Quelle: AZW Nummer 07, erschienen am 03.08.1995 | |
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Wer gedacht hatte, selbst für die Stadtverwaltung gebe es gewisse Schamgrenzen, was die Ausplünderei der Konstanzer Bevölkerung betrifft, sieht sich wieder einmal getäuscht. Auf Antrag der Eickmeyer-Verwaltung hat der städtische Hauptausschuß eine neue Fassung der sogenannten Verwaltungsgebührenordnung beschlossen. Der Grund dafür: im Rathaus will man die städtischen Gebühren erhöhen, und zwar saftig. Teilweise sollen die Bürgerinnen und Bürger künftig das zehnfache der bisher verlangten Beträge für Dienstleistungen wie Auskünfte oder Genehmigungen hinlegen müssen. Makaberstes Beispiel dafür: Statt bislang 30 Mark müssen für eine Feuerbestattung künftig 100 Mark berappt werden.
Wie seit Jahren schon rechtfertigten die Verantwortlichen ihren Vorstoß mit der Allerweltsbegründung gestiegener Kosten. Sie können dies, weil bei den kommunalen Gebühren grundsätzlich das Kostendeckungsprinzip gilt: städtische Dienstleistungen müssen sich danach marktwirtschaftlich rechnen. Dieses Prinzip wird auch von der Opposition im Gemeinderat eigentlich nie in Frage gestellt, zu Unrecht. Denn tatsächliche hat die Konstanzer Bevölkerung über immer höhere Steuern schon mehr als genug für den Unterhalt der städtischen Einrichtungen hingeblättert. Bedauerlich aber nichtsdestotrotz folgerichtig deshalb, daß der tiefere Griff in die Taschen der Bürgerinnen und Bürger bei den Gemeinderäten, wie so häufig, kaum auf Kritik stieß: am 20. Juli segnete das Gremium die neue Gebührenordnung mehrheitlich ab.
Einen besonders interessanten Ausrutscher leistete sich in der Diskussion um die höheren Verwaltungsgebühren der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Leipold, der laut einem "Südkurier"- Bericht begrüßte, daß mit dieser Gebührenordnung Kosten nun eindeutig erfaßt und an ihre Verursacher weitergegeben würden. Interessante Definition, das: der Bürger als Verursacher von Kosten. Bislang kannte man diese Sichtweise eher aus Veröffentlichungen der reaktionären angebotsorietierten Wirtschaftstheorie, nach der (öffentliche) Ansprüche der Lohnabhängigen lästige Kostenfaktoren sind, welche nur die Profite mindern. Eigentlich sind solche Ansichten nicht gerade als genuin sozialdemokratisch zu bezeichnen.
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