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kolinko | 5/2000
Warum Interviews machen?
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Gut aufgelegt?
Wir wollen mit euch ein Interview machen und über die Arbeit im Call
Center diskutieren. Da sich das Ganze erstmal stark nach Teamsitzung
anhört, haben wir dieses Flugblatt geschrieben, um zu erklären, worum
es uns bei den Interviews geht.
Wer sind wir?
Einige von uns arbeiten selbst in Call Centern, andere in Werkstätten
oder im Krankenhaus. Was uns zusammenbringt ist die tägliche
Erfahrung, dass uns die Arbeit den größten Teil unseres Tages an
Werkbänke oder Computerbildschirme kettet. Was uns verbindet ist die
Einsicht, dass wir als ArbeiterInnen nur zusammen für ein besseres
Leben kämpfen können.
Worum geht's?
Sei's in Gelsenkirchen oder in Tokio, bei Aldi an der Kasse, am
Fließband oder an der Strippe: wir sollen mehr malochen, die "Gürtel
immer enger schnallen" und weiter verzichten. Wir tun das nicht aus
Liebe zu "unserem" Unternehmen! Was uns hier und heute fehlt, ist das
Begreifen unserer gemeinsamen Stärke; das gemeinsame Wissen, wie wir
uns zusammen gegen Arbeitsstress, drohenden Rausschmiss usw. wehren
können.
Wie geht's?
Ob wir als ArbeiterInnen was an unserer Situation verändern können,
liegt nicht in der Hand von Parteien oder Gewerkschaften. Es hängt
davon ab, ob wir die Abhängigkeit der Unternehmen und des Staats von
unserer Arbeit in unsere eigene Stärke verwandeln können. Bisher haben
ArbeiterInnen immer nur dann etwas erreicht, wenn sie sich auf diese
eigene Macht und ihre eigene tägliche Erfahrung verlassen haben: "Wir
wissen, wie die Arbeit zusammen läuft, wir können sie auch gemeinsam
niederlegen".
Was hat das mit Call Centern zu tun?
Call Center werden von vielen als schöne neue Arbeitsplätze
dargestellt, die mit den stinkenden Fabriken nichts mehr gemeinsam
haben. Wir erleben täglich das Gegenteil. Wir sitzen oft mit 100 und
mehr Leuten in einem Raum, unabhängig von Herkunft, Beruf und
vorheriger Tätigkeit, arbeiten verstrahlt vom Bildschirm im Takt der
Anrufmaschine, gehen morgens, mittags, abends nach der Schicht kaputt
nach Hause. Außer uns geht es hunderten, tausenden genauso, aber wenn
uns die Arbeit zu doll stinkt, der Stress zu groß wird, verpissen wir
uns einzeln, suchen uns einen anderen Job. Der Unterschied zu den
"dreckigen Fabriken" besteht also nicht darin, dass wir weniger Gründe
hätten, etwas an unserer Lage zu verbessern oder zu verändern. Auch in
den "sauberen" Call Centern werden uns Sonderschichten und Überstunden
aufgebrummt oder versucht, den Arbeitsrythmus zu verschärfen. Wir
müssen also gemeinsam herausfinden, welche Möglichkeiten wir haben,
was dagegen zu tun.
Warum Interviews?
Bisher gibt es kaum Treffen, Versammlungen oder Streiks, wo wir uns
austauschen oder voneinander lernen könnten. Wir brauchen den
Austausch über die Bedingungen in verschiedenen Call Centern, die
unterschiedlichen Konflikten und die Erfahrungen, die andere
ArbeiterInnen bereits in ihnen gemacht haben. Dieser Austausch ist
wichtig, um rauszukriegen, wie wir uns in der täglichen Arbeit
organisieren und durchsetzen können. Wo ergeben sich z.B. allein durch
die Arbeit (telefonische) Kontakte zu anderen ArbeiterInnen, welche
Teile des Unternehmens bzw. welche anderen Unternehmen sind noch davon
abhängig, dass wir täglich den Anrufbeantworter machen? Gegenseitige
Interviews können ein erster Schritt sein, um uns einen Überblick über
unsere Lage zu verschaffen.
Was passiert mit den Interviews?
Das bestimmt ihr selbst. Alle Interviews laufen natürlich anonym,
schließlich sind wir Agents. Wichtiger als das einzelne Interview ist
die Diskussion und der weitere Kontakt, um sich über Veränderungen in
der Arbeit und Konflikte auszutauschen.
Gebt das Flugblatt weiter, sagt uns, was ihr davon haltet!
Falls ihr uns eine Email schicken wollt:
[kolinko@prol-position.net]------[pgp-key kolinko]
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