Seeblättle  <<  >>  Quelle:  Seeblättle  Jg. 2000  Nr. 1 

Mißachtung des Informationsrechts einer Grünen Stadträtin

So nicht, Herr Treude

Ende November 1999 reichte Anne Mühlhäußer, die neue Stadträtin der Freien Grünen Liste, eine Anfrage an die Stadtverwaltung ein. Das Thema: die gemeinnützigen Arbeiten, zu denen das Sozialamt Sozialhilfeempfänger verpflichtet. Diese auch als Flugblatt veröffentlichte erneute Anfrage war eine Reaktion auf die unbefriedigende Antwort des Sozialamts auf eine frühere Anfrage des FGLStadtrats Dr. Peter Köhler. Ließ die Anfrage Köhlers noch viel Raum für weitschweifiges Fabulieren, so engte Frau Mühlhäußer diesen Spielraum fast auf Null ein: konkret und detailliert stellte sie zahlreiche Fragen, die kein Ausweichen auf Allgemeinplätze mehr zuließen.

Und dann wartete sie. Drei Monate lang ließ Sozialamtsleiter Treude nichts von sich hören, bis es Frau Mühlhäußer zu bunt wurde und sie ihn telefonisch zur Rede stellte.

Erst mal abwarten ... und dann in die Irre führen

Treude tischte ihr ein Märchen auf, die Fragestellung sei formal falsch und müsse von ihm deshalb gar nicht beantwortet werden. Sie hätte die Anfrage nicht als Einzelperson stellen dürfen, sondern bloß die gesamte FGL-Fraktion sei dazu berechtigt. Dann hätte der Sozialausschuß darüber abstimmen müssen und erst dieser hätte die Verwaltung per Mehrheitsbeschluß zur Beantwortung der Anfrage verpflichten können.

Das ist natürlich alles dummes Zeug - eben Jürgen Treude wie er leibt und lebt. Der Gemeinderat ist Kontrollorgan der Verwaltung. Damit er Mißstände in der Verwaltung aufdecken kann, hat jedes einzelne Ratsmitglied ein umfassendes Informationsrecht, das in § 24 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg geregelt ist.

Das Informationsrecht einzelner GemeinderätInnen

Wir zitieren aus dem Kohlhammer- Kommentar zur Gemeindeordnung:" In der kommunalen Praxis war es bisher schon üblich, Anfragen und Auskunftsersuchen einzelner Gemeinderäte zu beantworten, damit ein gutes Einvernehmen zwischen Gemeinderat, Bürgermeister und Gemeindeverwaltung möglich war und nicht durch die Notwendigkeit, eine Mindestzahl von Gemeinderäten hinter das Auskunftsbegehren zu stellen, unnötige Spannungen entstanden. Dieser Unterrichtungsanspruch ist nunmehr in Abs. 4 gesetzlich verankert. Jeder Gemeinderat kann an den Bürgermeister schriftliche oder in einer Sitzung des Gemeinderats mündliche Anfragen über einzelne Angelegenheiten richten. Der Umfang des Unterrichtungsanspruchs ist der gleiche, wie er dem Gemeinderat nach Abs. 3 zusteht; allerdings besteht kein Anspruch auf Akteneinsicht. ... Es besteht ein Rechtsanspruch auf Beantwortung der Anfrage. Die Antwort muß zutreffend und ausreichend sein; ..." (Kohlhammer- Kommentar zur Gemeindeordnung für BW, 4.Aufl., 10.Lfg, Dezember 1995, § 24, Rnr. 28)) Die Geschäftsordnung des Gemeinderates Konstanz legt darüberhinaus in § 5 eine Frist von 4 Wochen fest, innerhalb derer eine schriftliche Anfrage zu beantworten ist.

So weit die rechtlichen Fakten. Bleibt die Frage, warum Sozialamtsleiter Treude die Anfrage von Anne Mühlhäußer partout nicht beantworten will.

Es geht um rechtswidrige Praktiken bei der "gemeinnützigen" Arbeit

Die Debatte über die gemeinnützigen Arbeiten in Konstanz zieht sich nun schon seit Monaten hin. Angestoßen wurde sie von einigen Sozialhilfeempfängern, die selbst zu "gemeinnütziger" Arbeit gezwungen wurden. Sie initiierten eine "Kampagne gegen Lohndumping durch Arbeitszwang", veröffentlichten einige Flugblätter und Veranstaltungen und erzielten eine beachtliche Aufmerksamkeit. Sie waren es auch, die die Anfrage von Anne Mühlhäußer inspirierten.

Statt auf die teilweise auf hohem Niveau geführte Argumentation dieser Kampagne einzugehen und die Informationen über die Praxis der Sozialhilfearbeit zugänglich zu machen, geht es Sozialamtsleiter Treude anscheinend nur um eines: diese Debatte soll auf jeden Fall unter der Decke bleiben. Doch je länger Treude die Antwort hinauszögert, desto gespannter wird das Publikum. Was gibt es da bloß zu verheimlichen?

Das Informationsrecht der RätInnen verteidigen

Anne Mühlhäußer ermuntern wir, sich nicht von Treude einschüchtern zu lassen und auf die Beantwortung ihrer Anfrage zu bestehen. Denn es geht auch ums demokratische Prinzip. Darf man es einem arroganten Amtsleiter durchgehen lassen, mit einer jungen und kritischen Gemeinderätin Katz und Maus zu spielen?

Die PDS hat sich entschlossen, aus Solidarität mit Anne Mühlhäußer ihre Anfrage noch einmal als PDS-Anfrage an die Verwaltung zu richten.

Jürgen Treude darf um die Antwort nicht herumkommen. Schon deswegen nicht, damit die Mißachtung des Informationsrechtes der RätInnen nicht zur Regel wird.

obi


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Linksrheincm27.09.2000