Handbuch der angewandten Psychologie, Landsberg 1981

Hansjörg Trum
Polizeipsychologie im Rahmen eines institutionalisierten Psychologischen Dienstes

Rückblick und gegenwärtiger Stand

Die Psychologie in der Polizei hat inzwischen eine fast 60jährige Geschichte. Bereits im Jahre 1923 wurden Erkenntnisse der damals noch sehr jungen Wissenschaft in der Aus- und Fortbildung von Polizeibeamten vermittelt. Der erste Leitfaden mit dem Titel "Psychologie für Polizeibeamte" erschien dann drei Jahre später. Mit Ministererlass vom 29. 10. 1928 begannen pädagogisch- psychologische Kurse für Polizeihauptleute. Nach einer 12jährigen Stagnation während des Dritten Reiches erhielten Psychologen und Pädagogen erst, 1949 wieder die Gelegenheit, den Beamten psychologisches Wissen zu vermitteln (vgl. Salewski 1975). Das Zentrum der deutschen Polizeipsychologie wurde in dieser Zeit die westfälische Stadt Hiltrup; an der dortigen Polizeiführungsakademie wirkte insbesondere Fritz Stiebitz als Katalysator in der Bewusstmachung polizeipsychologischer Problembereiche. Er darf aus der heutigen Sicht als Nestor der deutschen Polizeipsychologen bezeichnet werden.

Den eigentlichen Durchbruch sowie die Eröffnung völlig neuer Tätigkeitsfelder hat die Psychologie in der Polizei einem Juristen zu verdanken. Der Münchner Polizeipräsident Dr. Manfred Schreiber zog 1964 aus den Schwabinger Krawallen die Konsequenz und errichtete den ersten Psychologischen Dienst innerhalb der deutschen Polizei. Diesem Schritt liegt sicher die Erkenntnis zugrunde, dass sich jede polizeiliche Tätigkeit gegenüber Menschen vollzieht; die Einbeziehung psychologischer Denk- und Handlungsweisen in polizeiliches Planen und Handeln sowie die ständige Verfügbarkeit von Experten für solche Fragestellungen liessen die Schaffung einer eigenen Dienststelle gerechtfertigt erscheinen. Mit diesem Schritt öffnete sich für die Psychologie die Chance, in einem bis dahin absolut den Polizeileuten vorbehaltenen Gebiet, nämlich dem Einsatzgeschehen, mitwirken zu können. Der Dienst wurde seiner Aufgabenstellung entsprechend so konzipiert, dass in ihm Wissenschaftler und Praktiker gemeinsam arbeiten sollten.

Obwohl die Dienststelle ihre Aufgaben in der Folgezeit sehr erfolgreich löste, wurde dieses Modell einer polizeiinternen psychologischen Einrichtung von anderen Bundesländern nur vereinzelt und - mit grossen Abstrichen übernommen (z. B. Hamburg, Hessen und Bremen). Im Gegensatz dazu hat das Land Bayern als Träger der Polizeihoheit die zum Polizeipräsidium München gehörende Dienststelle im Jahr 1975 übernommen und seither, stetig ausgebaut. An der Unterstützung, insbesondere an der Gewährleistung wissenschaftlicher Freiheiten durch die verantwortlichen Instanzen, ist unschwer die Akzeptanz des "Eindringlings" Psychologie zu erkennen. Dass. Psychologie und Polizei trotzdem oft genug aneinandergeraten, liegt vor allem in unterschiedlichen Zielrichtungen, noch mehr jedoch in der Angst einzelner Führungspersonen, Psychologen würden sich in fremde Kompetenzbereiche und in Dinge einmischen, von denen nur Vollzugsbeamte etwas verstanden. Sigmund Freud soll C. G. Jung einmal darauf hingewiesen haben, dass er schliesslich der Meister 'sei, worauf ihm jung wiederum geantwortet haben soll, dass ein Zwerg, der sich auf den Kopf des Riesen setze, manchmal weiter sähe als dieser.

Aufgaben und Organisation des Polizeipsychologischen Dienstes

Organisationsdiagramm

Der Zielsetzung des Handbuches folgend, soll im weiteren nur exemplarisch aus dem psychologischen Tätigkeitsfeld in der Polizei berichtet werden. Die Tatsache, dass es trotz intensiver Bemühungen erst nach langer Zeit gelang, einen qualifizierten Studienabgänger für die Besetzung eines freien Dienstpostens zu gewinnen, zeigte nicht zuletzt die Unwissenheit der frisch diplomierten Psychologen hinsichtlich ihrer Möglichkeiten in der Berufspraxis. Aus diesem Grund soll zumindest ein Überblick über das Spektrum der Aufgaben erfolgen:

Der polizeipsychologische Dienst hält einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse für die Polizei zur Verfügung. Er bereitet darüber hinaus psychologische Theorien systematisch auf und sorgt für ihre Verbreitung. Polizeiliches Entscheiden bzw. Tätigsein soll auf diese Weise durch psychologische Denk- und Handlungsdimensionen angereichert werden. Liegen zu konkreten polizeilichen Fragestellungen noch keine gesicherten oder verwertbaren Erkenntnisse vor, hat der Dienst die Aufgabe, im Rahmen der Ökonomieforderung eigene Untersuchungen zur Klärung des jeweiligen Problems durchzufahren.

Ebenso bearbeitet der Dienst Fragestellungen aus dem innerbetrieblichen Bereich und trägt so zur Steigerung von Leistung und Arbeitszufriedenheit bei. Seine Mitwirkung im Zusammenhang mit Personalauswahlvorhaben erstreckt sich einerseits auf Neuerstellung und Verbesserung von Tests, andererseits auf die Teilnahme an entsprechenden Prüfungsgesprächen. Anderen polizeipsychologisch relevanten Aufgaben (z. B. Öffentlichkeitsarbeit) widmet sich der Dienst nur im Rahmen freier Kapazitäten.

Eine erst kürzlich durchgeführte Bedarfs- und Aufgabenanalyse ergab schliesslich nachstehendes Organisationsmodell (Abb. 1). Personelle Vorgegebenheiten waren dabei natürlich nicht unbedeutend.

Das Rollenverständnis eines Polizeipsychologen

Das Denken und Handeln eines Psychologen in der Polizei muss bestrebt sein, drei - nicht immer deckungsgleiche - Zielvorstellungen zu realisieren. Einmal muss er die Institution Polizei grundsätzlich bejahen. Das gilt auch für das Gewaltmonopol des Staates und die Grundwerte der freiheitlich- demokratischen Verfassung. Wer es mit sich nicht vereinbaren kann, die Polizei als eine legitimierte Einrichtung zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung zu akzeptieren, der muss dieses berufliche Feld meiden. Zweitens muss er die Polizei als Vollzugsorgan von gesetzlichen Vorschriften anerkennen. Viele, auch Psychologen, kritisieren gegenwärtig die Polizei wegen ihres Verhaltens im Zusammenhang mit Hausbesetzungen. Sie vergessen dabei, dass sie dem Polizeistaat Tür und Tor öffnen würden, wenn es der Polizei überlassen bliebe, von Fall zu Fall und nach eigenem Ordnungsempfinden darüber zu entscheiden, ob sie etwas tut oder nicht. Ob ein Gesetz überholt oder ungerecht ist, kann nur auf politischer Ebene geklärt, nie aber durch die Polizei entschieden werden. Zur Vermeidung von Machtmissbrauch und zur Garantie für die Rechtssicherheit aller Bürger ist die engstmögliche Bindung an Recht und Gesetz anzustreben. Zum dritten schliesslich muss der Polizeipsychologe seiner Wissenschaft treu bleiben. Wie es einem Richter verboten ist, das Recht zu beugen, so darf sich auch der Psychologe nicht wider besseres Wissen vor den Karren spannen lassen. Wenn er z. B. aufgrund seiner Kenntnisse überzeugt ist, dass eine bestimmte Polizeiaktion Eskalationen erwarten lässt, darf er dies im Beratungsfall nicht verneinen. Opportunismus hat er geflissentlich zu vermeiden, er könnte sich im Extremfall lebensbedrohlich für Polizeibeamte und Betroffene auswirken.

Polizeipsychologie im polizeilichen Einzeldienst

Unter Einzeldienst versteht man den täglichen Dienst der Polizei; der Bürger lernt ihn z. B. in einer "Polizeiwache" kennen oder im Lokal, wenn die Sperrstunde überwacht wird oder bei Verkehrskontrollen auf der Strasse. Es handelt sich dabei um die übliche Erfüllung polizeilicher Aufgaben, die eng mit dem Begriff Funkstreife verbunden ist. Dieser Dienst führt zu einer Fülle höchstproblematischer Begegnungen mit dem Bürger. Ihr entsprechender Niederschlag findet sich in Beschwerden und Strafanzeigen gegen Polizeibeamte, aber auch in Anzeigen gegen Bürger z. B. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder wegen Beleidigung. Zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen Polizei und Bürger schien es angebracht, diese Konfliktfälle in einem ersten Schritt wissenschaftlich zu analysieren, um daraus dann im weiteren die erforderlichen Konsequenzen ableiten zu können.

Die Konfliktanalyse, eine empirisch fundierte Basis für die Aufdeckung psychischer Prozesse in der Begegnung zwischen Polizei und Bürger (vgl. Trum et al 1976).

Ausgehend von der Hypothese, wonach es in der konkreten Beziehung zwischen Polizeibeamten und Bürgern auch zu unnötigen Reibereien kommt, wurde eine Untersuchung zur Überprüfung dieser Hypothese geplant. Die verantwortliche Behörde ordnete an, dem Psychologischen Dienst sämtliche Vorgänge zugänglich zu machen, die einen Polizei- Bürger- Konflikt zum Gegenstand hatten. Zu ihrer Auswertung wurde ein Schema entworfen, das, alle objektivierbaren Daten erfasste wie z. B. Lebens- und Dienstalter des Beamten, Anzahl der beteiligten Beamten, Örtlichkeit und Zeitpunkt des Ereignisses, Anlass des Einschreitens, Anwesenheit anderer Personen usw. Darüber hinaus wurde jeder Vorgang einer Inhaltsanalyse unterzogen; mit ihr wurde versucht, den Hintergründen des jeweiligen Konflikts auf die Spur zu kommen. Diese Untersuchung erstreckte sich über zwei Jahre und erfasste ca. 1000 Konfliktfälle. Ihre Ergebnisse führten in der Folgezeit zu sehr ermutigenden Führungsmassnahmen. Hier die wichtigsten Erkenntnisse:

Dieser kleine Ausschnitt aus dem durch die Konfliktanalyse gewonnenen Erkenntnismaterial mag an dieser Stelle genügen. Die Freude hierüber in den Reihen der Polizei war jedenfalls geteilt. Während es in den Führungsetagen eine abwartende bis positive Haltung gab, verlor sich die Basis eher in abfällige Äusserungen über den Psychologischen Dienst. Dies ist aus zwei Gründen verständlich. Einmal wurde durch die Untersuchung nur aufgezeigt; es wurden noch nicht die heissersehnten Patentrezepte mitgeliefert. Zum anderen wurde mit der Bekanntgabe und Diskussion der Ergebnisse in den eigenen Reihen gleichsam der Finger in eine offene Wunde gelegt. Man fühlte sich irgendwie zum Alleinverantwortlichen für Ge- oder Misslingen der Begegnung mit dem Bürger gemacht. Es tauchten massive Vorwürfe auf, weshalb man nicht endlich auf die Öffentlichkeit einwirke, um erst einmal die Bürger zum "anständigen" Verhalten gegenüber Polizeibeamten anzuregen; letztere würden doch nur ihre Pflicht erfüllen und hätten deshalb Anspruch auf Wahrung ihrer menschlichen Würde ebenso wie auf Respektierung ihrer Autorität. Ganz unberechtigt sind diese Einwände sicher nicht. Leider! Zur Erreichung des eigentlichen Zieles, nämlich Quantität und Qualität der Konfliktbegegnungen mit dem Bürger zu verändern, tragen sie nichts bei. Die Beeinflussung der Öffentlichkeit durch die Polizei in der geforderten Form erscheint einfach nicht machbar. Und - nicht zuletzt eigenes Verhalten immer von der Kooperationsbereitschaft der andern abhängig zu machen, ist für Angehörige des öffentlichen Dienstes keine glückliche Forderung. Einer muss den ersten Schritt tun - warum nicht die Polizei? Der Einwand übrigens, der von Laien und Wissenschaftlern hin und wieder vorgebracht wird, dass Polizist in erster Linie der werde, der eine autoritäre Grundhaltung habe und sich im Beruf vorwiegend die Befriedung persönlicher Machtbedürfnisse sichern wolle, ist einer Versachlichung des Themas kaum dienlich. Er konnte bisher nie bestätigt werden, eher das Gegenteil (vgl. Trum 1974, 1975, Hornthal 1975).

Die dargestellte Untersuchung blieb nicht ohne Folgen. In einem nächsten Schritt wurde eine gezielte und systematische Umsetzung der Ergebnisse in die polizeiliche Praxis angestrebt. Der Polizeipsychologie war eine neue Aufgabe erwachsen.

Da dies teilweise mit tiefgreifenden organisatorischen, personellen und pädagogischen Massnahmen verbunden war, hing das Gelingen des Vorhabens sowohl von der Qualität der vorgelegten Anregungen als auch von der Flexibilität der Führungsverantwortlichen sowie von der Kooperationsfälligkeit von Wissenschaftlern und Praktikern ab. Eine psychologische Dienststelle ist und bleibt eine Stabsdienststelle; sie kann deshalb nichts anordnen, sondern nur vorschlagen. Es sei vorweggenommen, bisher wurde schon eine ganze Menge erreicht.

Die Polizeipsychologie als Motor der Professionalisierungsbemühungen im Anwendungsbereich polizeilicher Aufgabenstellungen

der junge Beamte erfährt in weiterer Hinsicht eine neue psychologisch begründete Förderung. Vor allem die Erkenntnis, dass junge Beamte besonders konfliktanfällig sind, hat zu einer Institutionalisierung der Anlernzeit im polizeilichen Einzeldienst geführt. Das Experiment läuft in Teilbereichen der Polizei unter dem Arbeitstitel Einweisungsbeamte (vgl. Trum 198 1); eine Erfolgskontrolle ist für die nächsten Monate geplant. Der junge Beamte, der in den Einzeldienst kommt, hat eine dreijährige Ausbildungszeit mit Prüfung; für den mittleren Polizeivollzugsdienst abgeschlossen und ein mindestens halbjähriges Dasein innerhalb einer geschlossenen (= zu Gruppen und Zügen zusammengefasst) Einheit verbracht. Um zu vermeiden dass. er am Anfang seiner eigentlichen Karriere orientierungslos, konfliktanfällig, zufällig ausgewählten Modellpersonen verhaftet und für seine Zukunft schädlichen Prägewirkungen ausgesetzt ist, wird ihm während der Anlernzeit (geplant: drei Monate) ein sog. Einweisungsbeamter beigegeben. Dieser Beamte wird in einem Kurzlehrgang auf seine Aufgaben durch den Psychologischen Dienst vorbereitet. Einweisungsbeamter kann werden, wer insbesondere die Bereitschaft erkennen lässt, körperliche Auseinandersetzungen durch sprachliche Lösungsmöglichkeiten zu ersetzen; er soll weiterhin die Fähigkeit nachgewiesen haben, Widerspruch emotional zu verkraften und sachlich verarbeiten zu können. Einwandfreies Verhalten auch im ausserdienstlichen Bereich sowie Freude an der Übernahme seines Einweisungsauftrages sind selbstverständliche Voraussetzungen. Es leuchtet ein, dass hierfür vor allem der erfahrene, selbstsichere und problemfreie Beamte in Frage kommt. Die Auswahl erfolgt trotz grosser personeller Schwierigkeiten auch de facto nach strengen Massstäben.

Weitere Beispiele für psychologische Aktivitäten im Zusammenhang mit Problemstellungen des polizeilichen Einzeldienstes

Aus der bisherigen Erörterung polizeipsychologischer Zielrichtungen ist z kennen, dass es in erster Linie darum geht, die in der Polizei- Bürger- Begegnung oft unvermeidbare Bedürfniskollision so weit zu entschärfen, dass sie nicht in einen Konflikt mit irreparablen Folgen ausartet. Zielvorstellung des Polizeibeamten muss sein, so geschickt zu agieren, dass Vernunft und Emotion seines Gegenübers in einem ausgewogenen Gleichgewicht bleiben. Denk- und Handlungsfähigkeit sollen so möglichst gewährleistet bleiben. Unter diesem Aspekt werde von den Dienststellen eine Reihe von Fragestellungen an die Psychologie herangetragen.

Der polizeiliche Einzeldienst ist so abwechslungsreich und mit so vielen Problemen gespickt, dass im Psychologischen Dienst auch in Zukunft kein Arbeitsmangel herrschen wird. Die schwierigen Begegnungen mit auffälligen Jugendgruppen, das Einschreiten gegenüber Betrunkenen, Familienstreitigkeiten, das Einschreiten gegenüber psychisch und geistig Erkrankten, eine schier endlose Reihe von Spezialfällen polizeilichen Handels tut sich noch auf.

Polizeipsychologie und ihre direkte Einbindung in das polizeiliche Einsatzgeschehen

Der grösste Vorteil für praxisorientierte Polizeipsychologen ist die Chance, über die rein theoretische Schreibtischarbeit hinaus im persönlichen Einsatz an der Lösung polizeilicher Aufgaben mitzuwirken. Eine bessere Möglichkeit, eigene Annahmen und theoretische Ausarbeitungen zu überprüfen, ist kaum denkbar.

psychologisch hochinteressant und lehrreich in ganz anderer Form waren, bisher die Aktivitäten im Rahmen polizeilicher Grossveranstaltungen. Voraussetzung hierfür ist die Kenntnis insbesondere der gruppendynamischenund massenpsychologischen Phänomene. Betrachtet man die jüngste Vergangenheit, so denkt man wahrscheinlich als erstes an Grossveranstaltungen wie Demonstrationen gegen Kernenergie, an Hausbesetzungen u. ä., also an Veranstaltungen, die zunehmend zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei führten. Wenn es in diesem Bereich so schwer gelingt, Eskalationen zu. vermeiden, dann liegt es primär am Bedürfnis eines Teils der Demonstranten, die Polizei zum Aktions- und Ereignisträger zu machen. Man benötigt Krach mit dieser staatlichen Institution, weil man sie stellvertretend für den gehassten Staat verantwortlich macht. Noch vor nicht allzu langer Zeit gelang es den Polizeipsychologen, Gespräche vor und während solcher Ereignisse zu führen, die Einhaltung wenigstens elementarer Spielregeln zu erreichen und als vermittelnde Instanz zwischen Polizei und Demonstranten zu wirken. Demonstranten haben auf diesem Weg so manches erreicht, was ohne diese Vermittlung nicht zugestanden worden wäre. Heute besteht diese Chance kaum noch; von seiten der Polizeipsychologen wird das Gespräch zwar noch gesucht, seine Führung ist aber schon teilweise mit echten Gefahren für Leib und Leben verbunden. Die Hauptarbeit der Psychologie ist gegenwärtig nach innen gerichtet. Es fällt nicht leicht, das im Grundgesetz verankerte Recht auf freie Meinungsäusserung mit Überzeugung zu vertreten, wenn man den Missbrauch so oft wahrnimmt. Trotzdem dürfte die dauernde Vorbereitung der vielen zum Einsatz kommenden Beamten ein wichtiger Beitrag zur Reduktion tatsächlichen Eskalationsgefahren sein. Der Psychologische Dienst sitzt zwischen zwei Stühlen. Auf der einen Seite wird er als Spitzeldienststelle bezeichnet, aus den eigenen Reihen ertönt der Vorwurf, Krawallmacher würden hier auf besonderes Verständnis, wenn nicht gar Wohlwollen, stossen. Wenn die konkrete Einflussnahme im Bereich polizeilich relevanter Grossveranstaltungen im Moment auch problematisch sein mag, so ist sie doch vorhanden; sie geschieht nur weniger spektakulär. Schon der Anwesenheit von Polizeipsychologen am Einsatzort kann eine gewisse Bedeutung für die polizeiliche Entscheidungsfindung nicht abgesprochen werden. Auf alle Fälle haben die vielen Feldbeobachtungen und Analysen zu einer respektablen Sammlung von Erkenntnissen über das Verhalten von Menschenmengen erbracht (vgl. Trum / Schuh 1977).

Überlegungen zu den Grenzen der Psychologie in der Polizei

Ein exemplarischer Einblick in die Aktivitäten von Polizeipsychologen ist unvollständig, wenn die mit ihrem Tun verbundenen Probleme verschwiegen werden.

Literatur