Quelle: AZW Nummer 08, erschienen am 31.08.1995 | |
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Mit aller Schärfe protestiert der Arbeitskreis Asyl Konstanz gegen den Versuch, Frau Saba Fessehaye von Konstanz nach Eritrea abzuschieben.
Frau Saba Fessehaye floh 1990 vor dem Bürgerkrieg in Eritrea in die Bundesrepublik. Seit vier Jahren arbeitet sie im Pflegeheim der Spitalstiftung in Konstanz, im Januar wurde sie von einer eritreischen Familie, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, adoptiert.
Am 14.8.95 morgens um 3 Uhr verschafften sich Beamte der Konstanzer Polizei mit Hilfe eines Hausmeisters der Spitalstiftung Zugang zur Wohnung von Frau Fessehaye, indem sie sie mit vorgehaltener Pistole bedrohten.
Frau Fessehaye zeigte den Polizisten ihre gültigen Aufenthaltspapiere. Obwohl die Beamten also wußten, daß ihre Abschiebung unrechtmäßig ist, nahmen sie Frau Fessehaye die Wohnungsschlüssel und Scheckkarte weg und führten sie ab. Mit Handschellen gefesselt wurde sie zum Frankfurter Flughafen gebracht. Erst dort gelang es dem Anwalt von Frau Fessehaye, die Abschiebung zu verhindern.
Die Art und Weise, in der die Abschiebung vorgenommen wurde, erinnert an die dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte, in der eine enge Zusammenarbeit zwischen Gestapo, Behörden und Blockwart reibungslos funktionierte, um jüdische BürgerInnen aus ihren Wohnungen abzutransportieren.
Der AK Asyl Konstanz sieht in dem Abschiebeversuch von Frau Fessehaye einen weiteren Beweis für die rigorose Verschärfung der Abschiebepraxis, deren Devise bundesweit "Ausländer Raus!" lautet. Die Diskussion darüber, wer, wie, wann, unter welchen Bedingungen am schnellsten und effektivsten abgeschoben werden kann, reißt in Deutschland nicht ab. Ob nach Algerien in die Türkei, Vietnam oder Ex-Jugoslawien mit immer neuen Verträgen und Finessen wird die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Verfolgerländern zur Abschiebung der Flüchtlinge perfektioniert. Die Menschenwürde, das Asylrecht, aber auch der Abschiebeschutz, wie er im Falle von Frau Fessehaye durch ihre gültige Duldung gegeben war, bleiben dabei auf der Strecke.
Wir werfen den Konstanzer Polzeibeamten vor, wissentlich gegen Recht und Gesetz verstoßen zu haben, auf die sie einen Diensteid geleistet haben: Die gültigen Papiere einer Ausländerin interessierten sie nicht. Die Anwendung von Schußwaffen zur brutalen Einschüchterung von AusländerInnen erinnert an den letzten Jahresbericht von amnesty international. Mit Sorge stellen wir fest, daß auch bei der Konstanzer Polizei die Hemmungen im Umgang mit AusländerInnen fallen. Auch der Umstand, daß die Polizei bei Nacht und Nebel die Flüchtlinge zur Abschiebung abholt, haben Anwälte und der AK Asyl in der Vergangenheit mehrfach kritisiert. Zu dieser Uhrzeit Rechtsschutz zu erreichen, ist unmöglich.
Wir werfen der Konstanzer Ausländerbehörde vor, daß sie den Antrag von Frau Fessehaye, bei ihren Adoptiveltern in Deutschland leben zu dürfen, abgelehnt hat, obwohl eine positive Entscheidung in ihrem Ermessen liegt. Auch der Ausländerbehörde, die über Abschiebungen in- formiert wird, machen wir den Vorwurf, daß sie die Abschiebung von Frau Fessehaye trotz gültiger Aufenthaltspapiere in Kauf genommen hat. Warum sollte sie auch sonst jetzt, wie der Chef des Ausländeramts, Herr Isenmann, ankündigte, den Verdiestausfall von Frau Fessehaye übernehmen.
Dem Regierungspräsidum Freiburg, das die Abschiebung anordnete und von einer gültigen Duldung nichts gewußt haben will, werfen wir vor, daß sie am grünen Tisch, mit dem Blick darauf die Abschiebezahlen zu erhöhen über das Schicksal von Menschen entscheidet, ohne nach ihren konkreten Lebensverhältnissen vor Ort zu fragen.
Besonders empört sind wir über die Zusammenarbeit der Bediensteten der Spitalstiftung - auch der Sicherheitsbeauftragte war über die geplante Abschiebung informiert - mit Polizei und Behörden. Ohne Nachzufragen und in blindem Obrigkeitsgehorsam haben sie Frau Fessehaye, eine Mitarbeiterin in der Spitalstiftung, der Polizei ausliefert. Dieses Verhalten erschüttert uns, weil wir wissen, daß mit dieser Haltung vor über 50 Jahren ein System aufrecht erhalten wurde, von dessen Greueltaten anschließend niemand etwas gewußt haben wollte.
Bis heute hat Frau Fessehaye weder ihre Wohnungsschlüssel noch ihre Scheckkarte von der Ausländerbehörde zurückerhalten. Frau Fessehaye leidet noch heute unter dem Schock des Abschiebeversuchs und kann sich nicht vorstellen, in ihrer Wohnung zu schlafen.
Wir fordern eine offizielle Entschuldigung bei Frau Fessehaye, die Rückgabe ihres Eigentums, eine Entschädigung und eine Aufenthaltsgenehmigung, um bei ihren Adoptiveltern in Konstanz leben zu dürfen.
Arbeitskreis Asyl Konstanz
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