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Neue Ausfälle Möllemanns:
RWTH-AStA warnt vor antisemitischem Klima in Aachen


Möllemanns jüngste Äußerungen auf einer Aachener Wahlkampfveranstaltung, er werde Sharons Politik als kriegtreiberisch "brandmarken" und sich daran von Friedman nicht hindern lassen, werden zurecht in der in- und ausländischen Presse einhellig als populistisch und antisemitisch verurteilt.

Wenig Beachtung findet bislang das Klima, das in Aachen zur Zeit des besagten Wahlkampfauftritts herrschte.

Nachdem Ephraim Kishon seinen AKV (Aachener Karnevalsverein) Ordensbruder Norbert Blüm öffentlich für die Bezeichnung israelischer Politik als "hemmungsloser Vernichtungskrieg" verurteilte, distanzierte oder entschuldigte sich dieser nicht etwa, sondern ging in die Offensive: In einem offenen Brief verharmloste er den Antisemitismusvorwurf zu einer "philologisch-semantischen Disputation"; hier aber ginge es um Menschenleben. Kishon wurde von Blüm und in einer Flut von Leserbriefen vorgeworfen, er verurteile Kritik an Israel generell als antisemitisch, obwohl dieser Kritik an Israel ausdrücklich als gerechtfertigt bezeichnet hatte. Der AKV gab an, nicht als verlängerter Arm Kishons agieren zu wollen, womit diesem lobbyistische Einflußnahme unterstellt wurde. Ähnlich wie Blüm zog man es vor, sich nicht zum Antisemitismusvorwuf zu äußern, sondern bekundete lieber Solidarität mit ihm. Zusätzlich verbreitete Blüm antisemitische Fälschungen: Ein angebliches Sharon-Interview sollte in seinem Brief als Beweis für dessen menschenverachtendes Denken dienen. Zu diesem Zeitpunkt stand allerdings längst fest, daß Sharon nicht der Interviewpartner war. Eine Stellungnahme des AStA diesbezüglich führte trotz Abdruck in der Aachener Zeitung nicht etwa zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Blüms Verlautbarungen, sondern verhallte im Nichts.

Auch die Podiumsdiskussion des Arabisch-Deutschen Forums mit Jamal Karsli am 05.09. trug sicherlich zum gegenwärtigen Klima bei, in dem Jürgen Möllemann unbehelligt antisemitische Ressentiments schüren kann. Die Karsli-Veranstaltung fand unter Beteiligung des Instituts für Politische Wissenschaft der RWTH statt, obwohl sich Karsli von seinen Äußerungen über das Vorgehen der israelischen Armee ("Nazi-Methoden") sowie seiner Beschwörung einer "zionistischen Lobby" (vgl. AKV), die ihn "kleinkriegen" wolle, nicht distanzierte hatte: Im Gegenteil, neben seinem Skandalinterview in der rechtsextremen "Jungen Freiheit" gab er auch dem Parteiorgan "Neue Solidarität" der antisemitischen Politsekte "Bürgerrechtsbewegung Solidarität" ein Interview: Die Zeitung wurde unter den Augen der Veranstalter vor der Podiumsdiskussion verteilt, ein Protestplakat mit der Aufschrift "Kein Forum für Antisemiten" zerrissen sowie die anwesenden ProtestiererInnen von einem der Veranstalter mit dem Spruch "Ich bin gegen die Existenz Israels" bedacht. Von Seiten des Politischen Instituts erfolgte bis heute trotz Aufforderung durch den AStA keine Stellungnahme.

Leider ist außerdem festzuhalten, daß sich in der Region über Möllemanns Äußerungen, die er bereits vor seinem Wahlkampfauftritt und der Verteilung der Postwurfsendung in einem Interview der Aachener Nachrichten verbreitete, zunächst kein Unmut regte: Erst nach den empörten Urteilen auf Landes- und Bundesebene schenkt man seinen Äußerungen auch in Aachen Aufmerksamkeit.

Der AStA empfiehlt folgende Veranstaltungen zum "neuen alten Antisemitismus":

25.09.2002 19.00 Uhr Hörsaal IV, RWTH Hauptgebäude, Templergraben:
Nahostdiskussion in Deutschland - Vom schmalen Grat zwischen Palästina-Solidarität und Antisemitismus. Vortrag und Diskussion mit Alfred Schobert vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung. Veranstalter: Antifaprojekt an den Aachener Hochschulen.

1.10.2002 19.30 Uhr Aula Carolina, Pontstraße:
Antisemitismus ohne Antisemiten? Zur neuen Judenfeindschaft. Vortrag von Prof. Dr. Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der ZU Berlin. Veranstalter: Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Aachen.

Zu beiden Veranstaltungen ist der Eintritt frei.

(Pressemitteilung des AStA der RWTH Aachen, 18. September 2002)