Klassenkampf und Selbstorganisation - Eine politische
Einschätzung des
Kampfzyklus bei der AEG in
Nürnberg
Teil
3: Lehren, die aus der AEG gezogen werden können
Konsequenzen für die Linke
Für
eine Linke, die ihre eigenen revolutionären oder
globalisierungskritischen Reden erst nimmt, ergeben sich aus der AEG
Erfahrung weitreichende Konsequenzen.
Mit
vielen liebgewordenen
Traditionen und mancher Bequemlichkeit muss gebrochen werden, wenn wir
aus unserer Nische raus und den Klassenkampf vorwärts treiben,
und Hexels Befürchtungen wahr machen
wollen.
Die Verankerung in den Betrieben und der Klasse (z.B. bei Erwerbslosen,
proletarische Frauen, MigrantInnen, Auszubildenden) ist notwendig. Das
erfordert manche "Kulturrevolution" in der Szene.
Hier stimmt die AEG
Erfahrung optimistisch. Es hat sich gezeigt, dass Autonome in der
Fußgängerzone Unterschriften und beim
Bäcker um die
Ecke Spenden sammeln können. Beides konnte bisher sicherlich
nicht
zu den typischen autonomen Aktionsformen gezählt werden.
Erfolg setzt Kontinuität und Ernsthaftigkeit voraus. Events
sind
schön und können Kraft geben. Aber die Linke muss
aufhören sich ausschließlich als
Veranstaltungsagentur
für Demos und Kampagnen zu verstehen.
Ohne die
mühsame,
alltägliche Kleinarbeit z.B. beim Aufbau von
Basisorganisationen
werden Events und Kampagnen aber niemals die Ebene des symbolischen
Protestes überschreiten.
Selbstverständlich muss ein langfristiges Ziel die
internationale
Organisierung bleiben. Da die DGB-Gewerkschaften nicht imstande sind,
internationale Solidarität in globalen Konzernen zu
organisieren,
fällt der Linken diese Aufgabe zu.
Hier könnte die
Linke
Vertrauen und Anerkennung bei den ArbeiterInnen gewinnen und sich in
der Gesellschaft verankern. Dagegen wird eine zersplitterte
revolutionäre Linke als örtliche, bestenfalls
regionale
Kleingruppe ihre gesellschaftliche Marginalisierung nie
überwinden
können.
Die Genossin Ulrike Meinhof formulierte treffend in dem Aufsatz "Vom
Protest zum Widerstand" (Mai 1968) zusammen, was wir meinen:
"Protest
ist, wenn ich sage, das und das passt mir nicht. Widerstand ist, wenn
ich dafür sorge, dass das, was mir nicht passt, nicht
länger
geschieht. Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, dass alle anderen auch
nicht
mehr mitmachen".
Bei der AEG haben wir gezeigt, dass wir auch mit unseren zur Zeit noch
minimalen Kräften kämpfen und dem Feind Verluste
zufügen
können.
Genau hier gilt es anzusetzen und die neue
Herangehensweise, die teilweise unkonventionellen Formen und
dafür
notwendigen organisatorischen Strukturen auszubauen.
Was kann die Klasse lernen?
Das
Beispiel AEG liefert aber auch viele Anregungen für
KollegInnen, die von Massenentlassungen betroffen sind.
Egal wie die jeweiligen Rahmenbedingungen sind, der Kampf gegen
Werksschließungen ist immer ein politischer Kampf, da der
Anspruch auf Erhalt meines Arbeitsplatzes dem Kapitalisten die freie
Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel abspricht.
Wir sind nicht wehrlos. Wir können nein sagen und wie es die
AEGler getan haben, einfach alle nach Hause gehen. Wir können
am
Band diskutieren statt arbeiten. Werkzeuge gehen kaputt,
Schlüssel
werden verloren, Passwörter vergessen. Wir können
eine Menge
Ärger machen und vor allem gilt eins, es gibt verdammt viele
ArbeiterInnen und wir haben alle die gleichen Probleme.
Als ArbeiterInnen sind wir gewohnt auf Chefs und Stellvertreter zu
hören. Wir haben nicht gelernt vor Versammlungen zu reden,
Interviews zu geben, Entscheidungen zu treffen.
Das nutzt die
Gegenseite aus und verarscht uns immer wieder. Hier ist ein gesundes
Misstrauen und kritisches Nachfragen ein erster Schritt. Wir sollten
uns immer fragen, was will derjenige, der uns sagt, tut dieses oder
jenes. Dies gilt auch für Gewerkschafter, die nicht unbedingt
unsere Interessen vertreten.
Wir müssen versuchen eigene Strukturen aufzubauen. Suchen wir
Kontakt zu anderen Abteilungen, Gruppen, Nationalitäten und
besprechen gemeinsam, wie wir vorgehen können. Dann
können
wir eigenständig handeln, wenn andere ein Ende des Kampfes
befehlen.
Internationale Solidarität
Ein
Werk allein auf sich gestellt, wird den Kampf um den Erhalt der
Jobs kaum gewinnen können. In einer solchen Situation stehen
die
KollegInnen immer der geballten Macht der Kapitalistenklasse
gegenüber.
Stellt euch vor, ein Werk wie die AEG setzt sich durch. So etwas
würde schnell Schule machen. Die Kapitalisten könnten
nicht
mehr einfach zur Profitsteigerung Jobs verlagern wie sie wollen.
Deshalb setzen sie alles dran, dass es nicht so weit kommt. Es bedarf
schon eines starken Zwanges, damit ein Unternehmen bei so etwas
grundlegenden nachgibt. Dazu müssen wir den Kampf verbreiten
und
über das jeweils betroffene Werk hinaustragen.
Die übliche Standortlogik der DGB-Gewerkschaften
führt direkt
in die Niederlage. Man kann nicht seinen eigenen Job auf Kosten anderer
KollegInnen retten. "AEG
ist Deutschland" - die Parole der IG Metall
ist blanker Unsinn. Electrolux ist ein globaler Konzern, der europaweit
die Hälfte seiner Werke schließen will. Dagegen
hilft nicht
Deutschland, sondern nur internationale Solidarität und
Klassenkampf.
SPD Chef Müntefering hat zusammen mit der IG Metall Zentrale
im
Frühjahr 2005 eine Kampagne gestartet. Dabei werden
ausländische Finanzinvestoren als Heuschrecken dargestellt,
die
über unserer Land herfallen und anständige deutsche
Unternehmen aussaugen.
Diese Argumentation tauchte auch bei der AEG mit
Verweis auf den schwedischen Wallenberg-Clan wieder auf.Wir kennen alle
die Pseudokritik der Hitlerfaschisten am Kapitalismus, die zwischen
schaffenden deutschem und raffenden jüdischem Kapital
unterschied. Offenbar ist Schröders "neue Mitte" nicht
allzuweit
vom rechten Rand entfernt.
Wir müssen klar erkennen, wer unser Feind ist. Es ist nicht
ein
ausländisches Kapital. Gegenüber der AEG befindet
sich das Versandhaus Quelle, wo die urdeutsche Kapitalistenfamilie
Schickedanz
ähnlich
viele Jobs vernichtet.
Unser Feind ist die Kapitalistenklasse und die ist längst
international organisiert. Um sie loszuwerden, werden wir uns genauso
international organisieren müssen.
|