Für die Erinnerung an die Opfer ist bei der Soldatenfeier kein Platz
Das jährliche Traditionstreffen der Wehrmachts-Gebirgstruppe steht in der Kritik / Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen
Frankfurter Rundschau, 3.5.2003 Die Gebirgstruppe der Wehrmacht hat sich im Zweiten Weltkrieg schwerster Verbrechen schuldig gemacht. In zwei Fällen ermittelt wieder die Staatsanwaltschaft. Dennoch feiern die Veteranen alljährlich zu Pfingsten Wiedersehen im bayrischen Mittenwald - gemeinsam mit Gebirgsjägern der Bundeswehr. Der Protest gegen den fragwürdigen Schulterschluss wächst.
Von Joachim F. Tornau (Kassel)
Historiker sprechen von "einem der abscheulichsten Kriegsverbrechen in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs": Am 13. September 1943 ermordeten Truppen der 1. Gebirgsdivision der Wehrmacht auf der griechischen Insel Kephalonia mindestens 4000 italienische Kriegsgefangene - aus Rache dafür, dass der vormalige Verbündete die Seiten gewechselt hatte.
Knapp einen Monat zuvor hatten die Gebirgsjäger das nordgriechische Dorf Kommeno dem Erdboden gleichgemacht. Bei dem als "Sühnemaßnahme" für einen Partisanenangriff deklarierten Massaker erschossen sie 317 wehrlose Männer, Frauen und Kinder. Überlebende berichteten später, dass die Soldaten auch Frauenleichen geschändet, einer Schwangeren den Bauch aufgeschnitten und Kinder angezündet hätten.
Mehr als 50 Orte in Europa, an denen die Gebirgstruppe derartige Verbrechen begangen hat, sind belegt. Doch bislang wurde keiner der Beteiligten zur Rechenschaft gezogen. Das könnte sich ändern: In den Fällen Kephalonia und Kommeno hat die Staatsanwaltschaft die in den sechziger Jahren eingestellten Ermittlungen wieder aufgenommen. Recherchen von Journalisten und Historikern hätten zu neuen Verdächtigen und Beweismitteln geführt, erklärt der zuständige Dortmunder Oberstaatsanwalt Ulrich Maass. Doch weil Totschlag lange verjährt ist, muss er den Veteranen Mord nachweisen: Das sei nicht leicht. "Aber es erscheint immerhin möglich, dass man da herankommt." Die ehemaligen Soldaten machen aus der Zugehörigkeit zur Elitetruppe indes keinen Hehl. Jedes Jahr zu Pfingsten treffen sie sich mit Gebirgsjägern der Bundeswehr in Mittenwald, um beim Ehrenmal auf dem Hohen Brendten der toten Kameraden zu gedenken.
Für die Erinnerung an die Opfer ist dabei kein Platz. Organisiert wird die größte soldatische Feier in Deutschland vom "Kameradenkreis der Gebirgstruppe", einem Verband von Wehrmachtsveteranen und aktiven Gebirgssoldaten. Zu dessen 8000 Mitgliedern gehört auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU).
Doch der Schulterschluss zwischen Alt und Jung ist in die Kritik geraten. Beim letztjährigen Treffen hatte es erstmals Proteste von Demonstranten gegeben. Weil österreichische Ex-Gebirgsjäger stolz ihre Hakenkreuzorden trugen, schaltete sich die Staatsanwaltschaft ein. Die Ermittlungen wegen des Zeigens verfassungswidriger Symbole wurden "wegen geringer Schuld" eingestellt.
In diesem Jahr sind gleich mehrere Gegenveranstaltungen geplant. "Wir haben vor, die Täter mit den Überlebenden zu konfrontieren", sagt Historiker Stephan Stracke vom Arbeitskreis "Angreifbare Traditionspflege". Zusammen mit der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) richtet der Arbeitskreis in Mittenwald ein Hearing mit Opfern der nationalsozialistischen Gebirgsjäger aus.
Die Mahnwache auf dem Parkplatz am Hohen Brendten wird aber wohl ausfallen. Das Grundstück gehört der Bundeswehr. Die will dort "keine politisch motivierten Veranstaltungen" dulden. Für die Gedenkfeier des Kameradenkreises scheint das indes nicht zu gelten. Deren Besucher dürfen den Parkplatz seit eh und je nutzen.