Seeblättle <<  >>  Quelle:  Seeblättle  Jg. 2000  Nr.6


Veranstaltung zur Parteispendenaffäre

Sehr viel schwarzes Geld

Der linke, ehemalige RAF-Anwalt Hans-Christian Ströbele kam kürzlich nach Konstanz. Er sprach zum Thema "Regieren aus dem Koffer - wie korrupt war die CDU?" Es kamen weit über 50 ZuhörerInnen. Ströbele ist aktives Mitglied im Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Aufklärung der aktuellen Parteispendenaffäre. Er ist übrigens Mitglied des Bündnis 90/Die Grünen.

Es besteht, so Ströbele, der "dringende Verdacht", dass unter dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) für Regierungsentscheidungen von seiten des Kapitals sehr viel Geld geflossen war. Kohl selber brachte das Parteiengesetz in der jetzigen Fassung auf den parlamentarischen Weg, jedoch hielt er sich bekanntlich an sogar wichtige Regelungen dieses Gesetzes nicht. Auch weiterhin nennt Kohl nicht die Namen der Spender, die ihn als CDU-Parteivorsitzenden und Bundeskanzler sehr umfangreich sponserten. Ströbele geht davon aus, dass hier weit mehr als 50 Millionen Mark über Schwarzkonten der CDU und der ihr eng befreundeten Firmen, etwa der Weyrauch-Wirtschaftsprüfgesellschaft, liefen.

Am ausführlichsten berichtete Ströbele über den Verkauf und die Lieferung der Panzer des Typs "Fuchs" aus dem Hause des Rüstungskonzerns Thyssen an Saudi-Arabien. Der Vertrag zwischen Thyssen und Saudi-Arabien wurde 1991 geschlossen. Bei dem Handel arbeiteten Thyssen, das Bundesministerium für Verteidigung, das Bundesministerium für Wirtschaft und der Bundessicherheitsrat zusammen. Zwar weist der Vertrag einen Lieferumfang von 440 Millionen Mark aus. Jedoch, so Ströbele, hatten die bestellten "Fuchs"-Panzer einen Wert von lediglich 220 Millionen Mark. Es ist davon auszugehen, dass bei diesem Geschäft umfangreiche Schmiergelder flossen. Schmiergelder in Höhe von 24,4 Millionen Mark gingen etwa an den Waffenhändler Karlheinz Schreiber, der das Geld führenden PolitikerInnen der Bundesregierung zu geben hatte. Führende PolitikerInnen der CDU, CSU und der FDP als gefügig gemachte, also als praktisch weisungsgebundene HelferInnen der Rüstungsindustrie in der BRD? So soll Dr. Ludwig-Holger Pfahls, seinerzeit Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung, 17 Millionen Mark Schmiergelder angenommen haben. Pfahls, der zuvor übrigens Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz war, hatte zuletzt eine Führungsposition bei Daimler-Benz inne und ist just seit dem Bekanntwerden der deutschen Parteispendenaffäre plötzlich untergetaucht. Ebenfalls Agnes Hürland-Büning, damals auch Staatssekretärin im Bundesministerium für Verteidigung, steht im Verdacht, diverse Schmiergelder angenommen zu haben. Jedenfalls in der Öffentlichkeit bislang nicht in Verdacht, Schmiergelder angenommen zu haben, steht Professor Dr. Manfred Timmermann. Timmermann war zur fraglichen Zeit Rüstungs-Staatssekretär im Bundesministerium für Verteidigung. Vorher war Timmermann übrigens Hochschullehrer in Konstanz, später in St. Gallen, und ist heute der Vorsitzende des hiesigen Universitätsrats, einem Leitungsgremium der Universität Konstanz.

Ausserdem berichtete Ströbele über Spenden der Informationsindustrie, namentlich von Siemens, an die CDU. "Jedes Jahr eine Millionen Mark", so Ströbele, spendete Siemens schwarz an die CDU. Das wird von Dr. Uwe Lüthje, dem ehemaligen Generalbevollmächtigten der CDU-Schatzmeisterei, bestätigt. Jedoch wird das von Siemens unter Hinweis auf ihre eigenen Bücher, die entsprechende Zahlungen natürlich nicht enthalten, dementiert. Eine engagierte Diskussionsteilnehmerin brachte hierzu eine wichtige neue Erkenntnis ins Gespräch. Sie machte darauf aufmerksam, dass international tätige Firmen regelmässig schwarze Kassen mit häufig sehr wertvollem Inhalt führen. Da diese Kassen geheim sind, werden dazu - jedenfalls offiziell - keine Bücher über Zahlungsein- und -ausgänge geführt. Die Diskussionsteilnehmerin: Womöglich durften die MitarbeiterInnen von Siemens bei der firmeninternen Überprüfung der Sache lediglich die offiziellen Bücher des Unternehmens über die Zahlungsein- und -ausgänge einsehen und dementierten nur deshalb Lüthjes Erklärung zu den wiederholten und sehr hohen Siemens-Spenden an die CDU.

Ströbele berichtete, dass er sich in der Zeit seines Studiums umfangreich mit dem staatsmonopolistischen Kapitalismus befasste. Zahlreiche Konsequenzen dieses Kapitalismus erkennt er gerade gegenwärtig in seiner Arbeit im Untersuchungsausschuss des Bundestags. "Aber dass die das so plump machen", so Ströbele, dachte er damals als Student nicht.

H


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linksrheincm16.12.2000