Braune Flecken auf'm Edelweiß

Generäle der Gebirgstruppe im Dritten Reich

Jakob Knab, Sonthofen, 28. Juli 2000 Die ehemalige NS-Ordensburg Sonthofen ist jetzt die "Generaloberst-Beck-Kaserne" der Bundeswehr. Ludwig Beck, der Chef des Generalstabes des Heeres, war die zentrale Gestalt der militärischen Opposition. Er befürchtete, dass ein von Hitler begonnener Krieg unausweichlich in die Katastrophe führen werde. Beck, der im August 1939 zurücktrat, fasste seine Überlegungen so zusammen: "Es stehen hier letzte Entscheidungen für den Bestand der Nation auf dem Spiel; die Geschichte wird diese Führer mit einer Blutschuld belasten, wenn sie nicht nach ihrem fachlichen und staatspolitischen Wissen und Gewissen handeln. Ihr soldatischer Gehorsam hat dort eine Grenze, wo ihr Wissen, ihr Gewissen und ihre Verantwortung die Ausführung eines Befehls verbietet. (...) Es ist ein Mangel an Größe und an Erkenntnis der Aufgabe, wenn ein Soldat in höchster Stellung in solchen Zeiten seine Pflichten und Aufgaben nur in dem begrenzten Rahmen seiner militärischen Aufträge sieht, ohne sich der höchsten Verantwortung vor dem gesamten Volke bewusst zu werden."

Auf der damaligen NS-Ordensburg in Sonthofen hatte der General der Gebirgstruppe Ritter von Hengl im Juli 1944 seine schlimme Hass-Rede gehalten. Hengl verlangte, der Offizier müsse seine Soldaten zum "unbändigen Vernichtungswillen und zum Hass" erziehen. Hengl war aufgrund seiner guten Beziehungen zu Heinrich Himmler kurz nach seinem Eintritt in die SS-Verfügungstruppe zum Kommandeur des I. Bataillons der SS-Standarte "Deutschland" ernannt worden. Die NS-Gesinnung des Ritters von Hengl galt als "sehr ausgeprägt". Hengls glühende Nazi-Rede vom Juli 1944 griff der Befehlshaber des Ersatzheeres in einem Befehl vom 21. Juli 1944 auf: "Die Gedanken der Richtlinien und des Vortrages des Chef des NS-Führungsstabes des Heeres sind für die weitere Arbeit ... Befehle".

Nach dem Krieg schrieb Hengl im Vorwort zum Buch "General Dietl": "Narvik und Dietl waren im ganzen Volk ein Begriff. (...) Dieses Buch möge im deutschen Volk und vor allem in der Jugend die Erinnerung an Generaloberst Dietl wach halten! Er zählte zu den Besten."

In der Tat, Dietl zählte zu den Besten...

Zum Mythos wurde Dietl durch die hartnäckige Kriegführung, mit der Narvik gegen die Briten gehalten werden konnte. Ein Volksheld war geboren, als am 10. Juni 1940 das OKW bekanntgab: "Der heldenhafte Widerstand, den die Kampfgruppe des Generalleutnants Dietl seit vielen Wochen, vereinsamt unter schwersten Bedingungen, in Narvik gegen eine überwältigende feindliche Übermacht geleistet hat, erhielt heute seine Krönung durch den vollen Sieg. Ostmärkische Gebirgstruppen (...) haben ein Beweis ruhmvollen Soldatentums für alle Zeiten gegeben." Goebbels machte den "Helden von Narvik" zum Propagandaprodukt, er verklärte seine Tat zu einem "modernen Nibelungenlied" . Unter dem tosenden Beifall des Großdeutschen Reichstages wurde Dietl am 19. Juni 1940 als erstem Soldaten der Wehrmacht das Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes verliehen.

Am 22. Juni 1941 überfiel die Wehrmacht die Sowjetunion. Im Norden steht die Wehrmacht "im Bunde mit finnischen Divisionen [...] mit dem Sieger von Narvik am nördlichen Eismeer."[1] Gleichwohl befördert Hitler, als er am 4. Juni 1942 zum 75. Geburtstag des finnischen Oberbefehlshabers von Mannerheim nach Finnland reist, an derselben Stelle in derselben Zeremonie seinen. Dietl enttäuschte das Vertrauen seines "Führers" nicht: "Wir müssen aus innerster Überzeugung an unseren Obersten Befehlshaber glauben und mit heiliger Begeisterung die Aufgabe, die der Führer der Wehrmacht gestellt hat - die Erringung des Endsieges - erfüllen." [2]

Aufschluß über Dietls rassistische Gesinnung gibt seine "sehr ernste Mahnung an die Vorgesetzten aller Dienstgrade", in der er kurz vor Weihnachten 1942 die allgemein geltenden Bestimmungen über die Heirat deutsche Soldaten mit Frauen aus nordischen Staaten verschärfte. Er lehnte Ehen deutscher Soldaten mit Norwegerinnen rundweg ab, zum einen, weil "es sich [...] nur um recht geringwertige Vertreterinnen der Nachbarvölker" und um "rassisches Treibholz" handele, zum anderen, weil in der Heimat "Hunderttausende frischer deutscher Mädels und leider auch zahlreiche junge Kriegerwitwen auf unsere heimkehrenden Soldaten" warten.[3]

Durch zwei Tatbestände geriet Dietl in schuldhafte Verstrickung in Kriegsverbrechen: Der erste betrifft die Weitergabe des "Kommissarbefehls", der im Juni 1941 auf Initiative der Heeresführung ausgearbeitet worden war. Unverblümt hatte Hitler in einer Rede am 30. März 1941 kriegsverbrecherisches Vorgehen gegen die UdSSR gefordert; er hatte erklärt, das Heer müsse in diesem "Kampf zweier Weltanschauungen (...) von dem Standpunkt des soldatischen Kameradentums abrücken". Über das Gebirgs-Korps Norwegen unter Generaloberst von Falkenhorst wurde der Befehl auch an General Dietl weitergegeben und dort bekannt gemacht."[4] Auch im Befehlsbereich von Dietls 20. Gebirgs-Armee wurden Kriegsgefangene zur Erschießung an den berüchtigten Sicherheitsdienst (SD) weitergegeben.

Der zweite Tatbestand betrifft die als "Konzentrationslager für die Wehrmacht"[5] bezeichneten Feldstraflager in Finnland und Nordnorwegen. In Norwegen ließ Dietl Rückzugswege bauen. Dabei wurden Einheiten von Strafgefangenen ("Moorsoldaten" aus den Emslandlagern) der Organisation Todt eingesetzt. Weitere Einheiten wurden im Fort Zinna/Torgau aufgestellt; es waren Arbeitssklaven aus den Feldstraflagern I und II in Finnland und Norwegen, für die Generaloberst Dietl truppendienstlich verantwortlich war. Diese Feldstraflager waren die militärische Variante der Vernichtung durch Arbeit. Zum sogenannten Bewährungsprogramm gehörte der Fußmarsch von Rovaniemi nach Petsamo am Eismeer, auf dem immer wieder zu schwache Strafsoldaten mit Genickschüssen getötet wurden. Hier kam es ab Sommer 1942 in Finnland und Nordnorwegen zu willkürlichen Erschießungen und sadistischen Mißhandlungen an deutschen Strafsoldaten durch Wachpersonal der Wehrmacht. Dietl hatte am 16. Juni 1942 den Strafsoldaten unverhüllt mit Ermordrung gedroht, wenn sie bei den Märschen nicht mitkommen sollten.[6]

Stalingrad brachte im Winter 1942/43 die Wende des Krieges. Den zehnten Jahrestag der Machtergreifung wollte man im Januar 1943 feierlich begehen; zu dessen Anlaß wurde etlichen Generälen, darunter Schörner und Dietl, das Goldene Ehrenzeichen der NSDAP verliehen. Als Goebbels nach der Kapitulation von Stalingrad am 18. Februar 1943 verkündete er im Sportpalast Berlin den "totalen Krieg" verkündete, telegraphierte ihm Dietl die "uneingeschränkte Sympathie der Front"[7]. Nach der Katastrophe an der Wolga wurde im Frühjahr 1943 der Heldengedenktag nur sehr verhalten gefeiert. Ausgleich schuf im November ein großangelegter Propagandafeldzug mit Kundgebungen von Ritterkreuzträgern und Kriegshelden zum zwanzigsten Jahrestag des Hitler-Putsches von 1923. Auch hier tat sich Generaloberst Dietl hervor: Als Oberbefehlshaber der 20. Gebirgs-Armee ließ er zum 9. November 1943 verkünden: "Das deutsche Volk gedenkt am 9. November des Tages, an dem der Führer das große Wagnis unternahm, mit einer Handvoll entschlossener Männer die Führung des Reiches an sich zu reißen und damit das deutsche Schicksal entscheidend zum Guten zu wenden. [...] Wir feiern [...] den Tag der unbedingten Treue zum Führer, zur Idee des Reiches, zur Ehre der Nation und zur nationalen Gemeinschaft des deutschen Volkes."[8] Höhepunkt des Propagandafeldzuges war die Durchhalterede, die Dietl auf den Stufen der Feldherrnhalle München hielt: "Der Frontsoldat weiß, daß es sich um den Schicksalskampf des deutschen Volkes handelt, daß sich die Juden der ganzen Welt zusammengeschlossen haben zur Vernichtung Deutschlands und Europas. [...] Der Krieg ist der unerbittliche Läuterer der Vorsehung. Ich erkläre feierlich: Ich glaube an den Führer!"[9] Dieses öffentliche Bekenntnis zum "Führer" verkündete Dietl ebenso in Rosenheim, Ingolstadt und Graz.

Am 22. Juni 1944 kam es auf dem Obersalzberg zur letzten Begegnung Hitler und Dietl. Es ging um die Waffenbrüderschaft mit Finnland. Am 23. Juni 1944 kam Dietl bei einem Flugzeugunfall zu Tode. In Hitlers Tagesbefehl zum 1. Juli 1944 heißt es: "Am 23. Juni 1944 ist Generaloberst Dietl bei einem Flugzeugunfall tödlich verunglückt. Als hervorragender Soldat im Ringen um unser nationalsozialistisches Großdeutschland hat sich Generaloberst Dietl besonders im Kampf um Norwegen und Finnland ausgezeichnet [...]. Generaloberst Dietl wird für alle Soldaten und für das ganze deutsche Volk der Inbegriff des Glaubens an unser nationalsozialistisches Deutschland und seinen Sieg sein. [...] Als fanatischer Nationalsozialist hat sich Generaloberst Dietl in unwandelbarer Treue und leidenschaftlichem Glauben seit Beginn des Kampfes unserer Bewegung für das Großdeutsche Reich persönlich eingesetzt. Ich verliere deshalb in ihm einen meiner treuesten Kameraden aus langer, schwerer, gemeinsamer Kampfzeit."[10]

Den Übergang vom Dietl-Kult der Wehrmacht zur landläufigen Traditionspflege markieren diese Schlußworte: "Von der Jugend bis zum Tode ging dieser aufrechte, ehrliche und tapfere Mann unbeirrbar den Weg, der ihm durch Veranlagung und Erziehung und durch die Reinheit seiner heimischen Bergwelt vorgezeichnet war. Ein gütiges Geschick hat ihn unbesiegt und ungeschmäht von uns genommen, aber die Erinnerung an "unsern Dietl" lebt weiter, nicht nur zwischen Bodensee und Graz, sondern überall dort, wo wahres Menschentum seinen hohen Wert behält."[11]

General der Gebirgstruppe Rudolf Konrad - "Dem Führer und seinem Werk gehört unsere ganze Hingabe. Wir wollen es hüten und siegreich tragen durch das neue Jahr zum Heile Deutschlands."[12] Als General des Heeres beim Reichsmarschall hatte er Görings großmannssüchtiges Auftreten kopiert, um diesem zu imponieren.[13] Als im April 1944 seine militärische Karriere abrupt endete, war für ihn Generaloberst Schörner schuld an dieser Schmach. Die Feindschaft zwischen Konrad und Schörner blieb auch nach dem Ende des Krieges bestehen und wurde auf recht unvornehme Art ausgefochten. Schörner gebrauchte Wendungen wie: "gehässiger Zwerg Konrad", "greisenhafter Größenwahn", "winziger Neidhammel", "Chamäleon Konrad", "Giftküche des Herrn Konrad".[14]

Die Kaserne in Bad Reichenhall trägt den Namen "General-Konrad-Kaserne".

Generalleutnant Christian Philipp - Leutnant Christian Phillip war bereits am Kapp-Putsch beteiligt. Fast zehn Jahre lang bildete er SA- und SS- Männer[15] zu Soldaten aus. General Philipp war überzeugter Nationalsozialist. Aus einem Vorwort aus der Feder von Philipp: "Dieses Buch spricht von einer großdeutschen Gebirgsdivision, die auf einem nunmehr drei Jahre währenden Marsch kämpfend und siegend durch Europa ging. Auf ihm wuchs ihr soldatisches Gesicht, auf ihm wuchs ihre menschliche Reife und ihr nationalsozialistischer Geist. Mit ihm wuchs ein Stück Weltgeschichte. So konnte dieses Buch kein anderes als ein nationalsozialistisches sein. Es erzählt vom soldatischen Werden und völkischen Wachstum dieser Division und stellte ihre Schicksale hinein in den großen weltgeschichtlich wirkenden Gang aller Deutschen, darin sie durch ihre Toten und ihren Willen ein untrennbares Teil geworden ist. So bleibe dies Buch die bisherige Ernst eines fruchtbaren Reifens, gleichwie ein neues Säen und eine immerwährende Verpflichtung auf den Geist ihres Schöpfers und ersten Kommandeurs. Und damit auf einen stolzen Weitermarsch für Führer, Volk und Reich und den Einsieg einer jungen neuen Welt."[16]

General der Gebirgstruppe Julius Ringel - Bei der Eroberung von Kreta im Juni 1941 verbluteten General Ringels Gebirgsjäger. Der spätere VdK-Präsident Weishäupl nannte diesen Einsatz "eine Tragödie und ein Verbrechen der damaligen militärischen Führung".[17] General Ringel gehörte zu den getreuen Gefolgsleuten des "Führers". Am 30. Januar 1943, dem 10. Jahrestag der Machtergreifung, wurde ihm das Goldenes Ehrenzeichen der NSDAP[18] verliehen.

Generalleutnant Max Pemsel - Als Stabschef General Böhmes in Serbien hatte Oberst Pemsel den Befehlsentwurf[19] für die Ermordung von 2100 Sühnegefangenen ("vorwiegend Kommunisten und Juden") angefertigt.

General der Gebirgstruppe Franz Böhme - General Böhme wurde von Hitler nach Serbien beordert. General Böhme gebrauchte seine Machtfülle als "Freibrief zum Massenmord".[20] Am 2. Oktober 1941 ordnete Böhme an, für 21 gefallene Soldaten "2100 Häftlinge in den Konzentrationslagern Sabac und Belgrad zu erschießen". Eine Woche später erließ er einen Tagesbefehl, der die systematische Liquidierung der erwachsenen männlichen Juden durch die Wehrmacht einleitete. Allein während der Anwesenheit Böhmes in Serbien zwischen Oktober und Dezember 1941 wurden 25 000 Menschen unter dem Vorwand der Sühne ermordet. "Serbien ist judenfrei!"

Generalleutnant Walter Stetter, Ritter von Grabenhofen - Als Kommandeur der 1. Gebirgs-Division erließ er am 8. April 1943 diesen "Sühnebefehl": "Wer bei Kampf-handlungen mit der Waffe in der Hand als Helfer von Aufständischen oder bei Sabotageakten getroffen wird, ist grundsätzlich an Ort und Stelle zu erschießen oder aufzuhängen. (...) Für einen getöteten Deutschen oder Bulgaren fallen 50 Sühnegefangene. Für einen verwundeten Deutschen oder Bulgaren fallen 25 Sühnegefangene."[21]

General der Gebirgstruppe Karl von Le Suire - Am 25. November 1943 befahl Le Suire das "Unternehmen Kalavrita". Am 13. Dezember 1943 umstellten Soldaten der Wehrmacht Kalavrita, ein Dorf auf der Nordpeloponnes. Ihr Auftrag lautete, die gesamte männliche Bevölkerung zu liquidieren. Mehr als 500 Männer und Buben wurden in einer fünf Stunden dauernden Massenhinrichtung erschossen.

Generalleutnant Harald von Hirschfeld - Harald von Hirschfeld gehörte zu den getreuesten Gefolgsleuten des "Führers"[22]. Major von Hirschfeld beteiligte sich an den Erschießungen italienischer kriegsgefangener Offiziere der Divisionen "Peruggia" und "Brennero" und befehligte die Massenerschießungen auf Cefalonia. Nach dem September 1943 wurde von Hirschfeld schnell befördert. Im Januar 1945 fiel er an der Ostfront[23].

General der Gebirgstruppe Hubert Lanz - Auf Kephalonia und auf Korfu kämpfte die Wehrmacht jene Einheiten der italienischen Armee nieder, die sich nach dem Waffenstillstand zwischen Italien und den Alliierten nicht von den Deutschen hatten entwaffnen lassen. Es lagen Befehle des Oberkommandos der Wehrmacht vom 18. und am 23. September 1943 vor, die besagten, daß "wegen des gemeinen und verräterischen Verhaltens" der Italiener keine Gefangenen gemacht werden durften.

Für die abscheulichen Kriegsverbrechen von Kephalonia tragen der General der Gebirgstruppe Lanz und Generaloberst Löhr die truppendienstliche Verantwortung: In Zivil aufgegriffene ehemalige italienische Soldaten wurden wie tolle Hunde niedergeschossen. Offiziere sollten "in würdiger Form umgebracht werden, so die Weisung des Gebirgsjäger-Generals Lanz. Allein auf Kephalonia wurden zwischen 4900 und 6000 Menschen exekutiert.[24]

Im Südost-Geiselprozess wurde der General der Gebirgstruppe Hubert Lanz, dessen Unterschrift war auch unter einem Schreiben über den Ausschluss der jüdischen Mitbürger aus der Volksgemeinschaft finden, zu zwölf Jahren abgeurteilt.

General der Gebirgstruppe Ludwig Kübler - Aufgrund seiner rücksichtslosen Härte erhielt General Ludwig Kübler die Beinamen "Bluthund von Lemberg" und "Adriaschreck".

(...)

Am 10. Juli 1947 verurteilte ihn eine jugoslawische Militärstrafkammer in Laibach wegen seiner drakonischen Maßnahmen während des Ostfeldzuges und wegen seiner auf dem Balkan begangenen Kriegsverbrechen zum Tode durch den Strang.[25]

GFM Ferdinand Schörner (1892-1973)

Bis auf den heutigen Tag ist der Gebirgsjäger Schörner der umstrittenste Soldat der Wehrmacht. Im 1. Weltkrieg erhielt Schörner höchste Auszeichnungen, danach studierte er Philologie in München. Schörner trat für die demokratische Grundordnung der Weimarer Republik ein und stand beim Hitler-Putsch im November 1923 auf Seiten der Regierung. Allein durch den Einfluss des Kameraden Dietl im Kemptener Gebirgsjäger-Bataillon wurde Schörner zum Nationalsozialisten.

Schörner wurde von zwei Kameraden unter'm Edelweiß geprägt: Dietl war der getreue Gefolgsmann der "Führers" Adolf Hitler; Kübler war der rücksichtslose und eiskalte Führer auf dem Schlachtfeld. Am 4. September 1939 war der Aufmarsch der 1. Gebirgs-Division beendet. Für die "Sturmfahrt auf Lemberg" wurde Oberst Schörner von Generalmajor Kübler zum Kommandeur der mot. Verfolgungstruppen ernannt. Durch Küblers rücksichtslose Vorwärtstaktik und die hohen Verluste wurde Lemberg zum Langemarck der Deutschen Gebirgstruppe. Kübler erhielt den Namen "Bluthund von Lemberg". Während des Balkanfeldzuges wurde Schörner mit seiner 6. Gebirgsdivision der "Sieger von Athen". Da Dietl, der "Verlierer an der Liza", trotz allergrößter Verluste das operative Ziel Murmansk nicht erreichte, wurde Schörner gerufen. Schörner galt als "rücksichtlos hart und von beispielloser Energie". Das OdH ernannte dieses Dreigestirn als Bollwerk im hohen Norden: Dietl - Schörner - von Hengl.

In einem Sonderbefehl vom 6. März 1942 verkündete Schörner als KG des Gebirgskorps Norwegen: "Der Soldat des Heeres von heute siegt mit der Waffe und mit der Weltanschauung." In einem weiteren Sonderbefehl vom 1. Februar 1943: "Die ns Erziehung der Truppe ist zeitlich unbegrenzt (...) dabei stellt der Offizier die ns Lebensauffassung grundsätzlich und kompromisslos heraus."

Nach der Niederlage von Stalingrad wurde die ideologische Ausrichtung in der Wehrmacht verstärkt. Eine Maßnahme waren Kampfkundgebungen und Durchhaltereden. Eine weitere Maßnahme: Am 1. Februar 1944 wurde der General der Gebirgstruppe Schörner zum Chef des NS-Führungsstabes (Heer) ernannt. Schörner erließ Richtlinien für die ns Führung im Heere: "In diesem Kriege der Weltanschauungen, mit einer Härte, die solchen Kämpfen eigen ist, steht das Schicksal unseres Volkes auf dem Spiel. (...) Entscheidend sind allein die höchsten Werte eines Volkes, Tapferkeit, eiserne Disziplin, Ehre und das Bewusstsein, Träger und Kämpfer einer hohen Idee zu sein. (...) Der NS ist im Schützengraben des Weltkrieges entstanden, und im Frontsoldatentum dieses Krieges finde er seine höchste Bewährung. (...) Die politische Erziehung ist ebenso wichtig, wie die Ausbildung an der Waffen."

Da Schörner der Kampf an der Front mehr reizte, wurde im Mai 1944 Ritter von Hengl sein Nachfolger. Schörner übernahm die Heeresgruppe Südukraine, ab Ende Juli 1944 die Heeresgruppe Nord, war dann im Januar 1945 bei der Heeresgruppe A. Hitlers Feldherr der letzten Stunde war der Gebirgsjäger Schörner, der am 25. Januar 1945 den Oberbefehl über die Heeresgruppe Mitte an der schlesischen Front übernahm. Hitler erwartete von Schörner Wunderdinge. Schörner war der "Durchhaltegeneral" in den äußerst verlustreichen Abwehrschlachten im Osten, er wurde zum Soldatenmythos, der ideologischen Fanatismus und grimmigen Willen zum Kampf und Krieg vereinte. Schörner am 27. Februar 1945: "Fast vier Jahre eines asiatischen Krieges haben dem Frontsoldaten ein anderes Gesicht gegeben, wie einst dem Kämpfer vor Verdun und an der Somme; sie haben ihn hart gemacht und im Kampf gegen den Bolschewisten fanatisiert. Auch an der Lausitzer Neiße werden in diesen Tagen keine Gefangenen mehr gemacht. Im Ostfeldzug ist der politische Soldat gewachsen, der damals schon in den Trichtern des Westens entstand und die nationalsozialistische Front gründete."[26]

Zum "Bluthund" wurde Schörner durch die berüchtigten Standgerichte.

Noch in seinem Testament ernannte der "Führer" Adolf Hitler Schörner zum Oberbefehlshaber des Heeres. Als Kriegsverbrecher verbrachte Schörner zehn Jahre in sowjetischer Haft. 1955 kehrte er nach Westdeutschland zurück. Hier wurde er wegen der Ermordung deutscher Soldaten an der Ostfront angeklagt. Ein Münchner Gericht befand ihn 1957 des Totschlags für schuldig und verurteilte ihn zur viereinhalb Jahren Gefängnis.

Elitetruppen sind dem Kämpfertyp verpflichtet. Der "Korpsgeist" in den verschworenen Männerbünden dieser Stammeskrieger ist legendär. Urtrauma der Menschheit ist es, die Gejagten, die Beute zu sein. In ihrem stolzen Selbstbildnis ("Gebirgsjäger", "Fallschirmjäger") haben Elitesoldaten als "Jäger" dieses Urtrauma überwunden. Stark ausgeprägt sind männerbündisches Verhalten und Korpsgeist, Heldenkult und Traditionspflege bei den Elitetruppen, d.h. bei den Gebirgsjägern und bei den Fallschirmjägern.

Wie stark der völkische Mythos bei den Gebirgsjägern ("Kameraden unter dem Edelweiß") verwurzelt ist, davon zeugt dieser Prolog von General Hubert Lanz: "Also steht er vor uns: kraftvoll und hart, wortkarg und zäh, mit kantigem Gesicht, selbst ein Stück Fels - der Kämpfer der Berge. Das Natürliche waltet im Leben und Treiben, in Ausbildung und Kampf des Gebirgsjägers. Eng verbunden sind Offizier und Mann. Aus solcher Kameradschaft erwächst ein eigenes Pflichtgefühl, die innere Treue. Gut ausgebildet, an Härte und Opfer gewöhnt, geht der Gebirgsjäger in den Krieg, der das 'Edelweiß zum Schrecken der Feinde' werden läßt. Höchste Leistungen zeichnen seinen Weg. Als das bittere Ende naht, geht die Gebirgstruppe, hart mitgenommen, aber ungebrochen im Rahmen des Heeres in die Heimat zurück. Ohne lautes Wort kehrt sie heim in ihre Berge, in den Schoß ihres Volkes, aus dem sie gekommen war. Sie gedenkt der toten Kameraden, die in fremder Erde ruhen, verbunden mit ihnen in der Einheit des Seins. (...) Mit Würde und Stolz trage, Gebirgsjäger, dein Edelweiß! Die herbe, schönste Blume deiner Berge bleibe Sinnbild deines Wesens, Ehrenzeichen besten deutschen Soldatentums im Frieden und im Krieg."[27]

Die Unschuldsvermutung des Mythos verhindert die historische Aufklärung!

Tapferkeit ohne Gerechtigkeit ist ein Hebel des Bösen (Ambrosius von Mailand)Es gibt keine "zeitlosen" soldatischen Tugenden!Soldatischen Tugenden gewinnen ihren sittlichen Rang in der Bindung an die Gerechtigkeit.Wir brauchen keinen Kriegerkult, keine Kriegsnostalgie, keine Heldenmythen - sei es Narvik, Kaukasus oder anderswo!Wer zwischen dem "bösen" System des Dritten Reiches und den "guten militärischen Leistungen trennt, der setzt die Traditionslüge fort.Wer die braunen Flecken auf'm Edelweiß leugnet, der stellt sich in den Dienst der Volksverdummung!Volksverdummung oder Aufklärung - das ist die Frage!

[1] Zitiert in: Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion, S. 265ff.

[2] BA-MA Freiburg, RH 20-20/34: Kommando der 20. (Geb.)Armee - Oberbefehlshaber am 14. September 1942.

[3] Ebenda RH 20-20 / 185: Oberkommando der 20. Gebirgsarmee IIa Nr. 1234 / 42 vom 23.12.1943.

[4] Ludwigsburg ZSL 319 AR-Z 215/76; publiziert und nachgewiesen bei Ueberschär, Die Einbeziehung Skandinaviens, S. 402f.

[5] Hodes, Die Strafvollstreckung im Kriege, S. 407.

[6] MGFA Potsdam, Generaloberst Dietl und die Feldstraflager I -III in Finnland, 23. September 1993.

[7] Am 20. Februar 1943 jubelte Goebbels: "Erfreulich ist dabei das kolossale Echo zu meiner Sportpalastrede, das von Stunde zu Stunde zunimmt. Am meisten bin ich beglückt über Telegramme von Generaloberst Dietl und Generalfeldmarschall Richthofen, die mir die uneingeschränkte Sympathie der Front zum Ausdruck bringen." Vgl. Goebbels, Die Tagebücher, S. 381

[8] Zitiert in: Kaltenegger, Generaloberst Dietl, S. 372f.

[9] Der Donaubote (Ingolstadt) vom 15. November 1943; Tagespost (Graz - "Stadt der Volkserhebung") vom 17. November 1943; Rosenheimer Anzeiger vom 14. November 1943; Münchner Neueste Nachrichten vom 15. November 1943.

[10] Archiv der Gegenwart vom 1. Juli 1944.

[11] General Dietl. Hrsg. von Gerda-Luise Dietl und Kurt Hermann. Bearb. Von Max Dingler. München 1951, S. 274

[12] Tagesbefehl als KG des XXXXIX. (Geb.)A.K. vom 3. Januar 1942;

hier zitiert nach: Kaltenegger, Gebirgsjäger im Kaukasus, S. 12

[13] Vgl. hierzu: Kaltenegger, Schörner. Feldmarschall der letzten Stunde, München 1994, S. 232f.

[14] Ebd., S. 336ff.

[15] Weinberger, Das gelbe Edelweiß, S. 292f.; hier zitiert nach: Kaltenegger, Schörner, S. 66

[16] Vorwort zu Weinberger, Das gelbe Edelweiß; hier zitiert nach: Kaltenegger, Dietl, S. 18

[17] Kaltenegger, Die deutsche Gebirgstruppe 1935-1945, München 1989, S. 212

[18] Kaltenegger, Schörner, S. 394, Anm. 41

[19] Walter Manoschek, "Serbien ist judenfrei": militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42, München 1993, S. 14, Anm. 18 (= Beiträge zur Militärgeschichte; Bd. 38)

[20] ZEIT-Punkte 3/1995 "Gehorsam bis zum Mord?", S. 39

[21] 1. Gebirgs-Division I a Nr. 416/43 g.Kdos.

[22] NSDAP Nr. 1541656

[23] Menachem Shelah, Die Ermordung italienischer Kriegsgefangener, September - November 1943; in: Heer / Naumann (Hrsg.), Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944, Hamburg 1995, S. 206. Anm. 25.

[24]Vgl. Gerhard Schreiber, Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich 1943 bis 1945. München 1989. Vom selben Autor außerdem der Beitrag "Militärsklaven im 'Dritten Reich'", in: Wolfgang Michalka (Hrsg.), Der Zweite Weltkrieg. München 1989.

[25]Roland Kaltenegger, Operationszone "Adriatisches Küstenland": der Kampf um Triest, Istrien und Fiume 1944/45; Graz - Stuttgart 1993.

[26]Zitiert in: Kaltenegger, Schörner. S. 277

[27] Prolog von General der Gebirgstruppe Hubert Lanz, in: Roland Kaltenegger, Die deutsche Gebirgstruppe 1935-1945, München 1989. Als Vorgesetzter von SS-General Hausser hatte Lanz im Februar 1943 den Befehl gegeben: "Charkow ist unter allen Umständen zu verteidigen!" Lanz ist in die Kriegsverbrechen von Kephalonia schuldhaft verstrickt. Vgl. hierzu: Gerhard Schreiber, Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich 1943 bis 1945. Verraten - Verachtet - Vergessen, München 1990 (= Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 28), S. 156ff.