Quelle: Neue Rundschau vom 2.06.00 | |
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Umsonst tagelang gehungert haben die 20 Flüchtlinge in Singen bis zur Selbstschädigung (zum Teil neun Tage ohne feste Nahrung) und mehrere Asylbewerber in Konstanz: Der Kern ihres Hungerprotestes, die Einforderung von menschlicher Behandlung bei der Ernährung und Beschaffung von Arbeitsmöglichkeiten, um sich selbst zu versorgen, prallte an fremdenfeindlichen Ressentiments der Landkreisverwaltung gegen Flüchtlinge ab, denen der Staat Asylrecht gewährt, ihnen aber den darin inbegriffenen Verfassungsschutz in elementaren Lebensbereichen (Futterzwang durch Esspakete) verwehrt. Die Situation in der Sammelunterkunft in der Bohlinger Straße in Singen widerlegt die verbreitete Behauptung, die Hungernden hätten ihren Widerstand freiwillig aufgegeben. Die Bilder sagen etwas anderes: Ihr Hungerstreik wurde durch Ordungsmächte mit Erzeugen von Abschiebeängsten, zögernder Herausgabe von Krankenscheinen und Verweigerung von Taschengeld regelrecht erstickt. Auf den Plan gerufen wurde die Polizei mit Schlagstöcken und scharfen Hunden, weil angebliche Rädelsführer am Werk seinen, die hinter dem Hungerstreik steckten. Diese versteckte Strategie des Verächtlichmachens berechtigten Widerstands gegen eine offensichtlich gewordene Entwürdigung von Menschen scheint zu allen Zeiten zum probaten Handwerk der Ordungsmächte und ihrer Gehilfen zu gehören. Daß das Auftreten derart hochgerüsteter Polizeieinheiten einen Akt vollendeter Kriminalisierung und Diskriminierung von Flüchtlingen vor den Augen der Singener Bevölkerung darstellt, wird schulterzuckend hingenommen.
Eingeräumt hat die Landkreisverwaltung angesichts des Hungerprotests Singener Asylbewerber die Notwendigkeit, in der Sammelunterkunft in der Bohlinger Straße bessere Spielmöglichkeiten für Flüchtlingskinder zu schaffen, die Hausaufgabenbetreuung und die Lagerhygiene zu verbessern sowie einen "Sichtschutz" gegen die kolonnenartig im Hof stehenden stinkenden Müllcontainer zu bauen, aus denen in der Nähe spielender Kinder Kolonnen von Maden herauskriechen.
Ein Sprecher der Hungerstreik beteiligten drückte dennoch seine Enttäuschung darüber aus, daß sich kein einziger deutscher Politiker für ihre Nöte eingesetzt habe. Während sich in Singen tatsächlich kein Ortspolitiker oder Gemeinderat bei den Flüchtlingen sehen ließ, hat sich in Konstanz Stadtrat Michael Venedey von der PDS als einziger zu den Hungernden vor dem Landratsamt begeben.Über deutsche Freunde wollen Asylbewerber erreichen, daß sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und der europäische Menschenrechts-Gerichtshof in Straßburg mit ihrer als "Nötigung zu entwürdigenden Lebensbedingungen" empfundenen Behandlung beschäftigt.
Christof Baudrexel
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sw, 2.6.00