Quelle: AZW Nummer 06, erschienen am 20.07.1995 | |
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Das Schreiben geht laut einem Bericht der Badischen Zeitung auf eine Anweisung des Innenministeriums vom 23. März dieses Jahres an die Regierungspräsidien zurück, an alle AsylbewerberInnen, deren Antrag durch das Bundesamt abgelehnt wurde, ein solches Anschreiben zu verschicken. Es geht jedoch nicht nur an diese, sondern es wird auch an Flüchtlinge versandt, deren Asylverfahren noch läuft oder die hier geduldet werden, weil eine Ausreise derzeit nicht möglich ist. In Konstanz sind dies insbesondere Flüchtlinge aus dem Kosovo und Bosnien. Während letzere derzeit eine generelle Duldung durch die Ausländerbehörden erhalten, ist Serbien nicht bereit, ohne Abschluß eines Rücknahmeabkommens Kosovo-Albaner einreisen zu lassen.
Um den Betroffenen, die Ausreise "schmackhaft" zu machen, zählt die Behörde eine ganze Reihe von "Vorteilen" auf, die eine "freiwillige" Ausreise angeblich mit sich bringen würde: Von der Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt wieder einzureisen - natürlich nur, insofern keine anderen Gründe gegen eine Einreise vorliegen - über die Chance, den Reiseweg und Verkehrsmittel selbst zu bestimmen bis hin zur vollständigen Mitnahme ihres Gepäcks reichen hierbei die Argumente. Nicht gespart wird auch mit "guten" Ratschlägen wie zum Beispiel dem dümmlichen Hinweis darauf, daß manche Länder für die Durchreise ein Visum verlangen oder auf Einfuhrbestimmungen für Gepäck in ihrem Heimatland. Für weitere Auskünfte ständen die Bezirksstelle oder die lokale Ausländerbehörde mit Rat und Tat zur Verfügung. Die Flüchtlinge werden aufgefordert: "Teilen Sie... umgehend der zuständigen Bezirksstelle für Asyl oder der Ausländerbehörde mit, daß Sie freiwillig aus dem Bundesgebiet ausreisen wollen... Je früher Sie diesen Kontakt aufnehmen, um so länger haben Sie Zeit, gemeinsam mit der zuständigen Behörde das weitere zu besprechen." Dem guten Ratschlag folgt die Drohung: "Sollten Sie ihrer Ausreisepflicht nicht freiwillig nachkommen, werden Sie abgeschoben. Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie zur Vorbereitung der Abschiebung sogar in Abschiebehaft genommen werden. In jedem Fall müssen Sie damit rechnen, daß Sie von der Polizei ohne weitere Vorankündigung abgeholt und in Ihr Heimatland zurückbefördert werden. Sie haben dann nur wenig Zeit, die notwendigsten Dinge zu erledigen und Ihr Gepäck zusammenzupacken. ...Sie werden von der Polizei an den Flughafen bzw. an die Landesgrenze gebracht. Die Kosten für die Abschiebung zahlen Sie. Sofern Sie über Eigentum verfügen, behalten wir dieses zum größten Teil zur Deckung der Abschiebungskosten ."
Unterschrieben "mit freundlichen Grüßen".
Laut Rechtsanwalt Maier, der zahlreiche Flüchtlinge in Konstanz anwaltlich vertritt, reagierten diese auf den Erhalt des Schreibens verängstigt und aufgelöst. Denn wenn sie auch nur wenige Worte deutsch verstehen: die Worte "Polizei" und "Abschiebehaft" sind ihnen geläufig. Auf seine Anfrage beim Regierungspräsidium bekam er die Auskunft, es handele sich lediglich um ein Merkblatt - was jedoch mitnichten aus dem Anschreiben hervorgeht. Die persönlich angeschriebenen Flüchtlinge müssen und sollen das Schreiben als Androhung einer zwangsweisen Abschiebung verstehen, falls sie nicht vorher bereit sind, selbst ihre Koffer zu packen. Nach seiner Erkenntnis stellt der Versand eines solchen Schreibens ein absolutes Novum dar.
Nach Protesten von Rechtsanwälten und dem Flüchtlingspfarrer der evangelischen Landeskirche Wolfgang Weber, der von "massivem psychischem Druck zur Vertreibung von Flüchtlingen" sprach, hat das Anschreiben mittlerweile eine geringfügige inhaltliche Modifizierung erfahren. Aus der neuen Fassung geht hervor, daß Asylbewerber im laufenden Verfahren das Land nicht verlassen müssen. Aufgefordert zur "freiwilligen Ausreise" werden sie gleichwohl. Den das Innenministerium besteht auf dem weiteren Versand des Schreibens. Über allem steht - laut Aussagen des Sprechers des Innenministeriums Zorell - das Ziel, die freiwillige Ausreise zu fördern.
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