Quelle: AZW Nummer 05, erschienen am 06.07.1995 | |
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Gegenwehr gegen Sozialabbau ist nicht nur richtig, sie kann auch erfolgreich sein. Diese Erfahrung haben jedenfalls Eltern und Beschäftigte der Kinderkrippe gemacht, die sich mit verschiedenen öffentlichen Aktionen gegen die Pläne der Konstanzer Verwaltung gewehrt haben, die Krippe im Kinderhaus "Rappelkiste" dichtzumachen. Das Ergebnis dieser Aktivitäten ist zumindest ein Teilerfolg für die betroffenen Eltern und die Beschäftigten der Einrichtung: Am 27. Juni hat der zuständige Hauptausschuß nämlich einstimmig (!) beschlossen, die Kinderkrippe in der Mainaustraße ein weiteres Jahr zu erhalten.
Der Beschluß des Ausschusses macht der Eickmeyer-Verwaltung einen Strich durch die Rechnung, die erwogen hatte, die Krippe zu schließen. Hintergrund dieser Pläne ist ein Grundsatzbeschluß des Gemeinderats vom 18. Mai dieses Jahres, in dem die Absicht festgeschrieben ist, das Kinderhaus der Krankenanstalten in städtische Trägerschaft zu übernehmen. Der Hauptausschuß hatte nun auf seiner letzten Sitzung die Einzelheiten über "evtl. notwendige betriebliche und/oder organisatorische Konsequenzen einschl. der personellen Auswirkungen" zu beraten, wie es in der Antragsbegründung der Stadtverwaltung lapidar heißt. Diese wollte ganz offensichtlich die Übernahme der betreffenden Kinderbetreuungseinrichtungen dazu nutzen, um Kosten zu drücken bzw. Einnahmen zu erhöhen.
Insbesondere liebäugelte die Verwaltung mit dem Gedanken, die Kinderkrippe zu schließen. Die Stadt ficht dabei nicht an, daß die Einrichtung in der Mainaustraße die einzige Möglichkeit ist, Kinder unter zwei Jahren in einer Gemeinschaftseinrichtung unterzubringen, und obwohl für den Stichtag August 95 bereits 12 Neuanmeldungen vorliegen. In Konstanz sei "z.Zt. ein ausreichend großes Angebot an Tagespflegestellen vorhanden", argumentiert das Verwaltungspapier. Deshalb "hält die Verwaltung die Aufrechterhaltung des Krippeangebots angesichts der hohen Kosten nicht für zwingend." Allein die Personalkostenreduzierung bringe (schon abzüghch der Mindereinnahmen durch die Elternbeiträge) netto 130000 Mark ins: Stadtsäckel, reiben sich die Verantwortlichen die Hände.
Sparpolitik auf Kosten von Eltern und Beschäftigten also wieder einmal.
Auf die Krippe als Streichobjekt war man im Rathaus nicht etwa deshalb verfallen, weil das Tagesbetreuungsangebot ausreichend ist, sondern weil das Land 30 Prozent der Personalkosten für die altersgemischten Gruppen des Kinderhauses übernimmt nicht jedoch für die Krippenplätze. Doch die Stadt hatte die Rechnung ohne die Betroffenen Eltern und Krippenbeschäftigte gemacht. Diese gingen in die Offensive: sie informierten nicht nur sämtliche Gemeinderäte über die drohenden Folgen der städtischen Rotstiftpolitik, sie machten diese auch mit Informationsständen auch öffentlich und sammelten Unterschriften für den Erhalt der Krippe.
In einer Erklärung wies der Elternbeirat darauf hin, daß eine Schließung der Krippe des Kinderhauses "Rappelkiste" bedeuten würde, "daß als Betreuungsgelegenheit für Kinder unter zwei Jahren in Konstanz nur noch Tagesmütter zur Verfügung stünden." Der Beirat vertritt demgegenüber die Meinung, daß "unsere Stadt eine Kinderkrippe braucht und daß den Konstanzer Eltern die Entscheidung, 'Krippe oder Tagesmutter' auch künftig allein überlassen bleiben" solle. "Viele von uns haben ihr Kind gerade deswegen in der Krippe untergebracht, weil sie - nach sorgfältiger Einholung und Abwägung von Informationen über verschiedene Betreuungsmöglichkeiten die Krippe für eine bessere Alternative halten als eine Tagesmutter." Der Elternbeirat führt gewichtige Gründe dafür ins Feld. Unter anderem gewähre nur die Krippe ein Höchstmaß an Verläßlichkeit, das bei einer privaten Tagesbetreuung nicht gegeben sei. Auch die frühmorgendlichen Öffnungszeiten seien insbesondere für Eltern die in Schicht arbeiten, von entscheidender Bedeutung. Zudem werde das Kind in der Krippe von ausgebildetem und erfahrenem Personal betreut, das nur für die Kinder da sei. Auch gebe es durch die Anwesenheit von mehreren Kinderkrankenschwestern bessere Chancen für ein Vertrauensverhältnis zwischen Kind und Betreuerin.
Daß solche Argumente für viele Eltern ausschlaggebend sind, wird unter anderem dadurch belegt, daß die Krippe, die jetzt seit 18 Jahren besteht, immer voll belegt war. Fürs erste konnten die städtischen Schließungspläne nicht zuletzt durch die Aktivitäten der Betroffenen verhindert werden. Das sollte eigentlich allen Mut machen, die künftig von städtischer Sozialabbaupolitik getroffen werden, gleiches zu tun. Anläße wird es genügend geben.
Jürgen Geiger
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