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cm, Konstanz 22. 10. 99

"Der Feind steht links"

Nach diesem Konzept versucht die Staatsmacht nicht nur die Spuren ihres Wirkens zu vertuschen, sondern dem antifaschistischen Widerstand jegliche Legitimität abzusprechen. Zur ideologischen Untermauerung tritt ein ganzes Heer von Publizisten und Wissenschaftlern an. Dr. Armin Mohler, früherer Privatsekretär von Ernst Jünger1: "Wer vom deutschen Faschismus spricht, ist mit Vorbehalt zu behandeln. Er nimmt - ob als trojanischer Esel oder bewußt - an einem kommunistischen Desinformationsunternehmen teil" (Handbuch zur Deutschen Nation, 1987). In einem Informationsblatt seines Ministeriums vom November 1986 ließ der damalige Innenminister Friedrich Zimmermann verbreiten, daß in der BRD "weltweit agierende kommunistische Frontorganisationen" tätig seien. Unter der Überschrift "Moskaus getarnte Helfer - Kommunistische Frontorganisationen wird als eine der wichtigsten Schwerpunkte dieser Frontorganisationen der "Antifaschismus" genannt. Das ist fast deckungsgleich mit dem, was die NPD bereits in Ihrem "Politischen Lexikon" 1972 definiert hat: "Antifaschismus: Schlagwort der Sowjetpropaganda für den organisierten Kampf gegen alle den Kommunismus eindeutig ablehnenden politischen und ideologischen Bestrebungen."

Dieser Linie entspricht das Agieren von Polizei und Justiz. Die Staatsgewalt tritt massiv auf, als bei der Konstanzer Demonstration am 20.11.1989 nach dem Tod von Conny in Göttingen die Polizei für deren Tod verantwortlich gemacht wird. "Das ist das Übelste, was wir je gehört haben. Demonstration ja, aber das hört dort auf, wo Grundrechte verletzt werden" (Einsatzleiter Felgenhauer im Südkurier, 30.11.1989). Aber was für ein Verständnis von Menschenwürde drückt sich im Einsatz der Konstanzer Polizei aus?

Über das Verständnis ihrer Göttinger Kollegen ist an anderer Stelle dieser Broschüre geschrieben worden. Am 21.5.1988 verbreitet NPD-Bohland beim Hertie ein Flugblatt, in dem es u.a. heißt: "In Konstanz leben überdurchschnittlich viele Ausländer. Wir Deutschen werden zusehends überfremdet und schon entrechtet. Dem ist Einhalt zu gebieten." Der Einsatz der Polizei: sie beschlagnahmt ein Transparent und ein Megaphon der protestierenden Antifaschistinnen, bei drei Leuten werden die Personalien festgestellt. Die Menschenwürde von Ausländerinnen ein Dreck? Menschenwürde ein deutsches "Herren-Recht"? Die Verbreitung von Rassismus ein Grundrecht? Aufforderung zu faschistischem Terror unter Polizeischutz? Auch wenn Herr Felgenhauer bei diesem Einsatz vielleicht nicht zugegen war, liegt für ihn das "Übelste" dann vor, wenn antifaschistische Menschen diese Dinge in den offensichtlichen Zusammenhang setzen. Und der getroffene Hund bellt weiter und bleibt wachsam: "Das heißt aber nicht, daß die Polizei die Vorfälle damit als erledigt betrachtet" (Südkurier zur Göttingen-Demo, 30.11.1989). Diese Drohungen nehmen wir ernst.

Starker Staat

Ihre Vorstellungen zu Menschenrechten haben wir oben dokumentiert. Von ihren Bekenntnissen zur Demokratie ist ähnlich viel zu halten. So schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung, das Zentralorgan der Bourgeoisie, 1966 zur geplanten Verabschiedung der Notstandsgesetze:

"Die Alternative lautet nicht ... entweder verfassungsmäßiger Zustand oder Diktatur, sondern die Alternative lautet: entweder verfassungsmäßige Diktatur oder verfassungswidrige, verfassungslose, ungesetzliche, willkürliche, unbefristete, unabsehbare Diktatur. Die verfassungsmäßige Diktatur, also die Notstandsverfassung, stellt das kleinere Übel dar."

Damals hat sich der BRD-Staat das Instrumentarium geschaffen, um die sich abzeichnendeverschärfung sozialer Konflikte in den Griff zu bekommen. In den 70er Jahren wurde dieses Instrumentarium verfeinert. Gleichzeitig entwickelte sich die theoretische Diskussion weiter. Wurde mit den Notstandsgesetzen die "verfassungsmäßige Diktatur" zum Gesetz erhoben, gibt es seit Ende der 70er Jahre die Debatte, auch die "verfassungswidrige Diktatur" als politische Handlungsmaxime vorzusehen. Staatstheoretiker führen diese Diskussion z.B. in derThyssen-Stiftung ("Regierbarkeits"-Studie) und Siemens-Stiftung ("Ernstfall"-Studien). Sie drücken die Nähe zwischen konservativ-reaktionärer und faschistischer Auffassung eines starken Staates aus.

Regierbarkeit, also das reibungslose Funktionieren der staatlichen Exekutive wird durch Einrichtungen und Organisationen behindert, die sich den Interessen von Lohnabhängigen und Marginalisierten in dieser Gesellschaft verpflichten oder durch deren Selbstorganisation.

Regierbarkeit kann wiederhergestellt werden, so die von Thyssen angeheuerten Professoren, "wenn sich in den politischen Führungsgruppen Mehrheiten finden, die, unterstützt von der Öffentlichkeit, mit bestimmten Tabus der politischen Kultur brechen und das Gemeinwohl ohne Rücksicht auf das Geschrei der Böotier (denkfaule, schwerfällige Menschen, Duden 1982) durchsetzen ... Hingegen läßt sich beobachten, daß das Problem dort schlecht bewältigt wird, wo die Parlamente dominieren. Am besten dürften damit plebiszitäre Technodemokratien den Aufgaben gewachsen sein, in denen fähige Funktionseliten die Problemlösungen vorbereiten und durchführen, und überzeugungsfähige Parteiführer die Unterstützung der Bevölkerung sichern" (Thyssen-Stiftung 1977).

Wie wenig der herrschenden Klasse an ihrer parlamentarischen Demokratie liegt, kommt auch in einem Artikel des Herausgebers der "Wirtschaftswoche" Nr. 5/89 zum Ausdruck:

"Die Herrschaft der Mehrheit, die Demokratie, tendiert deshalb dazu, den Reichen ihre Güter zu nehmen und sie an die Armen zu verteilen. Das muß die Marktwirtschaft ruinieren... Die Informedia-Stiftung hat dieser Kontroverse (Marktwirtschaft und/oder Demokratie, d. Verf.) eine eindrucksvolle Tagung gewidmet... Von der These, daß die Demokratie der Marktwirtschaft förderlich sei, blieb dabei wenig übrig."

Führende Polizeistrategen nehmen an dieser Debatte teil und definieren die Rolle der Polizei im Rahmen dieses reaktionären Gesellschafts- und Verfassungsmodelles neu. Horst Herold, ehemaliger Chef des Bundeskriminalamtes (SPD), äußert sich hierzu in einem Interview folgendermaßen:

"Was ich anstrebe, ist die Polizei als gesellschaftliches Diagnoseinstrument... ich kann ständig wie ein Arzt - deshalb das Wort gesellschaftssanitär - den Puls der Gesellschaft fühlen und mit Hilfe rationaler Einsichten unser Rechtssystem dynamisch halten... Interviewer: Es könnte hier ein Informationspool entstehen, der die Polizei zu einer politischen Definitionsmacht befördert, die in der Verfassung jedenfalls nicht vorgesehen Ist. Herold: Das ist genau das Problem. Aber ich darf, ich muß die Verfassung auch entwickeln. Ich kann mich doch Erkenntnisquellen zur Gesundung der Gesellschaft, zur Intakthaltung auch der Verfassungsideen und Verfassungsleitziele nicht verschließen" (aus: Trans- Atlantik).

Die Nähe zu faschistischen Ordruingsmodellen ist offensichtlich. Kein Wunder, daß deshalb die Republikaner für die Stärkung des Staatsapparates eintreten.
"Wir REPUBLIKANER sind die Partei für Recht und Ordnung." Während die REPs stramm deutsch die "Wiederbesinnung auf Normen" verlangen, "deren imperative Verbindlichkeit im Verlauf der Nachkriegsgeschichte verschüttet" wurden (Parteiprogramm 1990), greift Rebmann zum deutsch-englischen Wörterbuch: "Der scheidene Generalbundesanwalt ... verabschiedete sich mit einem Aufruf zu einer an "Law und Order orientierten" Haltung des Staates" (Süddeutsche Zeitung, 2.6.1990).

Die "Diagnoseinstrumente" sind in einem Land mit dieser Tradition des staatlichen Gewaltapparates allemal richtig geeicht. "Das Übelste, was wir je gehört haben", lautet der Rapport an den obersten Gesellschaftssanitäter. Über die Therapien dieser "Ärzte" haben wir viel geschrieben. Auf die Frage: Wer steckt dahinter? - eine kurze Antwort: "Die Wirtschaft entwickelt... ihre Vorstellungen und wir sorgen für die geeigneten Rahmenbedingungen für ihre Umsetzung" (Ministerpräsident Lothar Späth, 1987). Fast 60 Jahre früher drückte dies ein Vorstandsmitglied der IG Farben so aus: "Nun, meine Herren, ist doch der Staat weiter nichts als die Zentrale, die Generalverwaltung der Wirtschaft".

Sicherlich geben diese Zitate nur thesenartig die Modelle wider, die die Reaktionäre betreffs "Gesundung der Gesellschaft", entwickeln. Diese Theoriebildung findet ihre Zuspitzung und Verwirklichung in faschistischer Ideologie, Volksgemeinschaft, Deutschtum, Elite und starkem Staat. Die geschichtlichen Erfahrungen gibt es, aber die Geschichte wiederholt sich nicht in der gleichen Art und Weise. "Gerade darum wird 'Weimar' nicht wiederkehren. Der Rechtsextremismus steht heute nicht gegen ein 'System', das er als unangemessen empfindet. Er ist vielmehr Fleisch von seinem Fleisch, Geist von seinem Geist. Er braucht nicht umzustürzen, er braucht nur nachzuhelfen. Er ist Zutreiber jenes 'starken Mannes', dem er selbst Recht zu geben scheint" (Werner Hofmann, Abschied vom Bürgertum, 1970).

Die BRD als Rechtsnachfolgerin des deutschen Reiches hat die Kontinuität und Integration der Faschisten von Anfang an betrieben. Ein Ergebnis ist die jüngste Wiedervereinigungspolitik. Vor Jahr und Tag nur in faschistischen Parteiprogrammen zu finden, steht sie heute in jeder Kanzlerrede und Regierungserklärung.

1 Ideologischer Wegbereiter des Faschismus. Jünger glorifiziert den Krieg als "großer Gedanke, der Nacht und Blut überstrahlt". Der "Kampf" wird zum "inneren Erlebnis", der Typ des "Soldaten" zum "Arbeiter" hochstilisiert. Als Ziel des "revolutionären Nationalismus" gab Jünger in seiner breitangelegten publizistischen Aktivität den "nationalen, sozialen, wehrhaften und autoritativ gegliederten Staat aller Deutschen" an.