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Wackersdorf (Pfingsten 1986)

Eine kalte Dusche reicht nicht

Wasserkanonen haben knochenbrecherische Wirkung

"Es ist ein Wunder, dass durch die Wucht der Wasserwerferstrahlen nicht längst Menschen zu Tode gekommen sind." Der Rettungsmediziner Dr. Gerhard Schneider weiss, wovon er spricht: Über längere Zeit hat er die Folgen von WaWe- Einsätzen an der Startbahn-West mitbekommen. Dort, wie an anderen Schauplätzen polizeilicher Übergriffe hat sich die knochenbrecherische Wirkung der harten Wasserstrahlen dramatisch gezeigt.

Bereits der erste Einsatz gegen eine Sitzblockade brachte einem Dutzend Getroffener eine unfreiwillige Krankenhausbehandlung ein. Der "Tanz auf dem Vulkan" vor dem Bauplatz für das Zwischenlager in Gorleben im September 1982 endete mit dem Amoklauf einer WaWe- Besatzung: Aus knapp zehn Meter Entfernung fegten sie eine Sitzgruppe von der Strasse. Ein Mann erlitt einen Rippenserienbruch mit Verdacht auf Herzquetschung, eine Frau trug grossflächige Blutergüsse am ganzen Körper davon und bei einem weiteren Mann diagnostizierten die Ärzte eine Nierenprellung.

Sechs der Verletzten erstatteten Strafanzeige gegen die verantwortliche Polizeiführung wegen Körperverletzung im Amt. Die Staatsanwaltschaft erkannte jedoch keine Strafwürdigkeit des Einsatzes und stellte das Verfahren ein. Erst der Gang vor das Verwaltungsgericht hatte Erfolg: Im Februar 1986 erkannte die zuständige Kammer in Lüneburg auf Unverhältnismässigkeit der Mittel und beurteilte den Einsatz als rechtswidrig. (1)

Glück vor Gericht hatte auch eine 53jährige Grundschullehrerin. Sie war 1983 an der Startbahn- Mauer in einer minutenlangen WaWe- Kanonade zusammengebrochen. Halb ohnmächtig, mit allen Zeichen eines beginnenden Kreislaufschocks, wurde die Frau von Startbahn- Sanis in Sicherheit gebracht. Die Polizisten in den beiden beteiligten Wasserwerfern "haben sich einer rechtswidrigen Körperverletzung schuldig gemacht", entschied das Frankfurter Landgericht im Dezember 1985 und sprach der Frau 2.500 DM Schmerzensgeld zu. (2)

Schwere Augenverletzungen richteten die Strahlen von Wasserwerfern gegen Blockadegruppen des Bundestages während der Debatte über die Pershing- Stationierung im November 1983 und der US-Kasernen in Bremerhaven und Garlstedt an. Volltreffer der Augenhöhle führten zu Verletzungen des Augapfels mit daraus folgender Einschränkung der Sehfähigkeit.

Gerade bei Sitzblockaden erweist sich die WaWe- Technik als besonders tückisch: Getroffene können sich nicht fortbewegen und sehen sich oft über längere Zeit den Strahlen ausgesetzt. Dabei sind besonders die Halswirbel, die Rippen, die Nieren und die Bauchorgane gefährdet. Aber auch die "ausgedehnten Blutergüsse" könnten durchaus zu "Embolien und Thrombosen" (Verstopfungen der Blutgefässe) führen, attestierte ein Arzt seinem Patienten, der mit einer lebensgefährlichen Komplikation nach einem WaWe- Einsatz vier Wochen im Krankenhaus liegen musste. (3)

Professionelle Wasserspritzer, Angehörige von Freiwilligen- und Berufsfeuerwehren werden im Rahmen der Unfallverhütungsvorschriften belehrt, nicht mit Strahlrohren auf Menschen zu spritzen. Dabei hätten nämlich "schon einige Menschen ein Auge verloren", berichtet das "Feuerwehr Magazin" (11 /84).

Und auch Polizeibeamte können ein Lied von der Wucht der Strahlen singen: Als die Hochdruckwasserwerfer beim BGS getestet wurden, mussten "Freiwillige" gegen ihre Kollegen in den Ungetümen anrennen. Zwei beamtete Probedemonstranten erlitten dabei Verletzungen, teilte die Bundesregierung im Herbst 1985 auf eine Anfrage von Christian Ströbele (GRÜNE) mit. Der Strahl müsse "ggf. verletzen können", sei "auf kurze Distanz gefährlich", schrieb ein Polizeiexperte im Mai 1980 im Magazin "bereitschaftspolizei heute". Denn, so seine taktische Schlussfolgerung, "eine kalte Dusche reicht nicht."

Quellen:

  1. strassenmedizin 1/86
  2. Frankfurter Rundschau, 10.12.85
  3. Atteste liegen den Autoren vor.

Foto - gif (30k) Nach minutenlangem WaWe-Beschuss (Startbahn-West 1983)