Nach Untersuchungen von1992 fehlen in Konstanz ca. 200 Pflegeheimplätze. Die Veränderung der Altersstruktur und der Familiensituation im Lande wird die Zahl der hilfsbedürftigen alten Menschen zukünftig weiter ansteigen lassen, ebenso wie die Zunahme der Demenzkranken mit Morbus Alzheimer und Altersverwirrtheit.
Der Gemeinderat hat sich im Dezember 99 mehrheitlich für zwei neue Pflegeheime in Konstanz entschieden, zusätzlich zur Urisberg-Planung. Über die Standorte gab es Uneinigkeit, da nur 2 Vorschläge für Lokalitäten in Gewerbegebieten auf dem Tisch lagen.
Wer aber Träger der Heime sein soll, darüber wird inhaltlich wenig diskutiert Immer wieder werden finanzkräftige private Investoren umworben, die diesen Part übernehmen sollen.
Einer davon ist die Bonifatius-AG (mit WKM-Beteiligung), ein "Konzern auf Expansionskurs", der laut Geschäftsbericht 98 insgesamt 9 Einrichtungen betreibt bzw. baut. Im Jahr 2000/2001 ist der Gang an die Börse geplant!
Nach 5-jähriger Erfahrung mit der Pflegeversicherung klagen derzeit alle Pflegeeinrichtungen darüber, daß durch die neue Gesetzgebung viele notwendige Pflegetätigkeiten unbezahlt bleiben, und daß ständig mit zu knappen Mitteln gehaushaltet werden muß. Da verwundert der Optimismus der Bonifatius-AG schon ein wenig.
Die AG sieht, trotz allem, hier eine "Marktlücke" und setzt lt. Vorstandsvorsitzendem auf das "zunehmende Vermögen der Senioren". Für 2000 werden 4,5 Mio. DM an Gewinn erwartet. Das klingt sehr nach einer weiteren Luxusresidenz für Begüterte!? Die "normalen" Pflegebedürftigen haben jedoch meist eine geringe Rente und werden entweder vom Sozialamt oder von ihren Angehörigen zwangsweise bezuschußt, um den Heimaufenthalt bezahlen zu können.
Durch die staatliche Regelung "ambulante Pflege vor stationärer" und durch den Mangel an Pflegeheimen sind viele Hilfsbedürftige mehr oder weniger sich selbst überlassen. Da auch die ambulanten Pflegedienste von der Sparpolitik betroffen sind, reicht die Pflegezeit hinten und vorne nicht.
Oft kommen alte Menschen erst "in letzter Minute" in die Pflegeheime, mit Zeichen der Unterernährung, erhebliche medizinische Behandlung und eine Unmenge an Zuwendung, um wieder ihren Platz im Leben zu finden.
Nach Berechnungen einer Caritasstudie, die einen sehr großzügigen Personalschlüssel von 1:2,8 zu Grunde legt, hätte damit jeder Kranke ein Anrecht auf 1,5 Std. Versorgung innerhalb 24 Stunden. Damit kommen aber nur 30% der Bewohner aus; ein Drittel benötigt 2-3 Std., die restlichen sogar bis zu 4 Std. Pflege. Bei diesem Schlüssel kämen auf 40 Bewohner 14 Pflegekräfte pro Tag. Die Tatsachen sehen aber eher anders aus, daß insgesamt 10 Kräfte im Dienst sind, morgens 5, nachmittags 4 und nachts eine. Und auch diese Personalbesetzung wird häufig unterschritten.
Man kann sich leicht vorstellen, daß die Folgen für die alten Menschen lebensbedrohlich sind und andererseits das Pflegepersonal gegen ständige Überarbeitung kämpfen muß. Hinzu kommt, daß die derzeitig gültige Fachkraftquote von 50%, eine zusätzliche Belastung für die ausgebildeten Pflegekräfte mit sich bringt und gleichzeitig die Qualität der Versorgung verschlechtert. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn 20% der Altenpflegerinnen ein Jahr nach der Ausbildung den Beruf verlassen und nach 5 Jahren sogar 85%.
Je größer die Heime sind, desto größer die Gefahr für die Bewohner, Druckgeschwüre zu bekommen und mit Psychopharmaka"ruhiggestellt" zu werden, sagt eine Untersuchung Hamburger Pflegewissenschaftler.
Obwohl es jede Menge solcher Untersuchungen und Erfahrungen gibt, mißachtet die "rot-grüne" Gesundheitspolitik deren Gehalt. Die Auszubildenden in der Pflege lernen 3 Jahre lang, was für die ihnen anvertrauten Menschen wichtig ist: wie deren Umfeld gestaltet sein sollte, wie die Nahrung; wie wichtigdie Achtung der Persönlichkeit und der individuellen Fähigkeiten und Erfahrungen ist und, wie man auf seelische und körperliche Probleme eingeht. Sind sie dann examiniert, merken sie, daß nur die "zügige Abfertigung" zählt!
Weil das alles so schlimm ist wie es ist, kann es überhaupt keine Lösung sein, gewinnorientierte Konzerne mit der Altenpflege zu betrauen. Die Altenfürsorge ist Aufgabe der Kommunen. Dafür bezahlen wir Steuern. Gemeinsam mit den alten Menschen, mit ihren Angehörigen , mit den Pflegekräften und der Heimaufsicht müssen Wege gesucht werden, den Bedürfnissen der Betroffenengerecht zu werden. Solche Zustände, wie in dem privaten Stockacher Pflegeheimmüssen jeden wachrütteln. Wir werden alle mal alt!
lir
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