Feature admin
Startseite mehr Features
06/07/05 11:35

Kein Protest – eine Bitte

11.06.2005, 00:03, R & R

Bildung | Konstanz | Universität | Studiengebühren | Aktion

Zelten gegen – ja gegen was und wen eigentlich?



Eineinhalb Wochen vorher ging die Nachricht an der Uni Konstanz herum: man wolle ein Zelten gegen Studiengebühren organisieren.

Direkt auf der Wiese vor dem Eingang zum Unigebäude sollten die Zelte den Protest der Studierenden ausdrücken unter dem Motto „Obdachlos dank Studiengebühren.“ Prinzipiell eine gute Idee, hatten sich doch die Proteste im vergangenen Herbst auf zwei eher lasche Demos in der Stadt beschränkt. Mit Zelten kann man notfalls wochenlang ausharren.

Wochenlang war allerdings nicht unbedingt geplant – schließlich fing am Freitag nach Beginn der Aktion das South Side-Festival an, auf dem Bands spielen, die man unbedingt gehört haben muss (wie Rammstein). Die Freude einiger Studis, dass man noch Karten bekommen hätte, und ihre Begeisterung für besagte faschistoide Brachialmucke ließen langsam Zweifel über die Ernsthaftigkeit des „Protests“ aufkommen. Als dann abends tatsächlich noch eine Nase auftauchte und ihre Meinung über die (zugegeben schlechten) Lagerfeuerlieder mit dem Wort „Judenmusik“ äußerte, fand sich denn auch keine/r, der/die sich den Spaß verderben wollte und dem Fascho erklären, dass man ihn nicht dabeihaben will.
Der „Protest“ wurde immer mehr zu einer Spaßveranstaltung mit Lagerfeuer, Grillen und Saufen.

Wie weit der „Protest“ ging, zeigte sich auch am nächsten Tag, als die Nachricht, der Rektor werde die „Protestierenden“ mit Brötchen versorgen (wie sich herausstellte, eine Ente), mit Jubel aufgenommen wurde. Man hat sich halt lieb und ist nett zueinander.

Eines der Hauptziele des „Protests“ war denn auch die Bitte an den Rektor, sich an der Unterschriftenaktion gegen Studiengebühren zu beteiligen. Zwar hat er sich auch öffentlich schon gegen Studiengebühren ausgesprochen, doch hauptsächlich deswegen, weil nicht klar ist, inwieweit diese direkt an die Unis gehen sollen. Gleichzeitig war die Uni Konstanz eine der ersten Universitäten, die das unausgereifte BA/MA- System einführten, und arbeitet daran, das „Yale am Bodensee“ zu werden. Übervolle Seminare, Stellenabbau, unzureichende Studienberatung, ein absurder Elitegedanke und die allgemein vorherrschende Unterordnung der Bildung unter reine Verwertungslogik – all diese Themen spielten keine Rolle im „Protest“ der Zeltenden.

Die „Protestierenden“ waren sogar so nett und räumten nicht nur ihr Lagerfeuer vom Rondell vor dem R-Gebäude weg, sie kehrten den Platz auch noch picobello sauber, denn: das Rondell war von Altana für einen Kongress am Mittwoch angemietet worden, um dort parken zu können.

Auch der Unterschriftenstand wurde vom R-Gebäude weg auf die andere Strassenseite gestellt, um Altana den Zugang zum Kongress freizuhalten – ein Protest soll ja niemanden stören.

Stattdessen wurden die Störenfriede in den eigenen Reihen ausgemacht: als wir, um neben den „Demokratie braucht Bildung“ – Sprüchen auch unserer Meinung Ausdruck zu verleihen, ein Transparent mit dem Satz „Kein Gehorsam dem Staat, kein Kopf dem Kapital – Die Bildung umsonst - das ist uns’re Wahl“ aufstellten und mit „Bildungssyndikat Konstanz“ unterschrieben, wurde das zunächst mit einigem Grummeln hingenommen; als allerdings „die Medien“ – sprich: die Fuzzis vom Lokalfernsehen auftauchten, wollten die Studis das schöne Bild, das der wunderbar nette „Protest“ abgab, nicht trüben und legten das Transpi um. Zitat: „Die Medien schmeißen das ja dann alles in einen Topf.“

Auf die Idee, dass sie mit diesem unsolidarischen Verhalten die an den Medien kritisierte Aussiebung missliebiger Inhalte nun schon vorher selbst umsetzten, darauf kamen die „Protestierenden“ nicht.

Auch hier also wieder ein Beispiel, dass eine Bewegung, die keine radikal-emanzipatorische Perspektive besitzt, zum Zwecke der Konformität auf die Unterdrückung Einzelner oder Minoritäten setzt, und damit eben die Machtverhältnisse reproduziert, die sie zuvor auf anderer Ebene kritisierten. Wie uns in der Diskussion selbst geantwortet wurde: „Ja, das ist eine Bitte, kein Protest“.

Kommentar