-->kampf um freiräume
hausbesetzungen und mehr in aachen

Aachen: Hausbesetzung in der Goethestraße

Im Südviertel ist es am Abend des 31. Oktober zur ersten Hausbesetzung seit über vier Jahren in Aachen gekommen. Die BesetzerInnen haben das ehemalige Gebäude des AStA der Fachhochschule ausgewählt.

Die Polizei war sehr schnell vor Ort und machte Betreten und Verlassen des Gebäudes zunächst unmöglich. Erst als fast 100 UnterstützerInnen der Hausbesetzung in der Goethestraße eingetroffen waren, zog sich die Polizei zurück. Danach wurde das Haus für die Öffentlichkeit geöffnet. Bis in die frühen Morgenstunden fand eine Einzugsparty mit bis zu 150 TeilnehmerInnen statt. Auch die ersten AnwohnerInnen haben sich bereits freundlich vorgestellt.

Flugblatt der BesetzerInnen 31.10.2002

Pressemitteilung der BesetzerInnen 01.11.2002

Wurfzettel an die NachbarInnen 01.11.2002

Die ersten Bilder 01.11.2002

Kurzmeldungen 02.11.2002

WDR-Bericht 02.11.2002

Zeitungsartikel "junge Welt" 04.11.2002




Flugblatt der BesetzerInnen 31.10.2002

..WEIL DAS WÜNSCHEN NICHT GEHOLFEN HAT....
wurde am 31.10.2002 das ehemalige gebäude des fh asta, goethestr. 3, besetzt.

aachen im herbst 02. eine stadt räumt auf. bestandsaufnahme:

für die besetzung des seit monaten leerstehenden gebäudes gibt es mehr als nur viele gründe, nicht zuletzt die nicht hinnehmbare schliessung des autonomen zentrums (az) am 18.10. durch die stadt aachen.
dieser angriff auf freie kulturarbeit und politik reiht sich nahtlos ein in eine schon länger stetig um sich greifende säuberungs- und ausgrenzungspolitik in der (innen)stadt. migrantInnen, obdachlose und drogenabhängige werden aus dem stadtbild vertrieben, soziale einrichtungen und jugendtreffs werden durch kürzungen der öffentlichen mittel in den ruin getrieben; cafe zuflucht, cafe relax, kinderschutzbund, drogen- und aidsberatung..., um nur ein paar beispiele zu nennen. ganz zu schweigen vom verkauf der gewoge und der seit jahren erstmaligen wohnungsnot für neue studierende bei gleichzeitig zahlreich leerstehenden wohnungen.

wer augen hat sehe und wer ohren hat höre. ein neues kapitel:

die letzte besetzung in aachen liegt mittlerweile gut 4 jahre zurück und scheinbar sind die damaligen situationen und forderungen identisch mit denen von heute. doch dieser schein trügt. ein immer weiter und massiv um sich greifender sozialer kahlschlag (BÄH!!!), das konsequente fehlen eines zentrums und veranstaltungsort fernab der profitinteressen der vorhandenen kneipen- und discokultur, sowie eine immer stärker in die öffentlichkeit drängende neonazi-szene machen die existenz eines unabhängigen und selbstverwalteten freiraums dringender nötig als jemals zuvor.

das ziel vor den augen:

mit der besetzung wollen wir uns diesen bitter benötigten FREIraum nehmen, um so wohnraum und lokalitäten für selbstbestimmte politische, soziale und kulturelle arbeit zu schaffen. einen ort für unkommerzielle veranstaltungen ohne konsumzwang, offen zum reinkommen, mitmachen, inspirieren... kein platz für rassismus, sexismus, faschismus...

endlich mal was neues eben.
es gibt keinen grund gelangweilt zu sein... oder langweilig.

donnerstag, 31.10.02 einzugsparty. jubel - trubel - heiterkeit!

für schöner. für anders.
habt euch lieb!

die besäzzerInnen der goethestrasse in aachen & ihre freundInnen



Pressemitteilung der BesetzerInnen 01.11.2002

Am 31.10.02 wurde das bis dahin leerstehende Haus Goethestraße 3 besetzt.

In diesem Gebäude lag bereits seit mehreren Jahren auf 2 Etagen wertvoller Wohnraum brach. Die unteren Etagen mußten vor einem halben Jahr von verschiedenen studentischen Projekten und dem AStA der FH Aachen verlassen werden. Angeblich sollte das Gebäude verkauft werden, um die marode Haushaltskasse des Landes NRW zu entlasten. Heute ist davon nicht mehr die Rede - im Gegenteil wird gemunkelt, dass das Rektorat der FH sich irgendwann dort niederlassen will. Ein Mitarbeiter des AStA der FH: "Ich fühle mich von der Hochschulleitung betrogen. Es ist zu begrüßen, dass unsere alten Räume nun wieder sinnvoll genutzt werden."

Die Hausbesetzung ist als Reaktion auf die immer massiver zu Tage tretenden sozialen Repressionen zu sehen. Diese Repression manifestiert sich u.a. in den Mittelkürzungen für nahezu alle sozialen Einrichtungen in Aachen, aber auch in der aggressiven Vertreibungspolitik gegen verschiedene "Randgruppen" in der Innenstadt. Eine Sprecherin der BesetzerInnen formuliert es so: "Wir wollen in einem täglich kälter werdenden sozialen Klima Freiräume schaffen - zum Arbeiten, zum Feiern, zum Leben!"

Doch es soll nicht bei einer Reaktion bleiben. In der Goethestraße soll ein selbstverwaltetes Zentrum entstehen, in dem selbstbestimmte und unkommerzielle politische, kulturelle und soziale Arbeit stattfinden kann. Ausdrücklich unterstützt werden die Forderungen nach sofortiger Wiederöffnung des Autonomen Zentrums in der Vereinsstraße. Tenor der BesetzerInnen: "Aachen braucht auch das AZ; es ergänzt sich bestens mit den neugeschaffenen Räumen in der Goethestraße."

Sehr positiv haben die AnwohnerInnen in der Goethestraße diese Initiative aufgenommen. Zahlreiche NachbarInnen haben sich bereits zu Besichtigung, Smalltalk und mehr eingefunden. Am Sonntag nachmittag sind alle AnwohnerInnen zu Kaffee und Kuchen eingeladen.

Zur Zeit noch mangelt es den neuen BewohnerInnen der Goethestraße 3 an verschiedenen Einrichtungsgegenständen wie z.B. Sofas, Matratzen, Geschirr, Kücheneinrichtung, Tische & Stühle. Alle AachenerInnen, die das Projekt unterstützen wollen, sind zu entsprechenden Sachspenden aufgerufen.

Die BesetzerInnen der Goethestraße 3



Wurfzettel an die NachbarInnen 01.11.2002

Liebe Nachbarinnen und Nachbarn

Wir sind gestern in das bis dahin leerstehende Haus in der Goethestraße 3 eingezogen.

Wir wollen hier einen Raum für soziale, politische und kulturelle Arbeit schaffen. Ideen dafür sind beispielsweise ein Café, eine Fahrradwerkstatt, Leseecken, eine Kunstwerkstatt und und und...

Gleichzeitig bieten die Räume Platz für diverse Veranstaltungen wie Lesungen, Filmvorführungen, Ausstellungen und vieles mehr.

Darüber hinaus wollen wir das Haus aber auch zum darin leben nutzen. Wir wollen das Haus nicht kaputtwohnen, vielmehr werden wir renovieren und dem ganzen ein wenig Leben geben.

Mit dieser Besetzung wehren wir uns gegen die Streichung diverser sozialer und kultureller Einrichtungen durch die Stadt Aachen.

Die bereits bestehende Wohnungsnot wird durch den Verkauf der GeWoGe noch gefördert,

Gegen den herrschenden sozialen Kahlschlag, gegen Ausgrenzung und Diskriminierung werden wir hier aktiv.

Dabei legen wir sehr viel Wert auf ein respektvolles Miteinander und Zusammenleben der Nachbar/innenschaft.

Um uns gegenseitig kennenzulernen, laden wir für Sonntag 15 Uhr zu Kaffee und Kuchen vor unserem Haus ein.

Eure und Ihre neuen Nachbar/innen



Die ersten Bilder 01.11.2002

besetztes haus goethestraße 3 aachen
"es wird ein lachen sein dass eure herrschaft begräbt" "besetzen weil das wünschen nicht geholfen hat"
das haus ist denkmalgeschützt
solidarität nach hamburg: "bambule bleibt!" "no borders no nations stop deportations"
"für schöner und anders" so nett sehen hausbesetzerInnen aus

...keineswegs lichtscheu - ein kleiner Teil der NutzerInnen beim Guten-Morgen-Plenum.

Die schönsten Aussichten gibt's aber fraglos vom Dach...

romantischer mensch genießt schöne aussichten
"autonome zentren erkämpfen und verteidigen" "kampf dem sexistischen und rassistischen normalzustand"
besetztes haus goethestraße 3 aachen



Kurzmeldungen 02.11.2002

* Nach wie vor sind alle netten Menschen aufgerufen, an der Gestaltung des Lebens im Haus mitzuwirken. Desweiteren ist jedes gemütliche Mitbringsel erwünscht: Sofas, Matratzen und so weiter. Platz für Mensch und Möbel ist reichlich.

* Als erste feste Einrichtung in der Goethestraße 3 ist ein Café geplant. Außerdem soll in den nächsten Tagen ein Film über vergangene Aachener Hausbesetzungen gezeigt werden.

* Die Aachener Zeitung konzentriert sich in der heutigen Berichterstattung auf den ursprünglichen und den geplanten Verwendungszweck des Gebäudes. Inhaltliche Forderungen der "Autonomen Gruppen" werden mit keiner Silbe erwähnt.

* Mit einem guten und ausführlichen Beitrag glänzen hingegen die Aachener Nachrichten, zum Teil in ausgezeichneter Detailschärfe: "Gegen 22.30 Uhr standen den Ordnungshütern dann vor dem Haus rund 70 Sympathisanten der Besetzer gegenüber. Teilweise kam es zu Beschimpfungen der Polizisten, die zudem kurz vor Mitternacht aus dem Haus heraus massiv mit Wasser begossen wurden. Daraufhin ordnete die Einsatzleitung den Rückzug an, wobei es zu Rangeleien zwischen Polizei und Jugendlichen aus der linken Szene kam." - ausnahmsweise einmal empfehlen wir ausdrücklich den Kauf der Samstagsausgabe zum Archivieren oder an die Wand hängen. Ironiefrei!

* Last not least hat die Internetzeitung regioBlick berichtet. Hier ist sogar die Presseerklärung der BesetzerInnen inkl. Spendenaufruf im Wortlaut veröffentlicht.

* Hausbesetzungen gab es in den beiden letzten Tagen auch in Ulm und Hamburg. In Hamburg findet eine Aktionswoche gegen die geplante Räumung mehrerer Bauwagenplätze statt.

stillleben aus der besetzungsnacht

Der freie Mitarbeiter der Aachener Nachrichten hat für seine aufopferungsvollen Überstunden
inmitten von Autonomen, Robocops und Wasserkübeln 1, 2 Bierchen ehrlich verdient... ;-)



WDR-Bericht 02.11.2002

Der WDR Aachen berichtete in seinen lokalen Radionachrichten ganztägig mit folgendem Wortlaut:

"Aachen. Leerstehendes Haus in der Innenstadt besetzt. Junge Leute haben den früheren Sitz des Asta der Fachhochschule vereinnahmt. Auf Spruchbändern und Plakaten fordern sie mehr Wohnraum und Platz für selbstbestimmte politische, soziale und kulturelle Arbeit. Die Aktion hat vorgestern Nacht begonnen. Zu Beginn war es zu Rangeleien zwischen der Polizei und rund 70 Sympathisanten der Hausbesetzer gekommen. Nach Polizeiangaben hat der Eigentümer des Hauses erklärt, die Besetzung das Wochenende über noch zu dulden."

Auch im Fernsehprogramm der WDR-Lokalzeit wurde ein Beitrag gesendet, hier ein paar Screenshots:

wdr-lokalzeit aachen 02.11.02 Die Hausbesetzung war das Tages-Topthema für den WDR Aachen.

nette nachbarInnen in der goethestraße
Die AnwohnerInnen hatten allesamt nur wohlwollende Worte.

echte hausbesetzerin Die BesetzerInnen bekamen die Möglichkeit, ihre Standpunkte zu erläutern...

echter hausbesetzer
...und durften sogar ihr liebstes Outfit tragen. ;-)



Selbstbestimmte Besetzer

Aachener "Autonome Gruppen" holen sich ehemaligen Sitz des AStA der Fachhochschule zurück.

Mit einer Hausbesetzung und Parties haben Jugendliche in der Nacht zum Freitag in Aachen gegen den "Abbau von Freiräumen" protestiert. Die sich "Autonome Gruppen" nennenden Hausbesetzer begründeten ihre Aktion damit, das derzeit in der Kaiserstadt eine "Ausgrenzungspolitik um sich greift". Man wolle sich daher "bitter benötigten Freiraum nehmen, um Wohnraum und Lokalitäten für selbstbestimmte politische, soziale und kulturelle Arbeit zu schaffen". Daher unterstütze man auch die Forderungen nach Wiedereröffnung des Autonomen Zentrums (AZ).

Wie berichtet hatte das Bauordnungsamt Mitte Oktober das seit zehn Jahren bestehende AZ wegen Brandschutzmängel geschlossen. Rund 200 Jugendliche waren daher am Donnerstag abend mehr oder weniger gezwungen, direkt vor dem ehemaligen, als selbst verwaltetes Kulturzentrum genutzten Schutzbunker eine Open-Air-Halloween-Party mit DJs und Livemusik einer Punkband zu feiern. Bei der Polizei gingen deswegen zahlreiche Beschwerden der Anwohner über Lärmbelästigung ein.

Der AZ-Trägerverein wollte mit dieser Aktion seiner mittlerweile von rund 5000 Bürgern unterschriebenen Forderung für die "sofortige AZ-Wiedereröffnung mit Rechts- und Planungssicherheit" Nachdruck verleihen. Noch am Donnerstag nachmittag hatten sich Vereinsvertreter und die Stadtverwaltung zum Gespräch getroffen. Beide Seiten betonten später, gemeinsam nach Lösungen zum Erhalt des AZ zu suchen. Gutachter sollen diese Woche Möglichkeiten zur Weiternutzung des Bunkers prüfen.

Zeitgleich zur Open-Air-Halloween-Party hatten Unbekannte ein leerstehendes Haus der Fachhochschule (FH) besetzt. Bis vor wenigen Monaten waren in diesem Gebäude Projektgruppen von Studierenden und der AstA der FH untergebracht. Wegen eines geplanten Verkaufs mußten die Studenten aber ausziehen. Heute indes, schreiben die "Autonomen Gruppen" in ihrer Presseerklärung, sei von einem Verkauf keine Rede mehr. Laut neuester Erkenntnisse wolle sich nun "das Rektorat der FH dort niederlassen". Unter diesen Voraussetzungen hätte man das Haus nie verlassen, man fühle sich von der Hochschulleitung "betrogen" und wolle nun die "alten Räume wieder sinnvoll nutzen".

Begonnen hatte ihre Aktion am Donnerstag gegen 19 Uhr. Nachdem mehrere Personen in das denkmalgeschützte Gemäuer eingedrungen waren, hatte ein größeres Polizeiaufgebot dieses umstellt. Während im Inneren Fenster und Türen verbarrikadiert wurden, sollten so weitere Personen am Betreten des Gebäudes gehindert werden. Schließlich standen der Polizei gegen 22.30 Uhr rund 70 Sympathisanten der Besetzer in der Zufahrt zum Haus gegenüber. Es folgten Beschimpfungen der Beamten, die kurz vor Mitternacht aus dem Haus heraus zudem mit Wasser begossen wurden. Später ordnete die Einsatzleitung den Rückzug an, wobei es zu Rangeleien kam.

Die Ordnungshüter begründeten später das plötzliche Ende der Gebäudesicherung damit, daß der Eigentümer erklärt habe, die Besetzung das Wochenende über zu dulden. Noch in derselben Nacht feierten rund 150 Personen in besagtem Haus eine "Einzugsparty". Auch deswegen gingen bei der Polizei zahlreiche Beschwerden wegen ruhestörenden Lärms ein.

(junge Welt, 04. November 2002)