere.
aus:
Kurdistan Report 126
Juli/August 2006 |
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