Verkehrsausschuss

Organisation ist (fast) alles - 2000 kamen durch

Der hier vorliegende Bericht (eines Teils des Verkehrsausschusses) kann die Ereignisse des 7.6. nicht vollständig auswerten. Dazu reicht das bisher vorliegende Material in Form von mündlichen oder schriftlichen Berichten bei weitem nicht aus. Die Auswertung bezieht sich auf AKW-Gegner/innen, die in grösseren Gruppen (die Grössenordnung schwankt zwischen 150 Leuten bis hin zum Hamburger Konvoi mit 8-10.000 Menschen) angereist sind, und umfasst ca. 30.000 Demonstranten, wobei diverse Städte und Regionen noch gar nicht erfasst sind.

Von diesen 30.000 Brokdorf-Fahrer/inne/n erreichten nur ca. 2.000 das AKW-Gelände rechtzeitig vor bzw. während der Kundgebung. Die nächstgrössere Gruppe von ca. 10-12.000 Demonstrationswilligen (u.a. die Hamburger und Berliner) kam nicht einmal in Sichtweite von Wilster. Über die Hälfte erreichte das AKW-Gelände erst zwischen 14 und 16 Uhr und geriet - teils als Betroffene, teils als Beobachter in die Räummanöver, bzw. Wasserwerfer- und Gaseinsätze der Polizei.


In den Berichten werden immer wieder bestimmte Bullen-Sperren erwähnt (es gab weitaus mehr), die sehr systematisch alle infragekommenden Anfahrtswege abdeckten. Es gab die Autobahn-Sperre auf der A 23 beim Rastplatz Horst, 2 Sperren auf der parallel verlaufenden B 5 hinter Elmshorn und bei Neuenbrook (kurz vor ltzehoe), die Sperre bei Flethsee/Landscheide (nördlich von St. Margarethen), eine Fussgänger-Sperre auf der Dammfleth-Strasse (zwischen Wilster und Brokdorf) sowie mehrere Sperren auf der B 5 zwischen ltzehoe und Wilster bzw. auf der B 431 (die von Norden auf die B 5 trifft). Ein erstes Ziel dieser "offensiven Polizeistrategie" bestand darin, die Anreise zeitlich zu verzögern, die Demonstranten möglichst lange fernzuhalten (einige Sperren wurden z.B. ab 13.30 Uhr aufgelöst). Ein wesentlich wichtigeres Ziel war allerdings, dass möglichst keine grösseren, geschlossenen Gruppen das AKW-Gelände erreichten. Es ist auch kein Zufall, dass z.B. die Hamburger - die einen Konsens hatten, sich nicht auf Durchsuchungen einzulassen - erst gar nicht in die Nähe von Brokdorf gelassen wurden. Die verschiedenen Konvois unternahmen Ausweichmanöver, was aber die zeitliche Verzögerung immer grösser werden liess, früher oder später landeten sie doch in einer Sperre, bzw. es wurde kurz vor ihrem Eintreffen eine neue Sperre eingerichtet (u.a. durch per Hubschrauber in kürzester Zeit abgesetzte Hundertschaften). Durchsuchenlassen half auch nichts! Mal beschränkte sich das Ganze auf zeitraubende Verzögerungstaktik, mal wurde alles, was nicht niet- und nagelfest war, beschlagnahmt. Fast immer war der Preis die Zersplitterung eines vorher zusammenhängenden Konvois in diverse kleinere Gruppen.

Die Polizei legte es darauf an - wie sich in den Ereignissen am Gelände selbst gut nachvollziehen lässt -, es vor Ort nur mit kleinen, möglichst desorganisierten Demonstranten-Gruppen zu tun zu bekommen, um diese dann problemloser abräumen zu können.

Es soll nicht verschwiegen werden, dass die AKW-Bewegung heute nicht mehr den Grad an Organisiertheit aufweist, wie vor einigen Jahren und es bestimmt auch an der Arbeit der Verkehrsausschüsse einiges zu kritisieren gibt. Die Berichte bieten Stoff für diverse Diskussionen. Fakt bleibt, dass und wie es der Ordnungsmacht gelungen ist, Tausende von AKW-Gegner/innen massiv an der Wahrnehmung des Demonstrationsrechts zu hindern und zu Spielbällen ihrer Bürgerkriegsmanöver zu machen.

Am Anfang war das Chaos

Erster Akt: Parallel zur Brokdorf-Konferenz in der Kampnagelfabrik am 24.5. wurde am Rande ein Verkehrsausschuss für die Demo gebildet. Seine Zusammensetzung war sehr bunt, allerdings nicht besonders repräsentativ für die verschiedenen Städte, die zur Brokdorf-Demo mobilisieren würden (falls ein solches Ergebnis aus dem Chaos im grossen Saal noch zu erwarten wäre). Ausser Kiel, Berlin und dem Kreis Steinburg beschränkte sich der Kreis im wesentlichen auf die Hamburger. Arbeitsmotto: Politische Widersprüche hin oder her, wenn wir erst die Anreise festgelegt und geplant haben, ergibt sich der Rest schon von allein. Da auch drei Mitglieder des 81er Verkehrsausschusses anwesend waren, lag es nahe, die damaligen Anfahrtsrouten erneut vorzuschlagen.

Zweiter Akt: Der Hamburger Verkehrsausschuss trifft sich am 27.5. Bis auf die 3 ,,81er Veteran/inn/en" sieht mensch nur neue Gesichter. Dafür ist jetzt endlich fast das gesamte politische Spektrum der Hamburger Mobilisierungsszene vertreten. Ergebnis: Es wird nichts an der Planung verändert, und es wird deutlich, dass trotz aller vorher vorhandenen Widersprüche - die meisten Hamburger Gruppen eine gemeinsame Anreise planen.

Zwischenspiel: Es hat keine konkreten Absprachen über unsere Verkehrsplanung mit dem Koordinationsgremium für die Demo gegeben. Da aber der KO unseren Vorstellungen vertrauensvoll gegenübersteht, ergeben sich daraus keine Konflikte. Der Verkehrsausschuss tappt auch nach wie vor im Dunkeln, welche Gruppen in der BRD überhaupt geneigt sind, unseren Vorstellungen entsprechend anzureisen. Es bietet sich also an, die erweiterte Verbreitung des Hamburger Lokalteils der ,,taz" zu nutzen, um unsere Planungen an die Massen zu bringen (,,taz" v. 3.6.). Am Mittwoch stellt sich heraus, dass auch andere Menschen sich Gedanken um die Anreise gemacht haben und auf die gleiche Zeitung zur Verbreitung ihrer Information verfallen sind (,,taz" v. 4.6.). Nachdem der Szene nun ausreichend Alternativen zur Verfügung stehen, frostet sich der Verkehrsausschuss mit dem letzten überregionalen Termin.

Karikatur (Loriot)

Dritter Akt: Nachdem die Hamburger am 3.6. die letzten organisatorischen und politischen Querelen ihrer Anreise geklärt haben, kann erfreut festgestellt werden, dass sich offenbar in mehreren Städten Gruppen gebildet haben, um ihre Anreise zu organisieren. Als Diskussionsergebnis - nach tiefem Brüten über Landkarten und Hinweisen über die Strassenqualität von den Kradfahrern und den Experten vor Ort - ergibt sich ein drittes Modell der Anreiserouten, jedenfalls für die beiden Südkonvois.


Bielefeld:

Ca. 500 Leute machten sich in acht Bussen und in PKW um 4 Uhr auf den Weg. Die Anreise in Niedersachsen lief noch ohne Probleme. Wegen Meldungen über diverse Sperren wurde von der geplanten Route abgewichen. Am Nachmittag wurde nach langwierigen Ausweichmanövern die Sperre auf der Dammfleth-Strasse erreicht, wo die Bielefelder ab 15 Uhr den Auflösungsprozess der Kundgebung beobachten konnten.

Bremen:

Containersperre

Ein Konvoi aus 60 Bussen und diversen PKW (ca. 5.000 Leute) machte sich um 6 h auf den Weg. Es waren auch Oldenburger beteiligt. Einen ersten Stop gab es in den Harburger Bergen wegen Meldungen über die Autobahn-Sperre bei Horst. Eine Frau wurde von einem Zivi-Wagen beim Aussteigen angefahren und kam ins Krankenhaus. Es gab mehrere Versuche von Zivis, die zur Verkehrslenkung eingesetzten Fahrzeuge rauszugreifen und per Peilwagen Jagd auf das Konvoi-Radio zu machen. Da PKW in der Folge nicht mehr zur Verkehrsregelung eingesetzt werden konnten, zog sich der Konvoi öfter auseinander. Die Beratung ergab, dass erst einmal weitergefahren wurde (ca. 9.30 Uhr). Hinter dem Elbtunnel erreichten den Konvoi Meldungen von Hamburger Kradmeldern über Sperren im 12 km-Umkreis und direkt um Brokdorf (es wurde bemängelt dass ein Grossteil dieser Infos entweder falsch, übertrieben oder zeitlich unzutreffend gewesen sei) - durch die Baustelle bei Eidelstedt wurde der Konvoi auseinandergezogen. Aufgrund von Kradmelder-Infos verliessen sie die Autobahn bei der Abfahrt Tornesch um die Sperre bei Horst zu umfahren, zu dem Zeitpunkt fiel das Radio aus, was die Zugkommunikation zum Erliegen brachte, weil auch die Kradmelder zur Vorerkundung unterwegs waren.

Bei Hohenfelde gelangte der Konvoi wieder auf die Autobahn, indem es einen die Auffahrt blockierenden Sandcontainer umfuhr. Die vorher dort anwesenden Polizeikräfte waren abgezogen worden (im Zusammenhang mit Kleve?). Auf der Autobahn traf man - mit einem schon auseinandergerissenen Konvoi - auf Hannoveraner und Oldenburger, die an der Horster Sperre gefilzt worden waren. Weitere Hindernisse waren in der Folge nur noch vermengte Konvois und fehlende Verkehrsregelung, wodurch drei Gruppen von Bremern entstanden. Die l. fuhr die Dammfleth-Strecke bis 5 km vor Brokdorf und machte sich auf den Fussmarsch. Der 2. Teil fuhr Richtung Wewelsfleth und traf dort auf den restlichen Teil der schon vor Wilster über die Störstrecke abgebogen war (ca. 14.30 Uhr)

Die Abräumung der Kundgebung war schon im Gange, und über Funk bekam man/frau die Meldung, dass der Rückmarsch nach Wilster angesagt sei. Ein Sammlungsprozess abziehender Demonstranten mit den Bremern kam nicht zustande, worauf sie sich ab 15.15 Uhr fast alleine vor Ort aufhielten. Es gab zwar Infos über andere Demonstranten u.a. die Göttinger, die gegen 16.00 Uhr dort eintrafen - auf der anderen Seite des AKWs, aber es blieb als konkrete Aktion nur noch das Anbringen von Transparenten an einigen Masten übrig, was zu einem Wasserwerfer- und Gaseinsatz der Polizei führte (dieser soll, wegen widriger Windverhältnisse, die Ordnungsmacht mehr geschädigt haben als die Demonstranten).


Bremerhaven:

Die Demonstranten aus Bremerhaven sind um 5.30 Uhr in drei Bussen losgefahren. Sie passierten nacheinander die Autobahn-Sperre bei Horst, die an der Ausfahrt Heiligenstedten und eine dritte kurz vor Brokdorf. Sie erreichten den Parkplatz am AKW schon gegen 12 Uhr und gehören zu den Betroffenen der Ereignisse vor Ort.

Elmshorn/ Pinneberg:

Am ZOB in Elmshorn gab es ein Treffen von 9 Bussen und diversen PKW aus Elmshorn, Pinneberg und Wedel (600-800 Leute). Zusätzlich machten sich mehrere Gruppen von Elmshorn mit dem Fahrrad auf den Weg. Gegen 8.30 Uhr fuhr der Konvoi ab.

Bei Neuenbrook, am Rastplatz, traf er auf eine Polizeisperre, vor der sich bereit ein ca. 500 m langer Stau aufgebaut hatte. Die Sperre bestand aus zwei quergestellten Sandcontainern, ein bis zwei Hundertschaften und einem Wasserwerfer. Die Polizei wollte die Durchfahrt erst nach dem Durchsuchen von jeweils kleinen Gruppen von drei bis fünf Autos freigeben, worauf sich vor Eintreffen des Konvois wohl die meisten eingelassen hatten. In der Praxis bedeutete dies ca. alle halbe Stunde zehn PKW. Es gab Versuche per Megaphon, zur Verweigerung der Kontrollen aufzurufen, was aber durch eine immer grössere Ansammlung von ,,lndividual-Demonstranten" und auch wegen Uneinigkeit im Konvoi nicht durchsetzbar war (der Stau reichte bereits bis Steinburg zurück). In einer improvisierten Abstimmung war die Mehrheit für ..lieber kontrollieren lassen als stehenbleiben". Es gelang nur noch auszuhandeln, dass wenigstens die Presse die Durchsuchungen beobachten durfte.

Transporthubschrauber

Zwischen II und 12 Uhr erreichte auch ein kleiner Buskonvoi der Solidarischen Kirche diese Sperre, der sich nach anfänglicher Weigerung letztendlich auch auf Durchsuchungen einliess. Die Polizei hob die Sperre nach 13 Uhr auf.

Der Konvoi war nach der Sperre völlig auseinandergerissen, von einer gemeinsamen Anreise konnte nicht mehr gesprochen werden. Die Elmshorner erreichten das AKW gegen 14 Uhr - gerade als die Strasse geräumt wurde - und die Pinneberger waren um ca. 15.30 am Kundgebungsort - kurz nach der Auflösung derselben. Es gab nur noch die Möglichkeit die Bullenmanöver zu beobachten.


Göttingen:

Um Mitternacht machten sich ca. 800 Göttinger Brokdorffahrer/innen in 14 Bussen und einigen PKW auf den Weg. (Laut Protokoll-Buch unserer Verkehrszentrale sollen sie sich gegen 2.30 Uhr in Hannover-Allertal mit den Leuten aus Kassel/Marburg getroffen haben, worauf der Konvoi auf ca. 25 Busse anwuchs. Die Marburger gaben weiter gegen 4 Uhr durch, dass sie aufgrund der Sperre auf der A 23 auf die A 7 und die Hamburger Route ausgewichen seien). Ein anderer Bericht aus Göttingen besagt, dass die Sperre in Horst umfahren wurde und - wegen einer weiteren Sperre bei Heiligenstedten auf die Hamburger Route ausgewichen wurde. Beides deckt sich mit Beobachtungen der Hamburger Kradmelder, die den Göttinger Konvoi gegen 11 Uhr an der - für die Hamburger so verhängnisvollen - Kreuzung in Kleve gesichtet haben.

Die Sperre in Flethsee - genauer vor der Brücke über die B 5- bestand aus Sandcontainern, 500 Bullen und einem Wasserwerfer. Weil sich ein Grossteil der Göttinger nicht auf eine Durchsuchung einlassen wollte, beschlossen sie, die Sperre zu umgehen und sich auf den noch 13 km langen Fussmarsch zu begeben. Nach Passieren von zwei weiteren Sperren erreichten sie ohne Durchsuchungen gegen 16 Uhr das AKW-Gelände, lange nachdem die Kundgebung durch Wasserwerfer- und Gaseinsätzen aufgelöst worden war. Nach dem Beobachten diverser Bullenübergriffe auf abmarschierende Demonstranten und einem mehr oder weniger chaotischen Rückzug wurden in St. Margarethen die inzwischen eingetroffenen leeren Busse erreicht, mit denen man/frau gegen 19 Uhr abfuhr.

Den ca. 150-in Erwartung des Hamburger Konvois - zurückgebliebenen Göttingern erging es schlecht. Ihre Busse wurden gegen 16 Uhr von SEK und Bereitschaftspolizei umstellt, die sämtliche Personalien aufnehmen und die Busse durchsuchen wollten. Bei einem Verhandlungsversuch wurde ein Bussprecher so schwer zusammengeschlagen, dass er per Hubschrauber ins nächste Krankenhaus transportiert werden musste. Die Busse wurden vollständig ausgeräumt, alles bis hin zum Butterbrot beschlagnahmt und in Container verfrachtet. Alle Leute wurden zuerst für festgenommen erklärt (incl. Busfahrer), aber nach ca. einer Stunde liess man sie Richtung St. Margarethen weiterfahren. Einem Braunschweiger Bus, der sich dem Göttinger Konvoi angeschlossen hatte, passierte dasselbe.

Hamburg:

Günther

Die Anreise der Hamburger begann ab 6 Uhr morgens mit dem üblichen Chaos auf dem Heiligengeistfeld. Die Reihenfolge des Konvois war zwar vorher genauestens diskutiert worden, aber die Umsetzung machte doch reichlich Schwierigkeiten. Über 50 Busse hatten den Treffpunkt angefahren, aber leider waren mehr als erwartet leer angekommen (d.h. es hatte kaum dezentrale Sammelpunkte gegeben) und eine Menge Leute suchte ihre Busse, während parallel versucht wurde, dieselben in die richtige Reihenfolge zu bringen. Ca. vier Busse fehlten. Die PKW-Aufstellung machte auch Schwierigkeiten - vor den Bussen sollte eine bestimmte Gruppe fahren, die anderen hinter den Bussen - was kaum einer der nicht verplanten PKW-Besatzungen einsehen wollte etc. Um 7.30 Uhr ging's dann endlich los.

Bis zur Autobahn-Auffahrt hatte sich der Zug schon einigermassen in die Länge gezogen und immer mehr PKW zogen nach vorne vor, weil viele Busse trotz abgesperrter Kreuzungen nicht bei Rot über Ampeln fahren wollten. Auf der Autobahn mischte sich dann auch noch der Normalverkehr dazwischen. Die ..Infrastruktur" des Konvois bot eigentlich beste Voraussetzungen für eine reibungslose Anfahrt: PKW zur Voraberkundung, eine grosse Anzahl Kradmelder, mehrere Lautsprecherwagen, zwei über den Konvoi verteilte Funkketten u.v.m. In der Praxis fielen speziell die Busse immer weiter zurück bzw. wurden weit auseinandergezogen, was sich auch bis zur Abfahrt Bad Bramstedt nicht völlig auffangen liess. (Ein bisher offenbar unterschätztes Problem in der Organisierung von Konvois scheint auch im planmässigen Einlegen von Pinkelpausen zu liegen, da ein ständiges Aus- und Einscheren nach diesem ,,zutiefst menschlichen Bedürfnis" jede vorgeplante Reihenfolge durcheinanderbringt.) In der Ortsdurchfahrt Bad Bramstedt wurde das Durcheinander noch grösser. In einer Seitenstrasse warteten über 20 Busse des AKL, sowie drei Busse der örtlichen AKW-Gegner.

Hinter Kellinghusen fand eine erste Beratung statt. Auf den Zufahrten nach ltzehoe waren Sperren bzw. Kontrollstellen der Polizei gemeldet worden. Es wurde daraufhin entschieden, die Umgehungsstrecke zu fahren. Bei der Ortsdurchfahrt Hohenlockstedt verirrte sich ein Teil des Konvois auf die Strecke Richtung ltzehoe, was aber noch rechtzeitig bemerkt wurde, und eine grösseren Anzahl von BGS-Hubschraubern, die über dem Konvoi kreiste, sorgte für einige Aufregung.

In Huje fand eine letzte Beratung statt. Es gab Meldungen über eine Kontrollstelle auf der Kreuzung mit der B 431 Höhe Rahde/ Kleve (keine Container und schwach besetzt). Es wurde - u.a. weil keine Ausweichstrecke ohne Sperren bekannt war - entschieden, auf Sichtweite mit dem Konvoi ranzufahren. Der weitere Ablauf ist an anderer Stelle ausführlichst nachzulesen ...


Hannover:

Aus Hannover machten sich ca. 900 Leute in drei verschiedenen Gruppen auf den Weg.

  1. PKW die schon am Vorabend losfuhren und Frauen die mit dem Zug nach Wilster fuhren. Diese Gruppe erreichte das AKW gegen 14 Uhr.
  2. Ein Konvoi von drei Bussen und 14 PKW fuhr gegen 5 Uhr morgens los. Sie erfuhren von der Sperre hinter Elmshorn (Neuenbrook?) und machten einen Umweg über die Dörfer. Bei Wilster wurden sie angehalten und nach ihrer letzten Durchsuchung gefragt, wobei sie pfiffigerweise die Elmshorn-Sperre angaben und unbehelligt weiterfahren konnten. Gegen 12.15 Uhr wurde die Fussgänger-Sperre auf dem Dammfleth-Strasse erreicht, die ohne Beschlagnahmungen passiert werden konnte. Um 12.45 Uhr erreichten sie das AKW.
  3. Der Konvoi GABL/ BBU (acht Busse) fuhr 6.30 Uhr ab. An der Elmshorn-Sperre (dort sollen bei ihrer Ankunft ca. 2.000 Leute aus Bielefeld, Lüneburg und Uelzen gewesen sein) wurde der Konvoi in drei Gruppen aufgesplittert, die zu unterschiedlichen Zeiten auf die nächste Sperre in Neuenbrook trafen, die allerdings gegen 13.30 Uhr aufgelöst wurde. Die erste Gruppe erreichte gegen 12.15 Uhr die Fussgänger-Sperre hinter Wilster, die zweite parkte gegen 15.00 Uhr in vier km Entfernung vom AKW auf der Südroute (auf welcher?), und die dritte landete zehn km vom AKW entfernt in Wilster.

Kiel/ Neumünster/ Lübeck:

Der Nord 2-Konvoi - bestehend aus ca. 2.000 AKW-Gegner/inne/n - landete in der Sperre Flethsee/ Landscheide. (Ein anderer Bericht spricht von einem Ausweichmanöver vor einer Sperre in Vaalermoor über die B 431 und einen Schlenker auf die Hamburger Route bis Neuendorf. Dies deckt sich auch mit Kradmelder-Beobachtungen über einen Schleswig-Holstein-Konvoi, der die berüchtigte Kleve/ Rahde-Kreuzung am Vormittag passiert haben soll.)

Die Spitze erreichte die Sperre kurz nach II h. Die einsetzenden Debatten über das weitere Vorgehen (durchsuchen lassen oder nicht) gaben der Polizei die Möglichkeit, weitere Bullen per Hubschrauber abzusetzen und zwei Wasserwerfer (die Göttinger, die gegen 12 Uhr dort eintrafen, sprechen von einem) aufzufahren. Es wurde versucht, eine Zangentaktik anzuwenden, ein Teil lässt sich durchsuchen und sammelt sich hinter der Sperre wieder, was in der Praxis nicht funktionierte, weil die Leute hinter der Sperre Richtung AKW weitergingen (u.a. weil die ganze Prozedur sehr lange dauerte). Die Erfahrungen mit den Durchsuchungen decken sich mit denen der Göttinger - vom Helm bis zur Wasserflasche landet alles in den Bullencontainern. Ein Teil entschloss sich zum Umgehen der Sperre. Es soll einige Übergriffe auf die Spitze des Demo-Zuges durch Bullen in grauen Overalls gegeben haben aber es gibt keine Angaben über Verletzte in den Berichten.

Nachdem immer mehr Leute der Sperre über die Felder auswichen, wurden von den Bullen wieder PKW und Busse durchgelassen, allerdings sehr langsam. Die Kieler sollen sich hinter der Sperre neu gesammelt haben und weitergefahren sein. Eine erste Gruppe konnte gerade noch das Abräumen des Kundgebungsplatzes verfolgen.

Lüneburg:

Hier machten sich gegen 7.30 Uhr ca. 150 Leute in zwei Bussen und PKW auf den Weg. Da es keine Voraberkundung gab und auch keine Infos in der Telefonzentrale eingeholt wurden, landeten die Lüneburger gegen 9.30 Uhr in der Autobahn-Sperre bei Horst. Vor ihnen befand sich schon ein ca. zwei km langer Stau - teils Privatverkehr aber auch andere Demonstranten-Gruppen u.a. ein Teil der GABL-Busse aus Hannover.

Die Lüneburger beschlossen, zusammen auf die Sperre zuzumarschieren. An der Sperre ging sofort eine grösseren Bullengruppe auf sie los, und es entwickelten sich einige Rangeleien. Man/frau einigte sich im Endeffekt auf eine Rückkehr zu den Bussen und ein Einlassen auf die Durchsuchungen. Diese verliefen dann einigermassen locker, es wurden lediglich zwei Fahnenstangen beschlagnahmt.

Die Gruppe erreichte gegen 12.30 Uhr die Fussgängersperre auf der Dammfleth-Strasse und kam gegen 13.30 Uhr am Kundgebungsort an, während der Rede von Jens Scheer.

NRW:

Da aus NRW keine konkreten Einzelberichte vorliegen ausser dem aus Bielefeld - hier nur eine kurze Zusammenfassung. Aus Köln, Bonn, Dortmund, Münster (mit neun Bussen die grösste) und anderen Städten machten sich einzelne Gruppen zwischen 23 und 24 Uhr auf den Weg. Eine gemeinsame Anreise kam nicht zustande.

Nach dem Passieren von 2 oder 3 Sperren - zu grösseren Beschlagnahmungen kam es offenbar nicht - trafen sich verschiedene Gruppen aus NRW in den frühen Morgenstunden, zwischen 6 und 9 Uhr, am AKW-Gelände und harrten der weiteren Mit-Demonstranten.

Osnabrück:

Ein Konvoi von fünf Bussen und einigen PKW (ca. 300 Leute) ist gegen 4 Uhr morgens aufgebrochen. (Zwei PKW-Konvois mit einer unbekannten Zahl von Teilnehmern hatte sich schon in der Nacht auf den Weg gemacht. Beide sollen bis zum vorgeplanten Parkraum gekommen sein.)

Der Konvoi verliess die A23, um die Horst-Sperre zu umgehen. Wegen einer Fehlinformation des Verkehrsausschusses um 7 Uhr (welcher?) landeten sie aber gegen 7.30 Uhr in der Neuenbrook-Sperre. Die Filzerei dauerte bis ca. 9 Uhr, wobei Chlorbrillen, Tücher, Helme, ein Megaphon u.a. beschlagnahmt wurden. Auf der B 5 gerieten sie gegen 9.30 Uhr in den Konvoi von Göttingen/Kassel/Marburg. Der Weg Richtung Wilster war versperrt (Heiligenstedten-Sperre) und weiter nördlich - Höhe Juliankaholz - war gegen 10 Uhr ein Stop durch per Hubschrauber abgesetze Bullen, die einige Stichproben machten. Gegen 10.30 h ging es weiter.

Um 11.30 Uhr war dann der endgültige Stop bei der Sperre Flethsee /Landscheide. Die Osnabrücker Busse hielten, und die Demonstranten machten sich auf den Fussmarsch um die Sperre herum. Sie umgingen noch eine weitere Sperre bei Grossarentsee und ein kleineres Kontingent Bullen bei Brokdorf. Um 15 Uhr war endgültig kein Weiterkommen möglich, weil der Bullenvormarsch beim Kundgebungsort im vollem Gange war.

auszüge aus protokollbuch

verkehrsausschuss

Freitag, den 6. Juni 1986

23.50 h: Christoph Columbus (CC) an Gänseblümchen (GB): Ab 2.00 h Containersperren, 5 bis 7 Kilometer um Brokdorf. Die Sperren werden in drei Kreisen um das Kundgebungsgelände/ AKW aufgebaut werden. Codenamen der Bulleneinheiten: Westwind

Samstag, den 7. Juni 1986 0.10 h: CC an GB:

Für 2.00 h sind schwere Strassensperren möglich, bis hin zur Vollsperrung.

0.20 h: BAB 23 Höhe Horst stehen 5 Sandcontainer, allerdings sind es wenig Bullen Richtung ltzehoe. Richtung Süden viele Bullen - Sperrung? Ortsausgang Brokdorf Richtung St. Margarethen werden l Container und 20 Bullen postiert, in Siethwende 20 Bullen.

4.36 h: CC an GB:

Bei Nordoe auf der rechten Fahrbahnseite werden Steinhaufen von den Bullen bewacht - ansonsten Funkstille.

...

5.37 h: Mickeymouse fragt nach Informationen für den Konvoi bei Bremen-Stuckenborstel (Osnabrücker).


Westberlin:

Da es in Westberlin keine Einigung über eine gemeinsame Anreise gegeben hat, ist es schwierig anzugeben, wieviele Westberliner sich auf den Weg nach Brokdorf begeben haben. Folgende grösseren Gruppen sind uns bekanntgeworden:

  1. Westberliner, die per PKW bis Freitag in Hamburg ankamen, um sich dem Hamburger Konvoi anzuschliessen.
  2. Eine grösseres Kontingent PKW, die sich ab Freitagabend von unterschiedlichen Sammelpunkten auf die Transitstrecke begeben haben (bzw. wollten),
  3. Von der AL gecharterte Busse.

Anmerkungen:

zu l) siehe Bericht Hamburger Konvoi

zu 2) Eine Gruppe von 20 PKW wurde bereits am Freitagabend von der Westberliner Polizei aus dem Verkehr gezogen. Ab 19 Uhr gab es dann - in einer gesamtdeutschen Aktionseinheit - Verzögerungsaktionen auf der Transitstrecke für alle, die so aussahen als führen sie gen Brokdorf. Durch eine Filz-Stelle des BGS bei Gudow wurde auch ein grösserer Teil der Ausrüstungsmaterialien eingebüsst (mal Fahnenstangen, mal Helme oder Schutzbrillen bis hin zu den gefährlichen Zitronen und Eiern). Eine grössere PKW-Gruppe stiess auf die Sperre bei Flethsee. Nach ca. 2-2 1/2 Stunden Verzögerung (Beratung über Vorgehen etc.) begab man/frau sich auf einen Fussmarsch Richtung AKW, das gegen 14 Uhr erreicht wurde. (Der Verbleib anderer PKW-Gruppen aus Westberlin ist uns nicht bekannt, aber einen gemeinsamen Konvoi hat es ab Gudow nicht mehr gegeben.)

zu 3) Die AL hatte 20 Busse gechartert, die sich gegen 1.30 Uhr an drei Punkten in Westberlin trafen. Drei wurden von der Polizei an der Abfahrt gehindert (Begründung: angebliche Strassenkrawalle), ein Busfahrer wurde festgenommen. Zwei weitere Busse wurden bei Kontrollen der Fahrtenschreiber ebenfalls aus dem Verkehr gezogen. Am Grenzübergang Staaken gab es die bereits erwähnten Schikanen in trauter Einheit von BRD- und DDR-Behörden (der letzte Bus wurde um 7.00 Uhr abgefertigt). Vier Busse wichen daraufhin über die Helmstedt-Strecke aus, die ungehindert passiert werden konnte. Sie erreichten als einzige die Region Wilster, einer kam nach St. Margarethen, ein weiterer bis Brokdorf. Von den elf Bussen, die die nördliche Transitstrecke benutzten - die Gudow-Kontrolle blieb auch ihnen nicht erspart - landeten zwei vor der hochgezogenen Klappbrücke hinter Glückstadt. Für den Rest war die Reise an der Autobahnsperre auf der A 23 bei Horst zu Ende, wo sie auf den nebenliegenden Parkplatz umgeleitet wurden.