Kein Protest – eine Bitte
11.06.2005, 00:03, R & R
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Zelten gegen – ja gegen was und wen eigentlich?
Eineinhalb Wochen vorher ging die Nachricht an der Uni Konstanz herum: man wolle ein Zelten gegen Studiengebühren organisieren.
Direkt auf der Wiese vor dem Eingang zum Unigebäude sollten die Zelte den Protest der Studierenden ausdrücken unter dem Motto „Obdachlos dank Studiengebühren.“ Prinzipiell eine gute Idee, hatten sich doch die Proteste im vergangenen Herbst auf zwei eher lasche Demos in der Stadt beschränkt. Mit Zelten kann man notfalls wochenlang ausharren.
Wochenlang war allerdings nicht unbedingt geplant – schließlich fing am Freitag nach Beginn der Aktion das South Side-Festival an, auf dem Bands spielen, die man unbedingt gehört haben muss (wie Rammstein). Die Freude einiger Studis, dass man noch Karten bekommen hätte, und ihre Begeisterung für besagte faschistoide Brachialmucke ließen langsam Zweifel über die Ernsthaftigkeit des „Protests“ aufkommen. Als dann abends tatsächlich noch eine Nase auftauchte und ihre Meinung über die (zugegeben schlechten) Lagerfeuerlieder mit dem Wort „Judenmusik“ äußerte, fand sich denn auch keine/r, der/die sich den Spaß verderben wollte und dem Fascho erklären, dass man ihn nicht dabeihaben will.
Der „Protest“ wurde immer mehr zu einer Spaßveranstaltung mit Lagerfeuer, Grillen und Saufen.
Wie weit der „Protest“ ging, zeigte sich auch am nächsten Tag, als die Nachricht, der Rektor werde die „Protestierenden“ mit Brötchen versorgen (wie sich herausstellte, eine Ente), mit Jubel aufgenommen wurde. Man hat sich halt lieb und ist nett zueinander.
Eines der Hauptziele des „Protests“ war denn auch die Bitte an den Rektor, sich an der Unterschriftenaktion gegen Studiengebühren zu beteiligen. Zwar hat er sich auch öffentlich schon gegen Studiengebühren ausgesprochen, doch hauptsächlich deswegen, weil nicht klar ist, inwieweit diese direkt an die Unis gehen sollen. Gleichzeitig war die Uni Konstanz eine der ersten Universitäten, die das unausgereifte BA/MA- System einführten, und arbeitet daran, das „Yale am Bodensee“ zu werden. Übervolle Seminare, Stellenabbau, unzureichende Studienberatung, ein absurder Elitegedanke und die allgemein vorherrschende Unterordnung der Bildung unter reine Verwertungslogik – all diese Themen spielten keine Rolle im „Protest“ der Zeltenden.
Die „Protestierenden“ waren sogar so nett und räumten nicht nur ihr Lagerfeuer vom Rondell vor dem R-Gebäude weg, sie kehrten den Platz auch noch picobello sauber, denn: das Rondell war von Altana für einen Kongress am Mittwoch angemietet worden, um dort parken zu können.
Auch der Unterschriftenstand wurde vom R-Gebäude weg auf die andere Strassenseite gestellt, um Altana den Zugang zum Kongress freizuhalten – ein Protest soll ja niemanden stören.
Stattdessen wurden die Störenfriede in den eigenen Reihen ausgemacht: als wir, um neben den „Demokratie braucht Bildung“ – Sprüchen auch unserer Meinung Ausdruck zu verleihen, ein Transparent mit dem Satz „Kein Gehorsam dem Staat, kein Kopf dem Kapital – Die Bildung umsonst - das ist uns’re Wahl“ aufstellten und mit „Bildungssyndikat Konstanz“ unterschrieben, wurde das zunächst mit einigem Grummeln hingenommen; als allerdings „die Medien“ – sprich: die Fuzzis vom Lokalfernsehen auftauchten, wollten die Studis das schöne Bild, das der wunderbar nette „Protest“ abgab, nicht trüben und legten das Transpi um. Zitat: „Die Medien schmeißen das ja dann alles in einen Topf.“
Auf die Idee, dass sie mit diesem unsolidarischen Verhalten die an den Medien kritisierte Aussiebung missliebiger Inhalte nun schon vorher selbst umsetzten, darauf kamen die „Protestierenden“ nicht.
Auch hier also wieder ein Beispiel, dass eine Bewegung, die keine radikal-emanzipatorische Perspektive besitzt, zum Zwecke der Konformität auf die Unterdrückung Einzelner oder Minoritäten setzt, und damit eben die Machtverhältnisse reproduziert, die sie zuvor auf anderer Ebene kritisierten. Wie uns in der Diskussion selbst geantwortet wurde: „Ja, das ist eine Bitte, kein Protest“.
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....armes, armes Konstanz!!
12.06.2005, 18:52, von ein Jammertal
Die Kurzsichtigkeit und Ignoranz der KN-Studis beweist sich mal wieder und wundert mich mittlerweile nicht mehr.
Trotzdem solidarische Grüße!
((Reiche Eltern für Alle))
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liebes bildungssyndikat konstanz
30.06.2005, 21:23, von theo
...ich will nicht lange ausholen, sondern werd nur auf ein paar äußerungen von eurem schreiben eingehen die ich persönlich anders sehe:
1.
''"...ihre Begeisterung für besagte ''[Rammstein]'' faschistoide Brachialmucke ließen langsam Zweifel über die Ernsthaftigkeit des „Protests“ aufkommen"''
also bitte, über rammstein kann mensch denken was er/sie will. dazu sag ich nix. aber eine protestaktion auf diesem niveau runterzumachen, nur weil ein menschen sich auf ein festival mit rammstein freut, ist jawohl nicht euer ernst.
nach meinem demokratieverständis dürfen auch menschen die rammstein, bob marley, onkelz oder eminem hören ihre meinung (z.B. gegen studiengebühren) kund tun. gerne sogar.
2.
''"Als dann abends tatsächlich noch eine Nase auftauchte und ihre Meinung über die (zugegeben schlechten) Lagerfeuerlieder mit dem Wort „Judenmusik“ äußerte, fand sich denn auch sonst keine/r, der/die sich den Spaß verderben wollte und dem Fascho erklären, dass man ihn nicht dabeihaben will."''
a) wenn du/ihr mal probiert hättet mit dem mensch zu reden, wäre euch vielleicht aufgefallen, dass es ziemlich unmöglich war mit ihm konstuktiv zu reden. ich habs nicht geschafft.
b) wir alle - auch ihr - hattet die chance dem netten herren zu sagen, dass er weggehen soll. warum das keine/r getan hat? vielleicht aus angst. vielleicht auch wegen unserem menschenverstand. ...wir mögen seine meinung nicht? er nervt? dann weg mit ihm! am besten wegsperren. - ich entschuldige meine polemik. aber solche aussagen von euch......
c) er ist selbst jude
3.
''"Wie weit der „Protest“ ging, zeigte sich auch am nächsten Tag, als die Nachricht, der Rektor werde die „Protestierenden“ mit Brötchen versorgen (wie sich herausstellte, eine Ente), mit Jubel aufgenommen wurde. Man hat sich halt lieb und ist nett zueinander."''
ob uns hans eichel, der liebe rektor, meine mami oder herr müller lüdenscheidt brötchen bringt find ich immer nett.
4.
''"..., und arbeitet daran, das „Yale am Bodensee“ zu werden. Übervolle Seminare, Stellenabbau, unzureichende Studienberatung, ein absurder Elitegedanke und die allgemein vorherrschende Unterordnung der Bildung unter reine Verwertungslogik – all diese Themen spielten keine Rolle im „Protest“ der Zeltenden."''
da hast du recht, vollkommen recht. spielte keine rolle - sollte es auch nicht. genau so wurde die umweltproblematik mit zigarettenstummel auf dem boden missachtet, die eintönige farbe der fensterbscheiben, das nicht vorhanden sein von teppich in den vorlesungsräumen und die zu niedrige deckenhöhe für menschen ab 2,40m.
5.
''"Stattdessen wurden die Störenfriede in den eigenen Reihen ausgemacht: als wir, um neben den „Demokratie braucht Bildung“ – Sprüchen auch unserer Meinung Ausdruck zu verleihen, ein Transparent mit dem Satz „Kein Gehorsam dem Staat, kein Kopf dem Kapital – Die Bildung umsonst - das ist uns’re Wahl“ aufstellten und mit „Bildungssyndikat Konstanz“ unterschrieben, wurde das zunächst mit einigem Grummeln hingenommen; als allerdings „die Medien“ – sprich: die Fuzzis vom Lokalfernsehen auftauchten, wollten die Studis das schöne Bild, das der wunderbar nette „Protest“ abgab, nicht trüben und legten das Transpi (in unserer Abwesenheit!) um."
''
beim "zelten gegen studiengebühren" haben studenten teilgenommen, die dieses motto gut fanden/finden. und egal was ihr fordert, die leute haben wegen diesem motto teilgenommen. und in die mitte vom zeltplatz irgendwelche anderen forderungen - ob ihr für blaue gänseblümchen seid, kostenlose bildung oder abschaffung von abschiebknästen - ganz egal ist einfach nicht ok. dafür sind die leute nicht gekommen. ob sie diese position selbst vertreten wurde eben nicht gefragt. das hat nichts mit meinungsfreiheit zu tun wie ihr es an diesem tag bemängelt habt. bzw. hat es doch! die meinung von ein paar wenigen wurde als meinung aller dargestellt. so kam es rüber, auch wenn "bildungssysndikat konstanz" drunter stand (hab zumindest ich nicht gesehen.)
es ging nicht um eure inhalte, sondern nur um den gerade beschriebenen punkt!
6.
''"Auch hier also wieder ein Beispiel, dass eine Bewegung, die keine radikal-emanzipatorische Perspektive besitzt, zum Zwecke der Konformität auf die Unterdrückung Einzelner oder Minoritäten setzt, und damit eben die Machtverhältnisse reproduziert, die sie zuvor auf anderer Ebene kritisierten."''
ich wiederhole mich nur ungern. aber wo wir euch unterdrückt haben seh ich einfach nicht. erklärt mir das bitte nochmal! das ist eine ernst gemeinte aufforderung!
adios,
theo
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02.07.2005, 18:10, von Micha
Ast-rein Theo, besser hät ich`s nicht sagen können!
Allerdings wollt ich noch erwähnen, dass die "Rektorbrötchen" keine Ente waren.
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sniff
02.07.2005, 18:14, von MJ
Du kannst einem richtig leid tun Robin, wenn du es nötig hast aus gekränktem Stolz so'n Mist zu schreiben.
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Bestätigungen brauchen keine Stellungsnahmen...
03.07.2005, 16:08, von SyBiKo
Der/die geneigte Betrachter/in mag an den Postings hier unsere Einschätzung der "Protestierenden" bestätigt sehen...
*no comment*
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bitte!
03.07.2005, 23:21, von theo
bitte! bitte bitte widerlegt meine kritikpunkte an eurer stellungnahme nicht mit so stichhaltigen, empirisch unwiderlegbaren argumenten.
hey, ihr habt gewonnen! eure argumente sind wirklich die besseren.
ich bitte meine polemik ein zweites mal zu entschuldigen und bitte außerdem für eine inhaltliche debatte.
ich hab euch ensthaft aufgefordert mir nochmal zu erklären, an welchem punkt ihr euch unterdrückt gefühlt habt. wenn ihr nicht in der lage seid mir wenigstens darauf zu antworten find ich es wirklich schade.
Zu allen anderen punkten die ich aufgeführt hab fänd ich es auch toll etwas zu hören, ansonsten: "Bestätigungen brauchen keine Stellungsnahmen..."
adios,
theo
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Danke liebes SyBiKo!
06.07.2005, 11:35, von theo
"Bestätigungen brauchen keine Stellungsnahmen..."
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