Quelle: AZW Nummer 01, erschienen am 11.05.1995 | |
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AZW: Ziemlich genau 10 Jahre nach der erfolgreichen Durchsetzung des Bürgerentscheides gegen die sogenannte Ulmisriedtrasse verabschiedet Ihr Euch von dem Kompromiß Westtangente und Nordumfahrung bei Wollmatingen zu bauen. Wie kam es dazu?
Michael Dienst: Fischer hat den Begriff "B 33-Konsens" geprägt und hat dann behauptet, wir wären aus dem Konsens ausgestiegen. Tatsache ist, daß es diesen Konsens so nie gab. Die FGL hat nie die Straßenplanung der Stadt mitvertreten. Gerade Manfred Heier, der als Alibi-Person in Sachen "B33-Konsens" zitiert wird, hat immer Forderungen aufgestellt wie die Straßenführungen besser und ökologisch verträglicher werden. Wir hatten immer andere Vorstellungen und haben auch einiges davon durchgesetzt, insofern gab es einen solchen Konsens eigentlich gar nicht.
Ein weiterer Punkt ist, daß wir eine neue Fraktion sind. Wir haben jetzt neun Leute im Gemeinderat und acht von diesen neun haben mit einer früheren Konsens-Geschichte nichts zu tun gehabt, und die Leute sehen die ganze Verkehrsplanung etwas konsequenter. Eine andere Geschichte ist auch, daß die Schadstoffbelastung eben doch unerträglich geworden ist. Gerade im Bezug auf Ozon und Benzol muß man sagen, daß eine Verkehrswende notwendig ist und durch einen Neubau von Straßen mehr Verkehr angezogen wird. Da muß man einfach konsequent sein und muß sagen: Keine neuen Straßen mehr.
AZW: Die Reaktion auf Eure Entscheidung war recht heftig. Wie seht Ihr die Situation für Wollmatingen ohne diese neuen Straßen?
Michael Dienst: Ich denke, daß man den Wollmatinger Bürgerinnen und Bürgern immer etwas Falsches vorgegaukelt hat. Man hat gesagt sie bekommen Umgehungsstraßen, und dann fließt kaum Verkehr mehr durch Wollmatingen. Die neusten Prognosen sehen so aus, daß im Jahre 2010 trotz dieser Straßenneubauten 17800 Autos täglich durch Wollmatingen fahren werden. Das kann letztlich ja keine Lösung sein. Die Reaktionen waren in der Tat recht heftig. Im "Südkurier" hat man uns nachgesagt, wir dürften uns nicht mehr in Wollmatingen sehen lassen. Anwohner der Radolfzeller Straße haben einen Brief an Eickmeyer geschrieben, in dem sie uns als Totengräber bezeichnen und Eickmeyer wurde dazu aufgerufen uns aus dem Gemeinderat rauszuwerfen, also Werner Allweiss und mich. Andererseits kenne ich auch viele andere Wollmatinger, die diese Straßen nicht wollen. Man zerstört dadurch nämlich auch den Naherholungsraum für Wollmatingen.
AZW: Wie Ihr sagt, habt Ihr in den letzten zehn Jahren dazugelernt. Verabschiedet Ihr Euch demnächst auch ganz von dem Projekt "B33 neu"?
Michael Dienst: Wir sind in der Tat der Meinung, daß wir keinen Ausbau der B33 brauchen, zumindest nicht so, wie er jetzt geplant ist. Der Regierungspräsident Dr. Schröder hat gesagt, wenn wir neue Straßen brauchen, bauen wir sie halt. So einfach kann man es sich nicht machen. Diese Leute richten sich nach Prognosen die mal gemacht wurden, die besagen, daß der Verkehr innerhalb der nächsten 15 Jahre um 23% zunimmt. Wir gehen davon aus, daß man den Verkehr reduzieren muß; Bahn und Öffentlicher Nahverkehr ausgebaut und begünstigt werden muß. Auch daß das Autofahren soviel kosten muß, wie es letztlich verschlingt, und das sind eben etwa 5 Mark pro Liter Benzin.
Straßenneubau ist auch eine Konkurrenz zum "Seehas", insofern ist das eine schizoide Verkehrsplanung. Außerdem bedeutet er einen enormen Landschaftsfraß, gerade bei der B 33 neu und der Westtangente.
AZW: Vielen Dank für dieses Gespräch.
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