smash_db kolinko | 4/2002
AG-Vorschlag für den Anti.glob-Kongress in Düsseldorf
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Hallo!
Ende April findet in Düsseldorf ein Kongress statt, der die laufenden Diskussionen der Anti- Globalisierung aufnehmen soll. Auch Leute von kolinko, der FAU und von Wildcat haben sich zusammengefunden, um dort Arbeitsgruppen zu machen (unter anderem zu "Krise und Krieg", "Klassenkampf oder Anti-Kapitalismus", "Lokalisierung der Anti-Globalisierungsbewegung?"...). Mehr zum Kongress und den Arbeitsgruppen wird in den nächsten Wochen noch rumgehen. Es soll auch einen Reader mit Vorbereitungstexten zu den AGs geben. Wir schicken schon mal den Vorschlag für eine AG zur "Lokalisierung der Anti-Globalisierungs bewegung?" rum. Wir denken, dass viele Leute auch aus der Region kommen sollten, damit wir Vorschläge für unseren Bezug auf die anstehenden Auseinandersetzungen und Kämpfe diskutieren können.

Bis gleich
ein prol für die glokalisierung


Arbeitsgruppe "Seattle, Prag, Wanne Eickel -
...was macht die Anti-Globalisierung zu Hause?"


Es wäre zu öde, die ganze Event-Hopping-Kritik zum dreiundzwanzigsten Mal wieder zukäuen. Wir versuchen in dieser AG einen Schritt weiterzugehen. Wir wollen
- erstens kurz das kritisieren, was uns oft als Alternative zum Event-Hopping angedreht wird: das "Lokalisieren" der Anti-Glob-Bewegung;
- zweitens geht es dann um die Frage, wie wir alltäglich "vor Ort" mit dem globalen Aus beutungsverhältnis zu tun haben, um dann
- drittens konzentriert zu Vorschlägen zu kommen, wie wir es hier und jetzt angreifen können.

Hier schon mal ein paar Thesen zu den drei Punkten:

1) Die KritikerInnen des "event-hopping" hatten bisher wenig Erfolg mit dem "Lokalisieren" der Bewegung, da sie als Alternative oft nur vorschlagen, das, was auf den großen Events getan wird nun auch im Lokalen zu tun. Die politische Perspektive wird beibehalten: die Welt besteht aus GlobalisierungskritikerInnen, staatlichen Institutionen (WTO/IWF), den NGOs/Interessensgruppen und den "BürgerInnen". Aus dieser Sicht bedeutet "die Bewegung zu lokalisieren" vor allem zwei Dinge:
a) Die klassische Aufklärungsarbeit: was wollen die GlobalisierungskritikerInnen, was die staatlichen Institutionen und was sollen die Gipfel. Hinzu kommen Informationsveranstaltungen nach Ereignissen wie in Genua (allein in Duisburg gab es 6 bis 9 Veranstaltungen).
b) Die klassische "Lokalpolitik" wie wir sie z.B. von den K-Gruppen und aus der Umweltbewe gung kennen: sich beteiligen an bestehenden lokalpolitischen Einrichtungen wie Mieterver einigungen, Jugendhilfswerk und sonstigen Bürgerinis.

Diese beschränkte Sicht auf die Welt (GlobalisierungskritikerInnen/Staat/Bürgers) fällt uns während der großen Events nicht so sehr auf die Füße: da sind wir viele von überall, wir können auch mal austeilen und die Weltöffentlichkeit interessiert sich für uns. Wenn sich die Bewegung bisher nicht "lokalisiert" hat, dann vor allem deshalb, weil dieselbe politische Per spektive auf das "Lokale" umgesetzt bestenfalls in der Langeweile (Infostände in der Innen stadt), Selbstbespiegelung (Oh, wie schaurig-schön war Genua...) oder schlimmstenfalls in irgendwelchen lokalpolitischen Gremien endet.

2) So paradox es vielleicht klingt: für die Diskussion, wie wir den Schwung von den großen "globalen" Meetings, Demos etc. mitnehmen und "vor Ort" in unserem Alltag gegen die Verhältnisse richten können, hilft uns keine bloße "Lokalisierung". Im Gegenteil, wir müssen unsere Sicht auf das Ausbeutungsverhältnis "globalisieren", gerade dort, wo wir unseren Alltag fristen. "Globalisieren" in dem Sinn, dass wir alle Aspekte der Ausbeutung in unserer Umgebung wahrnehmen und nach Ansätzen von Subversion suchen, die sich nicht bereits in irgendwelchen "Interessengruppen" (Asta, Ausländerbeirat, Betriebsrat etc.) institutionalisiert haben.

Die "Globalität" der Ausbeutung zeigt sich auch in unserer Region in verschiedensten Formen. Dieser "Globalität" gegenüber müssen wir Augen und Ohren offenhalten. Haben wir eine Ahnung davon:
* wie sich die staatliche Kontrolle durch und in Schulen, Unis, ABM-Qualifizierungen etc. der Region verändert, um auf die veränderten Anforderungen der Ausbeutung zu reagieren?
* wie die momentane Situation in den Knästen, Klapsen, Heimen etc. in unserer Region aus sieht, in die all jene gesteckt werden, die mit dem Ausbeutungsalltag nicht mehr klarkommen?
* was sich momentan in den verschiedenen Orten der Ausbeutung tut - von der Nokia-Fabrik in Bochum, über die Reste der Stahlindustrie in Duisburg bis zu den Call Centern in Düsseldorf?
* wie der globale Zusammenhang der Ausbeutung allein dadurch klar wird, dass sie ganz materiell zusammenhängt: durch Weltmarktfabriken in unserer Region; durch Ausgebeutete, die aus allen Ländern der Welt hierherkommen; durch Transportketten, die durch unsere Region verlaufen und die Welt mit Waren versorgen
* wie sich also bestimmte "globale" Phänomene (Krise, Migration, Veränderung des "Sozial"-Staats) in der Region auswirken?

Eine "globale revolutionäre Bewegung", muss sich aus dieser "Globalität" der Ausbeutung entwickeln. Dabei müssen wir vielmehr auch von unserer eigenen Lage ausgehen, nicht nur als "politischeR AktivistIn", sondern als jemand, der/die sich selbst aus dem Alltag von Schule, Maloche, Arbeit suchen oder nicht suchen wollen etc. befreien will. Es reicht nicht, wie bisher nur McDonalds als Symbol der "globalen Macht des Kapitals" zu entglasen, wenn wir uns nicht auch gleichzeitig fragen, wer hinter diesen Scheiben täglich im Frittenfett schwitzen muss und dadurch erst das "Symbol der Macht" schafft. Wir müssen uns auf die Suche machen, wo im Alltag bereits Ansätze der Subversion gegen die Ausbeutung stecken und wo in jedem Konflikt bereits Verbindungen zu anderen Kampferfahrungen rund um den Erdball liegen.

3) für diese Suche gibt es (zum Glück) keine Suchmaschine. Wir müssen sie selbst organisie ren, wobei wir endlich zur eigentlichen Sache dieser AG kommen. Im Folgenden gibt´s vor allem Beispiele aus dem Ruhrgebiet, erstens, weil wir uns hier besser auskennen und zweitens, weil die Sache dann konkreter wird. Es sollte klar sein, dass sich in jeder Region ähnliches finden lässt. Wir brauchen Treffen, auf denen all das zusammenkommt, was wir in Auseinandersetzungen gegen den kapitalistischen Alltag benötigen. Von hier aus können Infos über Schulbeset zungen in Italien oder Streiks in Frankreich ihren Weg in die Konflikte der hiesigen kapitalisti schen Tretmühlen finden. Hier können Erfahrungen aus verschiedenen Bereichen der Aus beutung und Verlangen nach gemeinsamer Aktion zusammenkommen.

Hier ein Szenario für eine "proletarische Runde Duisburg". Alle Informationen sind real, die praktische Umsetzung leider nur zum Teil:
* A. hat endlich den McDonalds-Streikbericht aus Paris übersetzt, den B. für das Flugblatt braucht, in dem sie über ihre eigene Lage als eingewanderte Arbeiterin in der Irischen Gastronomie berichtet
* C. hat rausgefunden, dass in Gelsenkirchen eine Art Maquilladora entstehen soll: in einem geplanten Industriegebiet soll eine staatlich geförderte Zeitarbeitsfirma alle ArbeiterInnen zu Niedrigtarifen einstellen, wodurch Investoren angelockt werden sollen; er will nun eine Ver anstaltung zu weltweiten Maquilladoras machen
* D. ist zum vierten Mal von Kontrollettis in der S1 (S-Bahn von Dortmund nach Düsseldorf) erwischt und lädiert worden. Sie fordert, endlich die S1 als "proletarische Linie" durchzusetzen und hat bereits einen Schwarzfahrplan entworfen. Außerdem hofft sie auf den schwelenden Konflikt bei den Essener BusfahrerInnen, die gerade von ver.di und Unternehmern abgezogen werden
* E. ist angepisst von den vielen Bullen, die jetzt immer am Essener Hbf. rumlungern und Junkies Platzverweise erteilen; sie will ein Junkie-Revival-Sit-In mit 3-Streifen-Schnellficker-Hosen und Alkfreiem-Dosenstauder organisieren...
* F. will nach dem dritten BILD-Artikel über die unhaltbaren sozialen Zustände in seinem Stadtteil in Essen und wegen des zunehmenden Leerstands bei gleichzeitig zunehmenden Pfän dungen und Räumungsklagen eine Plakataktion starten
* G. hat Fragen vom letzten Diskussionstreffen älterer Facharbeiter über die Folgen der Pflegeversicherung, der Altersteilzeit etc., die diese regelmäßig in seiner Stammsauna in Frohnhausen abhalten. Er hat vor, sich genauere demographische Statistiken über den Arbeits markt der Region auf dem Hintergrund der sich entwickelnden Krise zu besorgen und droht mit einer Präsentation auf dem nächsten Treffen
* bei H. im Mülheimer Call Center sind wieder mal Zwangsschichten angesetzt, er will nun Artikel über Streiks in italienischen Call Centern übersetzen und braucht noch ein paar Leute, die die Samstagsschicht verbarrikadieren
* der polnische Freund von I. arbeitet jetzt schon seit 2 Monaten für 12,50 die Stunde Nacht schicht in einer Autoteile Gießerei und seine Kollegen sind auch schon ganz nöckelig; daher meint sie es sei mal an der Zeit für einen gemeinsamen Besuch beim Sklavenhändler...

Es gäbe sicherlich noch viel aufregendere Ideen, noch genauere Infos etc., wenn es bereits ein solches Treffen geben würde, wenn wir systematisch unsere Kontakte in verschiedene Schulen und Betriebe sammeln, wir regelmäßig unsere "proletarischen Erfahrungen" oder internationale Streiknachrichten austauschen würden. Auch steht das ganze noch recht isoliert da, wir bra euchten natürlich ein internationales Netzwerk solcher Gruppen, die miteinander diskutieren, sich mit Infos und auch praktisch unterstützen. Aber wir sollten einfach mal hier und jetzt auf dieser AG anfangen. Vielleicht können wir nach einer generellen Diskussion über solche Treffen bereits einige Ideen konkreter machen, D. oder G. bei ihren Vorhaben unterstützen...

Stay rude
Prols rund um die Ruhr im Winter 2001/02


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